Kennenlernen und vernetzen

Mehr als 180 Freie und Selbstständige kamen am 1.Dezember in das Joseph-DuMont-Berufskolleg in den Kölner Stadtteil Nippes. Sie alle hatte das Programm des 2. bundesweiten Selbstständigentages von ver.di angesprochen – eine Mischung aus Treffen, Weiterbildungs- und Vernetzungsangeboten.


Ab 10 Uhr stand die Berufsschule offen und viele nutzten die Gelegenheit, schon eine Stunde vor dem offiziellen Veranstaltungsstart die ersten Kontakte zu knüpfen, Kolleginnen und Kollegen zu begrüßen oder sich an den zahlreichen Ständen von dju, mediafon, den verschiedenen Berufsgruppen oder kommerziellen Anbietern zu informieren.

Ulli Schauen, Vorsitzender der Bundeskommission Selbstständige (BKS), umriss in seinem kurzen Grußwort zur Eröffnung das Ziel der Veranstaltung: „Wir möchten euch einladen, den Austausch unter verschiedenen Berufsgruppen zu probieren. Vielleicht gelingt es dann in einem nächsten Schritt, Probleme zu benennen und konkrete gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln.“
Den thematischen Einstieg für den Tag lieferte die von Emilija Mitrovi´c moderierte Gesprächsrunde mit der Fragestellung: „Aufschwung? Auch für Selbstständige?“ Auf dem Podium (Foto v.l.n.r.): Holm Friebe, Mitautor des Buches „Wir nennen es Arbeit“, Frank Wießner vom IAB, der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und der selbstständige IT-Fachmann Janko Hauser. Rein zahlenmäßig kann der „Aufschwung“ nicht geleugnet werden: Seit 2000 ist die Zahl der Solo-Selbstständigen in Deutschland von 1,8 auf 2,3 Millionen gestiegen. Die Diskutanten waren sich einig, dass der wirtschaftliche Aufschwung und Wandel Chancen für Solo-Selbstständige eröffnet, benannten aber auch Stress, Überforderung und fehlende langfristige Perspektiven als Kernprobleme. Lösungsansätze sind: Die Einbeziehung der Selbstständigen in die sozialen Sicherungssysteme, Professionalisierung und Weiterbildung, das Herstellen von Markttransparenz, die Normierung von Einkommensstandards. Doch dazu braucht es Durchsetzungskraft. Um die zu entwickeln, bietet sich ver.di als Plattform für die Selbstorganisation der Selbstständigen an: „Dabei bleibt das Ziel, Mächtigkeit zu entwickeln“, betonte Frank Werneke.
Die zwei Workshop-Runden am Nachmittag lieferten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern konkrete Informationen und Anregungen für ihren Arbeitsalltag: Ob Zeitmanagement und Akquise, Steuerfragen, Urheberrecht und soziale Sicherung, Vernetzungsstrategien oder der Kampf gegen Dumpinghonorare – jeder konnte sich zwei der 13 Themen aussuchen und sich in den jeweils 90minütigen Workshops Tipps für die tägliche Arbeit holen.
Das Beste aber – so die Meinung vieler – war die Stunde zwischen den beiden Workshop-Runden: Kennenlernen, austauschen und vernetzen war hier in lockerem Zusammenkommen möglich. Manche Berufsgruppen trafen sich gezielt, andere Interessierte schlenderten einfach durchs Foyer der Berufsschule und verweilten dort, wo sich Anknüpfungspunkte ergaben.
Zum Abschluss des Kölner Selbstständigentags kündigte der DGB-Vorsitzende des Kreises Köln-Leverkusen-Erft Wolfgang Uellenberg-van Dawen an, die gewerkschaftliche Arbeit mit den Selbstständigen in Köln zu verstärken und Veranstaltungen für sie anzubieten. Nach den positiven Erfahrungen von Köln hat sich die BKS vorgenommen, auch zukünftig mit dem Selbstständigentag konsequent in die Regionen zu gehen und damit Impulse für die regionale Arbeit zu setzen. Doch wo soll der nächste Selbstständigentag stattfinden? In Frankfurt, München, Leipzig oder anderswo? Gefragt ist ein klares Votum einer Stadt oder Region, bei der Organisation und Durchführung des Selbstständigentages aktiv mitzuwirken. „Nur dann kann eine solche Veranstaltung erfolgreich und vor allem nachhaltig sein“, so der BKS-Vorsitzende.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Problem mit der Leidenschaft“

Lena Hipp ist Professorin für Soziologie an der Universität Potsdam und leitet die Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Mit M sprach sie über „Gute Arbeit“, Stressoren im Journalismus und weshalb die Trennung von Arbeit und Privatleben für Medienschaffende so wichtig ist.
mehr »

Fünfter Streik beim Bundesanzeiger

Mit rund 130 Millionen Euro Jahresumsatz und einer stattlichen Gewinnmarge von 18 bis 20 Millionen Euro ist der Bundesanzeiger Verlag die Cash Cow der DuMont Verlagsgruppe. Doch der Verlag verweigert Tarifverhandlungen. Dabei, so formuliert es Bundesanzeiger-Betriebsrat Gerhard Treinen, befindet sich ein großer Teil der rund 560 Beschäftigten und der bis zu 280 Leiharbeitenden in prekären Arbeitsverhältnissen. Daher hat ver.di jetzt zum fünften Mal in diesem Jahr zu einem Warnstreik aufgerufen. Rund 100 Streikende hatten sich dann auch vor dem DuMont Gebäude in Köln versammelt und verliehen ihrem Unmut hörbar Ausdruck als sie „Tarifvertrag jetzt“ skandierten. „Ich habe…
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »