Editorial: Grenzenloses Potenzial

Mit einem Paukenschlag erscheint ChatGPT auf der Bühne Künstlicher Intelligenzen. Die KI-Welt, die bereits seit Jahren in Wirtschaft und Gesellschaft Einzug hält, verändert sich maßgeblich. KI wird nun für jede*n nutzbar, ihre Anwendung ist einfach – spielerisch. Ihr Potenzial scheint grenzenlos, sie lernt schnell, bar jeder Regulierung.

Auch im Journalismus assistiert KI seit langem in vielen Ressorts. Diese neue Entwicklungsstufe geht jedoch weit darüber hinaus. Das macht eine Grundsatz-Diskussion über den Einsatz von KI-Systemen in den Produktionsprozessen der Medienhäuser nötig, heißt es in einem Diskussionspapier der ver.di-Fachgruppe Medien, Journalismus, Film (S.21). Im Fokus stehen redaktionelle – menschliche – Verantwortung und journalistische Standards. Dazu gehören mehr denn je Sorgfalt und Transparenz bei der Erstellung von Text-, Video- oder Audiobeiträgen. Ist KI im Spiel, muss das genau gekennzeichnet sein.

Eine spannende Frage ist die Verwendung der Daten, mit der KI gefüttert wird bzw. die sie bereits weitgehend selbstständig aus dem Netz saugt. Diese Daten sind überwiegend urheberrechtlich geschützte Werke. KI eignet sie sich meist ohne Erlaubnis an und bearbeitet sie. Mit den Tools machen die Tech-Konzerne jede Menge Geld, ohne die Urheber*innen zu vergüten. „Das ist nicht im Sinne der europäischen Urheber-Rechtslinie“, betont ver.di.

Die weitgehende Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innen beim Einzug von KI in Medienbetriebe und in der Folge beim Wandel der Arbeitsplätze ist für die Gewerkschaft ein Muss. Viel Lernstoff kommt damit auf alle Beschäftigten in einem Unternehmen zu – ein großer Qualifizierungsbedarf auch für Journalist*innen, feste wie freie. Die #krassmedial Sommerakademie 2023 von ver.di bot dafür bereits alle Möglichkeiten. Die Teilnehmenden konnten ein umfangreiches Paket an Expertise und Diskussionsansätzen vom Berliner Wannsee mitnehmen. M dokumentiert die spannende Tagung in dieser Ausgabe (S.6 bis 20).

Diese M ist gleichzeitig das letzte Magazin, das ich als Redakteurin verantworte. Ich habe dann mehr als 45 Jahre Berufstätigkeit hinter mir, 21 davon als M-Blatt- und Online-Macherin. Es war für mich eine erfüllte Zeit und hat Spaß gemacht, diese Publikation für viele interessierte Leser*innen gemeinsam mit einem großen Team an guten freien Autor*innen und einer fähigen Layouterin gestalten zu können. Darauf kann sicher auch meine Nachfolgerin Julia Hoffmann bauen. Sie hat seit dem 1. Oktober das Steuer in der Hand.

Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »

Für mehr Konfrontation

Die Wahlen zum EU-Parlament endeten – nicht unerwartet – in vielen Mitgliedsstaaten mit einem Rechtsruck. In Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und anderswo wurden eher euroskeptische, nationalistische, migrationsfeindliche Kräfte der extremen Rechten gestärkt. Auch in Deutschland haben 16 Prozent der Bürger*innen, mehr als sechs Millionen Menschen für die rechtsextreme, völkische AfD gestimmt – trotz NS-Verharmlosungen, China-Spionage und Schmiergeldern aus Russland. Immerhin sorgte die große Protestwelle der letzten Monate, die vielen Demonstrationen für Demokratie dafür, dass die AfD-Ausbeute an den Wahlurnen nicht noch üppiger ausfiel. Noch Anfang…
mehr »