Fachbereichsfrauen fordern schnellstmöglichen Atomausstieg
Zeitnah zu einem dreistelligen Jubiläum hat am zweiten Märzwochenende in der Berliner ver.di-Zentrale die Frauenkonferenz des Bundesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie getagt. Die Agenda unterschied sich – 100 Jahre, nachdem zum ersten Mal der Internationale Frauentag begangen wurde – nur zum Teil von den Zielen der historischen Vorkämpferinnen. Neben dem Frauenwahlrecht hatten auch sie bessere Arbeitsbedingungen und Lohngerechtigkeit für Frauen gefordert. Dass die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit nach wie vor nicht verwirklicht ist, zog sich wie ein roter Faden durch die Frauenkonferenz des Fachbereichs.
Noch immer beziehen Frauen im Durchschnitt rund 23,2 Prozent weniger Lohn, Honorar oder Gehalt, obwohl sie die Männer bei den Bildungsabschlüssen längst eingeholt haben. Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Situation der Frauen verschärft: Die Konjunkturpakete I und II dienten vorrangig der Rettung von Arbeitsplätzen in traditionell männlich geprägten Branchen wie der Automobilindustrie, bestes Beispiel ist die Abwrackprämie. Von der Ausweitung des Niedriglohnsektors im Zuge der „Arbeitsmarktreform“ Hartz-IV und ihren Zumutbarkeitsregeln sind dagegen vor allem Frauen betroffen, da sie rund 70 Prozent aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor stellen.
Da sich die Konferenz aus Festangestellten und Freiberuflerinnen zusammensetzte, entspann sich auch eine Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen, das einerseits Freie von akuter Existenzangst entlasten könnte, aber auch eine Niedriglohnsubvention darstellen und Unternehmen zum Missbrauch einladen würde. Die Bedingungslosigkeit wurde daher nicht von allen Teilnehmerinnen befürwortet. Erfahrungsberichte aus dem betrieblichen Alltag von Redakteurinnen zeigten, dass auch sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nicht immer das große Los gezogen haben: „30jährige gehen heute davon aus, dass sie die ersten zehn Jahre nur in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig sind“, sagte die Betriebsrätin Kersten Artus aus Hamburg. Für Frauen verschärfe sich die Situation, wenn sie Kinder bekommen.
Die Delegierten forderten ver.di per Beschluss auf, „sich künftig grundsätzlich für das Recht auf Arbeit einzusetzen“. Die Forderung nach allgemeiner Arbeitsverkürzung wurde als eine der wichtigsten hervorgehoben. Neben verbindlichen Tarifverträgen bräuchten Frauen „verpflichtende Gleichstellungsgesetze mit Sanktionsmechanismen“.
Gewerkschaftliche Forderungen wie existenzsichernde Mindestlöhne und die Abschaffung der Förderung von Minijobs sah die Bundesfrauensekretärin von ver.di, Hannelore Buls, durch das Sachverständigen-Gutachten für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung bestätigt: „Der Inhalt hätte auch von uns sein können“, sagte sie. Es sei aber abzuwarten, was dem folgen werde. „Als der Bericht übergeben wurde, war Frau Ministerin zwar im Hause, aber nicht abkömmlich“, betonte Buls. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) habe stattdessen einen Staatssekretär geschickt.
Als Gastreferentin sprach sich Prof. Dr. Ursula Schumm-Garling von der Universität Dortmund für einen erweiterten Arbeits- und Wachstumsbegriff sowie „die Erneuerung des Gedankens der Wirtschaftsdemokratie“ aus. Schritte dorthin seien eine radikale Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie Umverteilung der traditionell männlichen Produktions- und der weiblichen Reproduktionsarbeit.
Almut Broer, die von den Konferenzteilnehmerinnen als Vorstandsmitglied bestätigte wurde, schlug vor, „das Thema 35-Stunden-Woche wieder ins Gespräch zu bringen“. Ursula Schumm-Garling ging auch auf die viel diskutierte Frauenquote für die Chefetagen ein und sagte, es sei zwar wichtig, sich für die Quote einzusetzen, wenn aber Frauen in den Aufsichtsräten dasselbe täten wie Männer, sei das auch nicht die Krönung.
Stattdessen betonte die Professorin das Recht der Frauen und Männer „auf ein Leben ohne ökonomische, militärische und ökologische Katastrophen“. Angesichts der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima verabschiedeten die Konferenzteilnehmerinnen eine Resolution für den schnellstmöglichen Atomausstieg. https://medien-kunst-industrie.verdi.de/ bundesfachbereich/frauen_im_fachbereich/resolution-atomkraft
Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Bundesfachbereichsleiter Frank Werneke betonte in seinem Referat, die Gewerkschaften müssten ihr politisches Mandat wahrnehmen. Es käme darauf an, „die drei derzeitigen Oppositionsparteien zu politischen Festlegungen bringen, an denen sie sich messen lassen müssen“, sagte Werneke. Die Frauen des Fachbereichs nannte er „das starke Drittel“.
Als Neumitglieder des Bundesfachbereichsfrauenvorstands wurden neben den gewählten Vertreterinnen der Landesfachbereichsfrauen mit Christina Stankewitz und Linda Barthel auch zwei Jugendvertreterinnen bestätigt, die von der parallel stattfindenden Bundesfachbereichsjugendkonferenz gewählt worden waren.