Editorial: Noch immer aktuell: „Alle Macht den Räten“

Die Wellen schlagen hoch, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Fokus gerät. Alle vier Jahre normal, könnte man meinen, wenn es um den Rundfunkbeitrag für die nächste Legislaturpe­riode geht. Das ist auch aktuell der Fall, jedoch sind die Anwürfe heftiger, die Debatten aggressi­ver geworden. Einerseits zu Recht, denn vor allem durch den RRB-Skandal – um unkritisch beglei­tete Misswirtschaft und unbotmäßige Bedienungsmentalität – ist die Kritik gerechtfertigt und schreit geradezu nach durchgreifenden Veränderungen. Andererseits sind pauschale unsachliche Angriffe aus der Gesellschaft sowie unangemessene Einmischung der Politik in Senderangelegenheiten ein No-Go – ganz frisch dieser Tage durch den Brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, der meint, den Gremien im RBB sagen zu müssen, was sie tun sollen. „Dreist“ nennen das RBB-Personalräte und bewer­ten es als „Verstoß gegen die Unabhängigkeit des RBB und das Gebot der Staatsferne“.

Dabei hat es die Politik weitgehend in der Hand, mit den Staatsverträgen Auftrag und Rahmenbedingun­gen für die Öffentlich-Rechtlichen zu bestimmen. Und das tut sie auch. Die neuen Verträge stehen ganz im Zeichen einer Reform des Auftrags und der Struktur des Rundfunks (S. 6 – 9). Die Anstalten werden zu einem wirksamen standardisierten Compliance-Management verpflichtet. Ihren ehrenamtlichen Kontrollgremien wird ein beachtlicher Bedeutungs- und Machtzuwachs zugesprochen. Wie das gehen soll, darüber hat M in der aktuellen Ausgabe mit gewerkschaftlichen Vertreter*innen in Rundfunkräten der Öffentlich-Rechtlichen gesprochen (S. 10 – 20). Auch auf den Privatfunk und damit die Landesmedienan­stalten gehört in diesem Zusammenhang ein Blick, den M nach Mecklenburg-Vorpommern und NRW gerichtet hat (S. 20 – 23).

Auf europäischer Ebene wird seit letztem Herbst um die Medienfreiheit in Europa debattiert. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf sorgte in Deutschland für einen Aufschrei und auch andernorts für Kritik. Verlustängste in Bezug auf Kompetenzen, Zuständigkeiten, ungewollte Einblicke ins Eigentum … werden ausgemacht (S. 24/25).

Die nächste M-Ausgabe erscheint Ende September nach dem ver.di-Bundeskongress. Bis dahin muss dieser Lesestoff hier aber nicht allein reichen. M Online (mmm.verdi.de) berichtet täglich aktuell aus der Medienbranche.

Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

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