Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Medien, Kunst und Industrie – einvernehmlich und solidarisch

„Aufregend bunt – beruhigend stark“ – diesem ver.di-Motto machten die 109 Delegierten der Bundeskonferenz des Fachbereiches Medien, Kunst und Industrie alle Ehre. Sie tagten am 19. und 20. Mai in Berlin, um die zukünftigen Arbeitsschwerpunkte des Fachbereichs und ihre Anträge an den ver.di-Bundeskongress Anfang Oktober in Leipzig zu beraten und abzustimmen.

Schon bei seiner Begrüßung hatte Präsidiumsmitglied Klaus-Peter Hellmich die aktuelle Lage treffend umrissen: „In den 1.462 Tagen, die seit unserer ersten Bundesfachbereichskonferenz vergangen sind, erlebten wir in Deutschland den rasanten Siegeszug neoliberaler Tendenzen und seiner Folgen.“ Die wirtschaftlichen Verwerfungen, die damit verbunden waren, spiegeln sich in der negativen Mitgliederentwicklung des Fachbereiches und ver.di insgesamt wider. Hellmich, der nach jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit für die Gewerkschaft nicht mehr für ein Wahlamt kandidierte, zeigte Wege auf, wieder mehr Schlagkraft und damit auch Mitglieder zu gewinnen: „Wir müssen dafür sorgen, dass wir besser wahrgenommen werden. Und wir müssen uns bei aller Fachlichkeit mehr für die Gesamtorganisation verantwortlich fühlen.“ Effektivere Gremienstrukturen könnten dabei helfen. Mit viel Beifall bedachte das Plenum Hellmichs abschließenden Appell: „Glaubt einem alten Knacker wie mir, der die Höhen und Tiefen des gewerkschaftlichen Lebens kennt: Wir können Wege aus dem Tal finden – wenn wir nur wollen!“
Diesen Appell schienen die Delegierten ernst genommen zu haben, als sie über den Antrag des Bundesfachbereichsvorstandes zur Änderung des Fachbereichsstatuts diskutierten. Es ging um die Reform der Gremienstruktur im Fachbereich. Unter anderem also darum, die Anzahl der Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Fach- und Personengruppen im Vorstand zu verringern. Dazu hatte es aus einigen Gliederungen Gegen- bzw. Änderungsanträge gegeben – jeweils mit dem Ziel, die bisherige Struktur beizubehalten. Doch nach ausführlicher Diskussion wurden letztendlich alle diese Anträge zurückgezogen. Solidarisch und einvernehmlich bekannten sich die Delegierten auf das neue Statut. Der Bundesfachbereichsvorstand wird zukünftig mit 23 Mitgliedern auskommen, ehrenamtlicher Vorsitzender ist Ralf Fenske, viele Jahre Betriebsratsvorsitzender der Stuttgarter Zeitung, heute Berater und Seminarveranstalter für Betriebsräte.

Recht auf politischen Streik und zivilen Ungehorsam

Fachbereichsleiter Frank Werneke war begeistert über die Diskussionskultur und Konsensfähigkeit der Konferenz, konfrontierte die Delegierten aber auch ungeschönt mit zukünftigen Herausforderungen: „Der Fachbereich Medien, Kunst und Industrie ist so etwas wie das Großlabor für die gewerkschaftliche Bewältigung von marktradikalen Strategien. Und wir haben das volle Programm.“ Um in politischen Auseinandersetzungen künftig erfolgreich zu sein, müssten sich die Gewerkschaften und ihre Mitglieder „das Instrument des zivilen Ungehorsams, ausdrücklich auch am Arbeitsplatz“, und das Recht auf politischen Streik Schritt für Schritt zurückerobern. Dass die Delegierten Frank Werneke die Führungsrolle in diesem Kraftakt zutrauen, unterstrichen sie mit ihrem Votum: Von den 108 Delegierten stimmten 102 für ihn – ein starker Rückhalt von der Basis, mit dem der alte und neue Fachbereichsleiter die Arbeit der nächsten vier Jahre in Angriff nehmen kann. Ein guter Grund zum Feiern für den 40jährigen, der am Abend mit den Delegierten im Foyer des ver.di-Hauses den Tag ausklingen ließ. DJ Marie lieferte den trendigen Soundtrack zur Party. Einhart Klucke, Kabarettist und ehemaliger ver.di-Sekretär, hatte zuvor mit seinen politischen passgenauen Pointen die Lachmuskeln seines Publikums strapaziert und damit die Steilvorlage für den gelungenen Abend geliefert.
Am zweiten Konferenztag ging es konzentriert weiter im Programm. Breite Zustimmung fand der Antrag des Bundesfachbereichsvorstandes „Informations- und Medienfreiheit sichern – für eine demokratische Reform der Medienordnung in Deutschland“. Darin werden unter anderem „medienübergreifende Qualitätsstandards für Information und Unterhaltung“ gefordert, wobei „innerhalb eines gesetzlichen Rahmenwerks (Medienstaatsvertrag) Verfahren der Medienaufsicht als ‚Selbstaufsicht‘ vorzugeben sind“. Die Medienregulierung soll auf bundesweiter Ebene, aber nach föderalen und bundesstaatlichen Grundsätzen integriert werden. „Zielmodell soll dabei ein Medien- und Kommunikationsrat sein, in dem eine Medienanstalt der Länder erweitert wird um die Vertretung gesellschaftlicher Gruppen und wissenschaftlicher Sachverständiger“.
Gesetzgeberische Verfahren in der Medienbranche sollen transparenter gestaltet werden. „Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk müssen dieselben Entwicklungschancen gegeben werden wie dem privat-kommerziellen Rundfunk“, heißt es in dem Antrag. „Die Rundfunkfinanzierung muss gegen staatliche Eingriffe zu Lasten der Programmautonomie nachhaltig gesichert werden.“
Eine ausführliche Diskussion gab es um einen Antrag der Bundesfachgruppenkonferenz Verlage, Druck und Papier, in dem eine freiwillige Privat- und Arbeitnehmerrechtsschutzversicherung für ver.di-Mitglieder gefordert wurde. In der Begründung wurde u.a. angeführt, dass die Qualität des derzeitigen Rechtsschutzes teilweise sehr zu wünschen übrig ließe. Deshalb solle ver.di eine Gruppenversicherung mit einem Rechtsschutzversicherer abschließen und Mitgliedern anbieten, sich freiwillig zusätzlich zu versichern. Frank Werneke half schließlich bei der Entscheidungsfindung: „Eine solche freiwillige Zusatzversicherung würde rund zwei Euro pro Person und Monat kosten. Mit diesem Geld könnten wir auch unseren eigenen Rechtsschutz merklich verbessern.“ Letztlich wurde der Antrag zum „Zwei-Klassen-Rechtsschutz in ver.di“ mehrheitlich abgelehnt.
Mehrere Anträge beschäftigten sich mit dem Thema Leiharbeit. Dabei waren sich die Delegierten zwar im Kern einig darüber, dass die derzeitigen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in diesem Bereich unzumutbar sind. Doch wie ver.di mit dem Problem umgehen soll, war strittig. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner konnte man sich einigen: Die Konferenz verabschiedete einstimmig alle Anträge, die auf die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern mit regulär Beschäftigten abzielen.

Lebendiger Dialog mit dem Vorsitzenden

ver.di-Chef Frank Bsirske schenkte sich bei seiner mittlerweile 30. Konferenz im Vorfeld des Gewerkschaftstages eine lange Rede. Stattdessen forderte er die Delegierten auf, die Themen anzusprechen, die sie am meisten bewegen. Und das taten sie ausgiebig. So kam die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ebenso zur Sprache wie die gewerkschaftliche Bildungsarbeit, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen oder die Reform der gesetzlichen Unfallversicherung. Bsirske versuchte im Dialog, Fragen zu beantworten und Positionen zu verdeutlichen. Dabei musste sich der Vorsitzende auch harter Kritik stellen, zum Beispiel für den neuen Tarifvertrag im Länderbereich, der auch für die Staatstheater gilt. Bei dem Abschluss wurde vergessen, die Fortgeltung der Pauschalzuschläge von 22 Prozent und den Zusatzurlaub von einer Woche für die Theaterbeschäftigten tariflich abzusichern.
Birgit Harprath, freie Rundfunkjournalistin aus Bayern, forderte, die verdi-Mindestlohnkampagne auch auf Freie und Selbständige auszuweiten. Die Zustimmung des Vorsitzenden gab es dafür; nun sind die Freien-Gremien aufgefordert, geeignete Ideen zur Umsetzung zu entwickeln.
Das Problemfeld Leiharbeit wurde nochmals diskutiert. „Der Virus Leiharbeit frisst sich derzeit durch alle Branchen“ und gehöre damit gegenwärtig zu den größten Herausforderungen an die gewerkschaftliche Arbeit, betonte Bsirske. Arbeitnehmerüberlassungen müssten wieder befristet sein. Er plädierte dafür, über Branchenzuschläge für eine angemessene Entlohnung der Leiharbeiter zu sorgen. „Unser Ziel bleibt gleicher Lohn für gleiche Arbeit – und mit dieser Forderung müssen wir kampffähig werden!“ Zum Abschluss des über zweistündigen Dialogs unterstrich Bsirske den politischen Anspruch von verdi: „Wir sind nicht der verlängerte Arm irgendeiner Partei, sondern allein den Interessen unserer Mitglieder verpflichtet!“ Dem konnten wohl alle Delegierten uneingeschränkt zustimmen.
Nach zwei anstrengenden Konferenztagen waren die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer recht zufrieden. Trotz der harten Diskussionen war die Stimmung fair und sachlich geblieben. Ein gutes Zeichen dafür, dass alle Beteiligten bereit sind, in diesem bunten Fachbereich solidarisch zusammenzuarbeiten.

 
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