Montags in der Sonne

In Deutschland geht die Angst um. Die Menschen fürchten Arbeitslosigkeit, sozialen Abstieg und Armut. Aber auf einen deutschen Spielfilm zu diesem Thema warten wir seltsamerweise noch immer vergeblich. Dafür erfahren wir jetzt, wie Erwerbslose in Spanien mit ihrem Leben zurecht kommen, wo die Lage ebenso verheerend ist.

Fernando León der Aranoa erzählt von fünf ehemaligen Werftarbeitern in der kleinen Hafenstadt Vigo. Einen neuen Job können sich die Männer in ihrem fortgeschrittenen Alter ebenso aus dem Kopf schlagen wie einen großzügigen Bankkredit. Trotz solch deprimierender Aussichten versinkt „Montags in der Sonne“ nicht in Larmoyanz. Denn Aranoa verbindet Sozialkritik trefflich mit trockenem, lakonischen Humor. Verdientermaßen zeichneten die Spanier den Film 2002 mit fünf Goyas aus –

Pedro Almodovars hierzulande hoch gejubelte Stierqual-Komödie „Sprich mit ihr“ dagegen nicht mit einem einzigen.

Einfühlsam und menschlich fängt „Montags in der Sonne“ ein, wie die Männer versuchen, sich mit ihrer prekären Situation zu arrangieren und trotzdem ihre Würde und ihren Stolz zu behalten. Ihr Leben wird zwangsläufig vom Nichtstun bestimmt. Nach der Schließung der Werft, von wo aus Schiffe in die weite Welt aufbrachen, schippert nur noch die Fähre durch die Bucht von Vigo. Und nicht nur auf ihr versuchen Santa (Javier Bardem), Lino (José Angel Egido) und José (Luis Tosar), neuen Halt zu finden. Auch die Kneipe ihres Freundes Rico (Joacquin Climent), die er von seiner Abfindung gekauft hat, ist ein beliebter Treffpunkt zum Dampf-Ablassen und Philosophieren.

Ihrer absoluten Perspektivlosigkeit begegnen die fünf Männer auf unterschiedliche Weise. Die einen mit Wut, Galgenhumor und Sarkasmus, die anderen mit Verzweiflung und Ratlosigkeit. Lino, der älteste, geht als einziger noch zu Vorstellungsgesprächen – mit gefärbten Haaren, um mit jüngeren Bewerbern konkurrieren zu können. José kann sich nur schwer damit abfinden, dass seine Frau in einer übelriechenden Fabrik am Fließband den Unterhalt für sie beide verdient. Santa, einst Anführer bei den Streiks, weigert sich strikt, Bußgeld für eine kaputte Straßenlampe zu bezahlen, die durch seine Schuld bei Protestaktionen kaputt ging. Und der von seiner Frau verlassene Amador (Celso Bugallo) säuft sich resigniert zu Tode. Trotz solch trauriger Ereignisse gibt es ein paar Lichtblicke im Leben der Kumpels, die sich nicht klein kriegen lassen und aus ihrer Freundschaft und Solidarität immer wieder neue Kraft schöpfen.

„Montags in der Sonne“ ist politisch so ambitioniert wie die Filme des großen britischen Sozialfilmers Ken Loach. Verständnisvoll ergreift der Spanier Partei für die Ausgegrenzten und Lobbylosen, die der Staat in die Armut drängt, statt ihnen finanziell unter die Arme zu greifen.

 


R: Fernando León de Aranoa,
D: Javier Bardem, Luis Tosar, José Angel Egido, u.a.
Spanien 2002, 113 Min.

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: Code der Angst

Der Filmemacher Appolain Siewe spürt in seinem Film „Code der Angst“ der Ermordung des kamerunischen Journalisten Eric Lembembe nach. 2013 wird der junge Journalist und LGBTI*-Aktivist Lembembe in Kamerun ermordet. Dieses und weitere Verbrechen gegen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, lassen Appolain Siewe keine Ruhe. Der Filmemacher ist in Kamerun geboren und aufgewachsen und lebt heute in Berlin.
mehr »

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »