Zu geringe Gutschriften

Unständig beschäftigte Medienmacher bei Rentenberechnung genau hinschauen

Zahlreiche Rundfunkmoderatoren, Fernsehreporter, Kameraleute oder Schauspieler haben zu niedrige Rentenansprüche gutgeschrieben bekommen. Betroffen sind die „unständig“ – also tageweise – Beschäftigte. Sie sollten ihren Rentenverlauf anfordern und überprüfen. Als „unständig“ gilt eine Beschäftigung, „die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache befristet zu sein pflegt oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag befristet ist.“ So definiert es § 163 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Insbesondere beim Rundfunk, Fernsehen und Theater arbeiten viele in unständiger Beschäftigung.

Allein beim WDR werden jeden Monat Vergütungen für rund 600 Mitarbeiter/innen in unständiger Beschäftigung abgerechnet. Eine von ihnen ist die Journalistin und Moderatorin Henrike Madest. Als sie im Sommer den ihr zugesandten Rentenversicherungsverlauf unter die Lupe nahm, stellte sie fest: Zwar hatte die Rentenversicherung in den letzten beiden Jahren Beiträge von ihren vollen Honoraren abgeführt, aber für ihre Rente war nur ein Teil davon berücksichtigt. So hatte sie zum Beispiel am 13. Oktober 2012 vom WDR 539 Euro brutto bekommen. Diese Summe war im Rentenverlauf als „Pflichtbeitragszeit“ vermerkt. Davon wurden dann die für Arbeitnehmer üblichen Sozialbeiträge abgezogen. Doch für ihre künftige Rente wurden statt der 539 Euro nur Entgelte von „höchstens 186,67 Euro Beitragsbemessungsgrenze“ berücksichtigt.

Irrtum der Rentenversicherung

Zum Hintergrund: Es gibt bei der Sozialversicherung nicht nur die jährliche und monatliche, sondern auch die wenig bekannte tägliche Beitragsbemessungsgrenze (BBG). Diese lag 2012 für die Rentenversicherung im Westen bei 186,67 Euro. 2013 liegt sie bei 193,33 Euro (West) und 163,33 Euro (Ost). Doch hier irrte sich die Rentenversicherung: Für unständig Beschäftigte muss sie nämlich nicht die tägliche, sondern die monatliche BBG zugrunde legen. Dies gilt „ohne Rücksicht auf die Beschäftigungsdauer“ – also egal ob die Betroffenen innerhalb eines Monats drei oder zehn Tage beschäftigt waren. Das bestimmt ausdrücklich § 163 Abs. 1 SGB VI.
2012 lag die monatliche BBG bei 4.800 Euro (Ost) bzw. 5.600 Euro (West). Im gesamten Oktober 2012 hatte Henrike Madest als unständig Beschäftigte 4.666 Euro verdient. Da dieser Betrag die monatlichen BBG unterschritt, hätte dieses Arbeitseinkommen voll für ihre Rente zählen müssen. Doch tatsächlich rechnete die Rentenversicherung für den Oktober letzten Jahres nur 1.493,34 Euro an – und damit 3.170,66 Euro zu wenig. Ähnliche Fehlberechnungen gab es bei ihr auch für die anderen Monate des Jahres 2012 und 2013. Ohne Korrektur würde ihre Rente deshalb später viel zu niedrig ausfallen.
Aufgedeckt hat diesen Fehler Ulli Schauen, der Autor des Ratgebers „Das WDR-Dschungelbuch“, nachdem sich bei ihm mehrere Betroffene auf einer Mailingliste gemeldet hatten. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat den Fehler zugegeben. Er kam seit einer Abrechnungsumstellung Anfang 2011 bei tausenden unständig Beschäftigten vor. Die DRV konnte „unständig Beschäftigte infolge der elektronischen Meldung durch den Arbeitgeber ursprünglich nicht automatisch von anderen kurzfristig Beschäftigten unterscheiden“, so Pressereferent Andreas Feuser von der DRV Bund. „Deshalb wurde von der EDV zunächst die tägliche Beitragsbemessungsgrenze angewendet. Die vorgesehene anschließende manuelle Korrektur erfolgte jedoch nicht in allen Fällen.“

Korrektur von Amtswegen

Die DRV habe die EDV jetzt umgestellt, erklärte der DRV-Sprecher am 11. November auf Anfrage von „M“. „In den betroffenen Fällen korrigiert die Deutsche Rentenversicherung von Amts wegen unverzüglich das Versicherungskonto sowie gegebenenfalls die Rentenberechnung. Die Betroffenen werden entsprechend benachrichtigt. Sie müssen sich um nichts kümmern“, verspricht Feuser. Doch darauf sollten sich unständig Beschäftigte, die nicht bald von der DRV benachrichtigt werden, besser nicht verlassen. Schauen rät allen, ihren Rentenverlauf anzufordern und zu prüfen. Wenn darauf nach einer Zeile mit einem Einkommensposten eine weitere Zeile mit einer niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze folgt, sollten sie selbst aktiv werden und die DRV umgehend um Korrektur bitten. Solange noch kein rechtskräftiger Rentenbescheid vorliegt, gibt es keine Frist zur Korrektur. Ansonsten bleiben nach dem Bescheid noch vier Jahre, um Nachforderungen geltend zu machen.
Henrike Madest hatte schon im Juni eine Korrektur ihres Versicherungsverlaufs angefordert. Darauf bekam sie zwar bald einen neuen Verlauf zugeschickt. Allerdings gehen daraus nur die Pflichtbeitragszeiten für die gesamten Jahre hervor – und nicht die gerade für unständig Beschäftigte wichtigen Zeiten für einzelne Arbeitstage. Die angegebenen Beträge für die Jahres-Pflichtbeitragszeiten der WDR-Journalistin sind zwar jetzt erheblich höher als zuvor. Doch wirklich prüfen kann sie so nicht, ob nun alles korrekt berechnet wurde. Deshalb hat sie nun noch einmal einen neuen – detaillierten – Rentenverlauf angefordert. Denn schließlich soll die Rente ja stimmen.

Weitere aktuelle Beiträge

Das Schicksal von Toshiko Sasaki

Als am 31. August 1946 das us-amerikanische Magazin „The New Yorker“ an den Zeitungskiosken auslag, verriet das Titelblatt in keinster Weise, welche Geschichte im Heftinneren auf den Leser wartete. Die Vorderseite des Einbands stammte wie so oft von dem New Yorker Künstler Charles E. Martin und zeigte eine friedliche Parklandschaft, in der Menschen spielen, tanzen oder spazierengehen. Drinnen aber entfaltete sich in einer Reportage mit dem Titel „Hiroshima“das  Grauen, das dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 über Japan folgte.
mehr »

Rechte Gratiszeitungen machen Meinung

In Ostdeutschland verbreiten kostenlose Anzeigenblätter zunehmend rechte Narrative – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. Unter dem Deckmantel von Lokaljournalismus mischen sich Werbung, Verschwörungserzählungen und AfD-Propaganda. Möglich wird das auch wegen der Krise des Lokaljournalismus: Wo es kaum noch Medienvielfalt gibt, füllen rechte Angebote die Lücken.
mehr »

dju: Kritik an Anti-SLAPP-Entwurf

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert Nachbesserungen am Referentenentwurf für ein Anti-SLAPP-Gesetz. Mit dem Gesetz soll das Problem der strategischen Einschüchterungsklagen gegen kritische Berichte von Journalist*innen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen eingedämmt werden. Die dju kritisiert die im Entwurf bestehenden juristischen Schlupflöcher.
mehr »

Jüdische Journalisten: Mehr Sachkenntnis nötig

Der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten (JJJ), der sich Ende vergangenen Jahres gegründet hat, vermisst eine sachliche und unabhängige Berichterstattung im Hinblick auf den Krieg im Nahen Osten. Vorstandsmitglied Lorenz Beckhardt erklärt, wie hier inzwischen der Kampf um Deutungshoheit den journalistischen Auftrag in den Hintergrund drängt und warum das ein Problem darstellt.
mehr »