Lilya 4-ever

Eindringliche Forderung nach einem Ende von Sextourismus, Menschenhandel und Folter

Osteuropa und Thailand sind bekannt für skrupellose Geschäfte mit Menschenhandel und (Kinder)prostitution. Doch nicht nur dort, sondern auch beispielsweise in Schweden nutzen Zuhälter die prekäre wirtschaftliche und soziale Situation Minderjähriger aus, die schutzlos völlig auf sich gestellt sind und in Armut leben: Wie die 16-jährige Lilya (Oksana Akinshina) in Lukas Moodyssons beklemmendem Sozialdrama „Lilya 4-ever“.

Lilya wird in einem trostlosen Vorort einer ehemaligen Sowjetmetropole um ihre Kindheit betrogen und erleidet schwerste Traumen. In ihrer Ausweglosigkeit vertraut sie einem Mann, der ihr eine solide Arbeit und ein neues Leben in Schweden verspricht, sie in Wirklichkeit aber an einen hartgesottenen Zuhälter ausliefert. Keineswegs fügt sich die starke Filmheldin freiwillig ihrem Schicksal. Im Gegenteil: Trotz massiver physischer und psychischer Gewaltandrohungen wehrt sich Lilya mit Händen und Füßen gegen sadistische Freier und Vergewaltiger, gegen die sie jedoch keine Chance hat.

Doch schon vor Lilyas Emigration wirft der Film in seiner beängstigenden Realität unbequeme Fragen auf: etwa danach, warum Menschen wie Lilyas Mutter unerwünschte Kinder in die Welt setzen, die sie ebenso wenig wie sich selbst vor einem Teufelskreis aus Armut, Gewalt, Prostitution und Terror bewahren können? In einer der brutalsten Szenen fleht Lilya vergeblich ihre Mutter an, sie nicht im Stich zu lassen, nicht mit ihrem neuen Mann ohne sie in die USA durchzubrennen. Für einen kurzen Moment nur scheint die Mutter ein schlechtes Gewissen zu plagen, doch bleibt sie unerweichlich und zieht die Sache durch.

Auf sich allein gestellt, ertränkt Lilya ihre Perspektivlosigkeit und ihren Hass auf die Mutter mit Wodka und billigen Drogen. Einzige Hoffnungsschimmer sind ihr Glaube an Engel und der 13-jährige Spielfreund Volodja, der ebenfalls von den Eltern vor die Tür gesetzt wurde und sie braucht. Doch nachdem die letzten Geldreserven aufgebraucht sind, und das Sozialamt finanzielle Hilfe verweigert, hat Lilya keine andere Wahl, als auf den Strich zu gehen, zumal das sogar ihre verbliebenen Angehörigen von ihr verlangen.

Eindringlicher könnte kein Film ein Ende von Sextourismus, Menschenhandel und Folter fordern. Ein bisschen jedenfalls hofft Moodysson mit seinem Film einen Beitrag zu leisten, Menschen aufrütteln, an ihre Humanität zu appellieren. Denn tausende von Mädchen und jungen Frauen aus der Sowjetunion und dem Baltikum lassen sich unter einer neuen Identität und leeren Versprechungen auf Liebe, Wohnung und gute Jobs nach Schweden einschleusen. Dabei gelingt es dem Regisseur, Lilyas grausames Schicksal ohne explizite Sex- und Gewaltszenen zu vermitteln und unter die Haut gehen zu lassen.

Hervorzuheben ist die großartige schauspielerische Leistung der erst 13-jährigen Oksana Akinshina, die mit großer Authentizität alle Gefühlslagen der verzweifelten, betrogenen, erniedrigten, starken und kämpferischen Heldin durchlebt.

Kirsten Liese

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