Sympathische Denkanstöße um Liebe und Tod

Filmrezension: Emmas

„Hab ich dir doch versprochen, es tut nicht weh“, das flüstert Emma ihren sterbenden Schweinen ins Ohr. Die pummelige Bäuerin redet nicht nur mit ihren Tieren, sie schmust auch mit ihnen und streichelt sie, bevor sie ihnen die Kehle durchtrennt.

Regisseur Sven Taddicken gibt sympathische Denkanstöße. Mag Vegetariern auch das Herz bluten, wenn sie die zutraulichen Vierbeiner sterben sehen: besser doch so als in einer elenden Massenschlachtfabrik. Und er geht vielleicht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er Mensch und Tier auf eine Stufe stellt: Warum sollte nicht ein Krebskranker im Endstadium auch den Tod auf die gleiche liebevolle Weise begehren dürfen? Um Missverständnissen vorzubeugen: „Emmas Glück“ ist kein Plädoyer für Sterbehilfe, nimmt nur wie selbstverständlich eine nachvollziehbare Position ein. Erzählt wird in erster Linie vielmehr eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Emma, der naiven Landpomeranze in Gummistiefeln, und Max, dem todkranken Hänfling im bügelfreien Oberhemd. Sie ist bodenständig und schlägt sich wacker durch trotz hoher Schulden auf dem Hof ihrer verstorbenen Eltern. Er, der introvertierte, moribunde Autoverkäufer, klaut in einer Kurzschlussreaktion das Schwarzgeld seines Chefs und einzigen Freundes, der ihn aber bei seinem verzweifelten Raubzug ertappt. So landet Max – statt in Mexiko, wohin er heimlich auswandern wollte – nach einer wilden Verfolgungsjagd in Emmas Hühnerhof. Die dralle Bäuerin ist entzückt und verfrachtet den bewusstlosen Burschen in ihrem Bett. Auch das viele Geld kommt ihr wie gerufen, denn lange kann sie den Dorfpolizisten, der mit Zwangsversteigerung drohend ihre Liebe erzwingen will, nicht mehr mit der Knarre in Schach halten.

Max wiederum braucht eine Weile, bevor ihm klar wird, an was für eine starke Frau er da geraten ist, deren Liebe ihm soviel Kraft gibt. Eine Frau, die ihm nicht nur zeigt, wie man sich kopfüber ins Leben stürzt, sondern die sich auch mit dem Sterben bestens auskennt: „Hier, fass mal an“, sagt sie und drückt ihm ein blutiges Schweineherz in die Hand. So kommen sich die Zwei nach einer Reihe von Missverständnissen behutsam näher.
Ein bisschen märchenhaft-skurril und zugleich ungemein vital kommt dieser Film trotz ernster Thematik daher mit einer großartigen Hauptdarstellerin Jördis Triebel, die tatsächlich vom Typ her ein wenig an Pippi Langstrumpf erinnert, von der sich die Drehbuchautorinnen inspirieren ließen. Zugleich werden auf erfrischende Art und Weise vorherrschende Rollenbilder auf den Kopf gestellt: Während Emma selbstbestimmt ihre Sexualität ausleben will, ist es Max, der durch seine Krankheit geschwächt, zunächst eher Schutz und Halt sucht. Bei der Hochzeit trägt die Braut den angeschlagenen Bräutigam über die Schwelle. Und das Opfer am Ende bringt wiederum sie, wenn sie ihn mit einem Schnitt durch die Hauptschlagader von allen Qualen erlöst: „Hab ich dir doch versprochen, tut nicht weh“.

D 2006, Regie: Sven Taddicken
Darsteller:
Jördis Triebel, Jürgen Vogel, Martin Feifel, u.a.
99 Minuten

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