Die Online-Redaktion

Praxisbuch für den Internet-Journalismus

Vorspeise, Wurst, Knäckebrot, Pfefferoni, Nachtisch. Das sind die fünf Kapitel des neuesten Werkes zum Thema Online-Journalismus. Diese originellen Überschriften lassen zwei Dinge ahnen: 1. hier spielt jemand gerne mit Sprache 2. nicht jeder muss den gleichen Geschmack haben.

Die „Vorspeise“ ist nichts anderes als eine Einleitung. Im Schnelldurchlauf werden dem Leser die Entwicklung des Webs und die Zielrichtung des Buches erläutert. Das liest sich gut, ist meist frech und pointiert – oft übertrieben. Beispielzitat: „Die Glaubwürdigkeit des WWW liegt noch immer irgendwo zwischen Bassena-Tratsch und Sterndeutung“.
Spätestens im zweiten Kapitel („Wurst“) wird deutlicht, dass zumindest einer der beiden Autoren etwas zuviel Sprachverliebtheit bzw. auch Selbstdarstellung an den Tag legt. Aufgeblähte, überflüssige (Alltags-)Geschichten brauchen zu lange, um zum Kern (Online-Redaktion, Internet) zu kommen. Praxisbuch? Natürlich beschäftigt sich die „Wurst“ mit essentiellen Dingen wie Zielgruppe, Typografie, Text und Bild. Wertvolle, konkrete Tipps findet man dagegen selten.
Erst mit dem „Knäckebrot“ wird es schlagartig interessanter. Keine ausschweifenden Storys, keine überstrapazierten Metaphern mehr. Das dritte Kapitel ist klar gegliedert und – endlich – praxisorientiert! Es geht um Kundennutzen, Navigation, Barrierefreiheit und gutes Online-Texten. Konkrete Beispiele, Zahlen, Untersuchungen etc. vermitteln einem das, was sich sicher die meisten beim Kauf dieses Buches erwartet haben. Natürlich darf auch Suchgigant Google nicht fehlen. Nützliche Tools wie „Analytics“ etc. werden beschrieben, Gefahren (Datenschutz etc.) nicht verschwiegen. Mehrere Seiten widmen sich dem Thema Communities; und auch neue Strömungen wie Twitter werden besprochen. Schade, dass in diesem sonst so lobenswerten Kapitel Themen wie Suchmaschinenoptimierung und Content Management Systeme viel zu kurz kommen.
Das vierte Kapitel der „Online-Redaktion“ widmet sich abschließend dem wichtigen Thema Internet-Recht. Der Nachtisch (5. Kapitel) entpuppt sich übrigens lediglich als Glossar.
Die Autoren haben es in ihrer Einleitung bezüglich der „kulinarischen“ Kapitelaufteilung selber gesagt: Man solle nur essen, was schmeckt. Das stimmt zweifelsohne. Aber mal ehrlich: Wer für ein 5-Gänge-Menü bezahlt, der wird sich nicht nur aufs Knäckebrot stürzen. Wie auch immer – größter Kritikpunkt am „Menü“ unserer beiden „Internet-Köche“ bleibt, dass der Buchtitel eine klare Erwartungshaltung schürt. Und die wird leider nur teilweise erfüllt – wichtige Dinge fehlen, Unwichtiges wird überhöht. Was Konkurrenz-Bücher wie „Online-Journalismus“ von Gabriele Hooffacker an Nüchternheit und Wissenschaftlichkeit vielleicht etwas zu viel haben, fehlt dem Werk der beiden österreichischen Autoren weitgehend.

 

Die Online-Redaktion

Martin Sturmer/ Thomas Holzinger
Springer, Berlin; Auflage: 1,
5. Oktober 2009
194 Seiten

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »