Fachgruppenarbeit neu organisieren

Bilanz des Bundesvorstands der Fachgruppe Journalismus

„Unter dem Strich bleibt das Fazit der Bundesvorstandsarbeit (…) unbefriedigend: Die Aufgabe, die Fachgruppe nach innen wie nach außen zu vertreten, ließ die Arbeit allzusehr in Routine ersticken.“ – Diese Einschätzung, 1995 gezogen vom vorherigen Bundesvorstand der Fachgruppe Journalismus (BuVo), ist auch 1997 noch gültig. Dem nachfolgenden Gremium gelang keine dringend notwendige Umorientierung der bundesweiten Fachgruppenarbeit.

Die Bilanz, die wir Ende November, zum Schluß der Wahlperiode, zu ziehen haben, ist zwiespältig: Die erledigte Tagesarbeit kann sich sehen lassen, die dem BuVo zugeschriebene politische Leitfunktion jedoch erfüllte er nur mangelhaft. Daß das Gremium selbst seine Amtszeit um ein halbes Jahr verkürzte, ist sinnfälliger Ausdruck einer Krise der „ehrenamtlichen Fachgruppenzentrale“. Diesen Entschluß hat eine gewisse personelle Auszehrung befördert. Im Kern jedoch liegen die Probleme tiefer: Sie sind sowohl gesellschafts- wie auch gewerkschaftspolitischer Natur und weit tiefgreifender, als daß sie der amtierende BuVo hätte allein beseitigen können. Am Ende der Amtsperiode ist zu konstatieren: Die Fachgruppenarbeit nach gängigem Muster – wie die IG-Medien-Gremienarbeit insgesamt – ist als Organisationsmodell fraglich geworden. Der Informationsfluß zwischen den Gremien wie zwischen Gremien und Mitgliedern ist äußerst zäh geworden, teilweise gar zum Stillstand gekommen. Erfreuliche Ausnahmen bestätigen diese Regel, die zu durchbrechen die Hauptaufgabe des Nachfolgegremiums sein dürfte. – Gelingt es nicht, auf allen Ebenen zu einer aktiven Fachgruppenarbeit zurückzukehren, die mehr als eine sich selbst legitimierende Gremienarbeit ist, entwickeln sich nur noch formal demokratisch legitimierte, letztlich zu autokratischem Handeln verurteilte Gremien. Allzuviele Aufgaben werden dann wie bisher zwischen den Organisationsebenen hin- und herdelegiert, ohne tatsächlich umgesetzt zu werden.

Erstickende Tagesaufgaben

Die Konsequenz zu ziehen und eine grundlegende Neuorientierung gewerkschaftlicher Arbeit zu beginnen, ist uns nicht gelungen. Allzu bereitwillig erstickten wir in Tagesaufgaben und erkannten meist zu spät – oft erst nach quälenden Diskussionsprozessen – daß viele als absolut wichtig erachtete Aufgaben schlicht nicht leistbar waren. Zu den Anforderungen, denen sich der BuVo selbstverständlich zu stellen hatte und hat, gehören Diskussionen über die Entwicklung (und längst überfällige Reform) der IG Medien. Die ebenso notwendige wie streckenweise nahezu autistische Beschäftigung mit dem Apparat zieht sich spätestens seit dem letzten Gewerkschaftstag wie ein roter Faden durch die IG Medien und band einen großen Teil der Arbeits- und Diskussionskapazität des BuVo. – Schließlich ging und geht es um die komplizierte Frage: Wie gelingt es in Zeiten der Verbünde, eine Berufsgruppenvertretung jenseits berufsständischer Organisationsform zu sichern oder gar zu stärken? Wann ist der Zeitpunkt erreicht, ab dem das Ziel nur noch mit nicht mehr hinnehmbaren Reibungsverlusten erreicht werden kann und im Mitgliederinteresse Konsequenzen zu ziehen sind? Diskutiert werden mußten dabei auch unsere generellen Anforderungen an die IG Medien. Eine erfolgreiche Fachgruppenarbeit ist schließlich nicht zuletzt abhängig von der finanziellen Ausstattung der Bundesgeschäftsstelle und der Mitgliederzeitschrift sowie der Qualifikation in journalistischen Fragen in den (Landes-)Bezirksbüros.

Mehr Mitglieder mit neuen Berufen und Arbeitsformen

Ein weiterer Schwerpunkt des BuVo lag natürlich auf der Problematisierung der Entwicklung der Arbeitsbeziehungen: Ohne die „klassische“ Tarifpolitik zu vernachlässigen, hatten wir der Tatsache Rechnung zu tragen, daß inzwischen mehr als die Hälfte der Fachgruppenmitglieder als „Freie“ arbeitet. Ebenso, daß viele Mitglieder in sogenannten neuen Berufen oder in Grenzbereichen, etwa zwischen Journalismus und Technik oder Journalismus und PR tätig sind. – Themen, die nicht genügenden Niederschlag in der Fachgruppenpolitik gefunden haben. Der Versuch, die Schwerpunktaufgaben entsprechend neu zu diskutieren oder zu akzentuieren – etwa… weg von der „Tarifmaschine“, hin zu Bereichen wie Freie, Urheberrechte, Anzeigenblätter und Online-Journalismus – wurde oft konterkariert von einem Korsett traditioneller Anforderungen.

Neue Arbeitsformen

Nicht verschwiegen werden sollte, daß der BuVo viele Dinge – nicht nur die Tagesanforderungen – erfüllen konnte: So wurden die von der Bundesfachgruppenkonferenz beschlossenen Aufgaben weit überwiegend erledigt, die Seminararbeit fortgesetzt und die Zusammenarbeit mit dem DJV jenseits der Tarifpolitik ebenso verstärkt wie die mit der Fachgruppe RFAV. Zu anderen Organisationen und Initiativen wurden Verbindungen aufgebaut, die Doppelarbeiten in berufs- und gesellschaftspolitischen Fragen vermeiden helfen. Aus den arbeitsintensiven Journalistinnen- und Journalistentagen ergaben sich erste Ansätze für erfolgreiche neue Arbeitsformen.

Anregungen für ein projektbezogenes und trotzdem verbindliches Modell zentraler Fachgruppenarbeit konnten schließlich aus der Arbeitsgruppe „Hände weg von den Medien“ gezogen werden.

Stimmige Arbeitsaufteilung nötig

Ob und wie die BuVo-Arbeit in dieser Richtung weiter umzugestalten ist, wird die Bundesfachgruppenkonferenz diskutieren müssen. Der BuVo wird hierbei anregen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen: Dem schnellen Abtauchen in die Tagesarbeit sollte eine Phase vorausgehen, in der Arbeitsschwerpunkte diskutiert werden. Nach unserer Überzeugung kann eine nächste Bilanz nur dann erfreulicher ausfallen, wenn die Arbeitsaufteilung im BuVo, wie die zwischen Bundes-, Landes- und Ortsebene stimmig und das ehrenamtliche Engagement nicht an eine langfristige Gremienzugehörigkeit gebunden ist. Und: Auf allen Ebenen der Fachgruppe dürfte die vorrangige Arbeit erst einmal darin bestehen, neue Kommunikationsstränge zu nutzen und alte wieder zu beleben.


  • Gunter Haake
    für den Bundesvorstand der Fachgruppe Journalismus

 

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