UFA: Illusionsfabrik und Werkzeug wird 100

UFA-Filme auch im Programm des Kinos Babylon am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz
Foto: Peter Dehn

100 Jahre UFA: Am Jubiläum der Illusionsfabrik nehmen Film und Fernsehen großen Anteil. Man blickt zurück. Arte startet Ende August eine ganze Filmreihe, das Berliner Kino Babylon eine umfangreiche Retrospektive. In einem neuen Dokumentarfilm als Gemeinschaftsproduktion findet man auf Arte Interessantes aus der Filmgeschichte, Zusammenhänge können aber auch aus dem Blick geraten.

Bereits während des 1. Weltkrieges hatte der deutsche General Ludendorff die Möglichkeiten des Films als Propagandainstrument erkannt. Auf sein Betreiben hin schlossen das Kaiserreich, die Wehrmacht, die Deutsche Bank und einige Filmproduzenten am 18. Dezember 1917 einen Pakt: Die Universum-Film AG, besser bekannt unter ihrem Kürzel UFA, war geboren. Das Unternehmen existiert bis heute. Ein neuer Dokumentarfilm von Arte, RBB und SWR verortet die UFA „Im Maschinenraum des deutschen Films“. Damit startet am 28. August eine Filmreihe beim deutsch-französischen Kulturkanal.

35 Doku-Sekunden pro Kinojahr

Sigrid Faltin führt im 58minütigen Schnellgang durch 100 Jahre. Für Bekanntes findet sie durchaus noch nicht verschlissene Bilder. Geht es in die historische Tiefe, reicht es nur zum Überflieger. So erkennt Faltin historische Kontinuitäten nicht und gibt sich höchst erstaunt, wie die Adenauer-Regierung die UFA gegen die Westalliierten als Propaganda-Werkzeug neu aufbauen ließ. In einem Punkt werden die Zuschauer vorab eingestimmt: „Die DEFA war die UFA des Ostens“, wird leichtgängig aus dem Off abgewatscht und mit ein paar losen Sätzen von Ralf Schenk, dem Chef der DEFA-Stiftung, über filmästhetische Widersprüche in „Die Mörder sind unter uns“ begründet.

Höchst interessant, gleichwohl quasi unterbelichtet, wird die Rolle der Deutschen Bank als Mitgründerin und langjährige Miteigentümerin der Ideologiefabrik. 1964 übernahm Bertelsmann die UFA, der Medienkonzern beschränkte sich auf die Produktion und verkaufte die Kinos. Für das Filmarchiv wurde die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung gegründet. „Die großen Filmerzählungen finden heute im Fernsehen statt“, befindet UFA-Geschäftsführer Wolf Bauer in der Dokumentation über Deutschlands größten Produzenten von TV-Programmen. Sein Partner Nico Hofmann stilisiert das Unternehmen zur Heimstatt des Filmschaffens über die deutsche Geschichte. Die UFA setzt heute ganz auf das Fernsehen. Kino gibt es nur vorgeblich – so ist „Der Medicus“ (2013) im Fernsehen ein Zweiteiler. (Wie böse Branchen-Zungen sagen, gab es die Kinoversion nur, um Filmförderung zu erhalten.) Nicht vertieft wird in der Doku auch die Meinung des Filmkritikers Helmut Spaich: Die heutige UFA vertrete ein konservatives Geschichtsbild. Schließt sich da ein Kreis?

Preußentum und Kriegsertüchtigung

Vieles aus den beiden ersten Abschnitten der UFA-Historie ist weithin bekannt – vor allem die technisch innovativen Monumentalfilme „Die Nibelungen“ und „Metropolis“. Die hochteuren, aber damals eher schlecht besuchten Produktionen wurden durch massenkompatibles Unterhaltungskino querfinanziert.

Mit der Übernahme durch den späteren Hitler-Steigbügelhalter Hugenberg kommt ab 1927 zusätzlich nationalistische Ideologiebildung auf den Produktionsplan. Die UFA musste sich Hitler nicht mehr andienen, zeigte aber besonders frühzeitig ihr Vasallentum: Schon ab März 1933 entfernte man die Juden aus dem Unternehmen. Die filmische Förderung der Nazis hatte spätestens 1930 mit dem Preußen-Kult in „Das Flötenkonzert von San-souci“ begonnen, dem ersten Film der Fridericus Rex-Reihe.

Das U-Boot-Heldenepos „Morgenrot“ hatte am 2. Februar 1933, ein paar Tage nachdem Hitlers zum Reichskanzler gemacht worden war, Premiere. Natürlich im größten Kino Deutschlands, dem „UFA-Palast am Zoo“. In Anwesenheit Hitlers und Goebbels’ rief Rudolf Forster von der Leinwand in den Saal: „Zu leben verstehen wir Deutschen vielleicht schlecht, aber sterben fabelhaft.“ Die Dokumentation spannt den Bogen der Kontinutität von dort bis zu Veit Harlans letzten großen Nazifilm „Kolberg“ und dessen nicht weniger menschenfeindlichen Sentenz: „Lieber unter Trümmern begraben als kapitulieren.“

Auch wenn man das anders erinnert – die UFA steht nicht für das gesamte Filmschaffen der 1920er und 30er Jahre. Entstanden doch expressionistische Filme wie „Das Cabinet der Dr. Caligari“ (1920) in den vielen unabhängigen Produktionsfirmen. Insgesamt wirkt der Doku-Rundschlag wenig repräsentativ – es geht halt um 100 Jahre UFA und nicht um 100 Jahre Filmschaffen. Doch der Name droht, viel mehr als nur die eigene Leistung zu vereinnahmen.

UFA-Filme auf Arte

Der deutsch-französische Kulturkanal beginnt seine UFA-Filmreihe – die bis in den Dezember reicht – am 28. August mit den sensationellen tanzenden nackten Mädels im „Kulturfilm“ von 1925 „Wege zu Kraft und Schönheit“. Genauso ungewöhnlich war 1933 die Genderkomödie „Viktor und Viktoria“. Publikumslieblinge und Schlager treffen in „Glückskinder“ (1936) oder „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ (1937) zusammen. Hans Albers als „Münchhausen“ (1943) und Marlene Dietrich in „Der blaue Engel“ (1930) dürfen natürlich nicht fehlen. Auch und gerade weil Romanautor Heinrich Mann, die Hauptdarsteller Marlene Dietrich und Emil Jannings, der Regisseur Josef von Sternberg und der Komponist Friedrich Holländer zu den vielen Künstlern gehörten, die später wegen ihrer politischen Überzeugungen oder als Juden ins Exil gingen; der Schauspieler Kurt Gerron wurde als Jude 1944 in Auschwitz ermordet. Mit „Opfergang“ (1944) und „Kolberg“ (1945) sind Veit Harlan und das Durchhaltekino der Nazis vertreten. Und es gibt den antibritischen Propaganda-Untergang der „Titanic“ (1943); Regisseur Herbert Selpin wurde übrigens während der Dreharbeiten von seinem Autoren wegen kritischer Äußerungen an die Gestapo verpfiffen und beging in der Gestapohaft angeblich Selbstmord.

Die Chronologie der Filmreihe endet mit der Jack-London-Adaption „Das Totenschiff“ mit Horst Buchholz und Mario Adorf aus dem Jahr 1959. Einige Filme gibt es leider nur online zu sehen. Darunter ist Friedrich-Wilhelm Murnaus „Der letzte Mann“ (1924) von besonderer Bedeutung. Erstmals zieht die „entfesselte Kamera“ den Zuschauerblick ins Geschehen hinein, in dem sie teilweise die Position des Hauptdarstellers Emil Jannings einnimmt. Der gibt den Portier eines Luxushotels, der nach einem Schwächeanfall auf die Herrentoilette buchstäblich „herabgestuft“ wird. Wie zeitlos sozial engagierte Geschichten sind, zeigt „Die Schlikkerfrauen“. Da machte die UFA 2014 auf die Schnelle eine Krimikomödie um die 25.000 Menschen, denen die Schlecker-Pleite die Existenz nahm.

100 Jahre UFA im Berliner Kino

Nicht die einzige Initiative, UFA-Filme im Jubiläums-Umfeld ins Kino zu bringen, ist die des Berliner Filmtheaters Babylon. „100 Jahre UFA in 100 UFA-Filmen“ dominieren vom 28. August bis zum 4. Oktober auch das Programmangebot am hauptstädtischen Rosa-Luxemburg-Platz. Auf der großen Kinoleinwand gibt es Interessantes, Vergessengeglaubtes – Schmuckstücke wie eher Schändliches von allenfalls filmhistorischem Nutzen. Zum Beginn der Reihe und an zwei weiteren Terminen zeigt das Babylon „Metropolis“, begleitet von einem Orchester. Zu weiteren Stummfilmen darf man auf musikalische Begleitung hoffen. Die Kinoorgel ist die einzige in Deutschland, die am Ursprungsstandort erhalten ist. Und das Babylon das einzige Kino, das noch eine Organistin beschäftigt.

 

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