Konstruktiv und selbstbewusst

Zustimmung! Frauenkonferenz des Bundesfachbereiches „Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur sowie Ver- und Entsorgung“ am 22./23. Februar im Berliner ver.di-Haus Foto: Stephanie von Becker

Vereinte Kraft. Keine halben Sachen. Und maximale Ermutigung. Das hätte als Devisen für die erste gemeinsame Frauenkonferenz des ver.di-Fachbereiches A getaugt. Knapp 70 Delegierte der „Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur sowie Ver- und Entsorgung“ erfüllten sie mit Leben. Mit viel Tatendrang traf sich auch die Jugend des Bundesfachbereichs ein erstes Mal zur Delegiertenkonferenz in Gladenbach.

Die Frauen wollen ihre Interessen auch künftig energisch vertreten – mit eigenen Strukturen und einem gewählten Vorstand. Über Kompass und Inhalte herrschte großes Einvernehmen, fast alle Beschlüsse fielen einstimmig. Neben Referaten zur ver.di-Frauenpolitik und zur Lage im Energiesektor bestimmten acht Themen in Form eines Welt Cafés die Konferenzdebatten.

Konstruktiv und zugewandt, aber durchaus auch selbstbewusst, so präsentierte sich diese 1. Bundesfachbereichsfrauenkonferenz am 22. und 23. Februar 2023. Sie startete nicht am Punkt Null. Das machten Nicole Seelemann-Wandtke und Ayse Tekin, die bislang Fraueninteressen im Gründungsvorstand des neuen Fachbereiches vertreten hatten, schon zur Begrüßung klar. Durch alle Debatten zog sich später der Begriff des „Arbeitspakets Frauen- und Gleichstellungspolitik“, der sich für die engagierte Vorbereitungs- und Koordinierungsarbeit frauenspezifischer Themen sowie für ihre Streiterinnen im künftigen ver.di-Fachbereich eingebürgert hatte.

In Ergänzung des schriftlichen Geschäftsberichts wurden Aktive interviewt, die sich in diesem Formierungsprozess bereits für Frauenanliegen stark gemacht hatten. Sigrid Schubecker aus dem Bereich Finanzdienste etwa berichtete, wie es unter Pandemiebedingungen trotzdem gelungen sei, ein Projektpapier und Satzungsvorschläge zu erarbeiten, um Frauen im neuen Fachbereich „sichtbar zu machen und die Arbeit mitzugestalten“. Frauen hätten „überall in den bisher gewählten Gremien Mandate bekommen“, darin sah Energiewerkerin Frauke Hüttmann ein Highlight bisherigen Engagements.

Walburga Rempe-Baldin (Mitte), Freiberuflerin im Medien- und Kulturbereich, im Gespräch mit (r.) Sigrid Schubecker (Finanzdienste) und Corinna Groß von ver.di Foto: Stephanie von Becker

Dass „nichts Gutes verlorengeht“, war Antrieb für Walburga Rempe-Baldin, Freiberuflerin im Medien- und Kulturbereich, wo heterogene Interessenvertretung bereits über einen Frauenvorstand koordiniert worden war. Projektleiterin Alkmene Maiwald würdigte Gestaltungswillen und Enthusiasmus der Mitstreiterinnen im Arbeitspaket, deren Erfahrungen und Vorschläge auch in die Vorbereitung der Konferenz eingeflossen seien.

Eigener Frauenvorstand gewählt

Nur folgerichtig schien, dass für die künftige Form der Arbeit im Fachbereich der weitestgehende Vorschlag die Zustimmung der Delegierten fand: Statt sich nur offener oder projektbezogener Arbeit zu bedienen, votierte die Konferenz einstimmig für die Bildung eines Bundesfachbereichsfrauenvorstandes, der – mit eigenem Budget und Gestaltungskompetenz ausgestattet – Fraueninteressen im neuen Fachbereich vertreten soll. Vierundzwanzig Nominierte aus den verschiedenen Fachgruppen und Landesbezirken erhielten den Rückhalt der Delegierten, nun mit vereinter Kraft Fraueninteressen voranzubringen.

„Keine Anpassung an die Vorstellungen alter weißer Männer!“ ermutigte auch Bundesfachbereichsleiter Christoph Schmitz die Teilnehmerinnen zur spezifischen Wahrnehmung ihrer Interessen: „Machen wir uns nichts vor, diese Gesellschaft ist immer noch strukturell patriarchalisch. Wir müssen gemeinsam mit den Männern immer wieder Impulse setzen – auch in der Gewerkschaft, in den Interessenvertretungen, Tarifkommissionen und Vorständen – um Strukturen und Denken zu verändern.“ Da bleibe viel zu tun. Und es gehöre zum Wesen von Neuerungen, dass beim Ausprobieren auch „mal etwas schiefgehen könne“.

Für die Beseitigung gravierender Gender-Lücken

Alexa Wolfstädter, ver.di-Beauftragte für Gleichstellungspolitik
Foto: Stephanie von Becker

Vorschläge als „ganzen Fächer frauenpolitischer Themen, mit denen Ihr euch künftig beschäftigen könntet“, offerierte Alexa Wolfstädter vom ver.di-Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik. Das Risiko eines „frauenpolitischen Roll-Back“ sei real, betonte sie in ihrem Impulsreferat. „Die aktuellen globalen Krisen sind nur gut zu lösen, wenn frauenpolitische Fragen darin integriert sind.“ Das schließe die Verringerung und Beseitigung gravierender Gender-Lücken ein, die zumeist auch im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung benannt würden: von einer Digitalisierungs-Lücke, über den bekannten Gender-Pay-Gap, die ungerechte Verteilung von Sorgearbeit, nötige Umverteilungen in der Arbeitszeitpolitik bis hin zur vielfach existenziell bedrohlichen Renten-Lücke.

Diese und weitere Themen spiegelten sich nachfolgend an den „Thementischen“ des World Cafés wieder. Den unterschiedlich angelegten parallelen Diskussionsforen konnten sich die Teilnehmerinnen nach eigener Wahl anschließen, Fragen aufwerfen und Vorschläge einbringen. Dabei ging es um die tarifpolitische Arbeit von Frauen, um Frauen und Digitalisierung, um Homeoffice und das „New Normal“ im Bereich Gute Arbeit, um Kommunikation, Netzwerken und die Gewinnung von mehr weiblichen Nachwuchskräften, etwa mit dem Projekt RONJA, aber auch um Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder die Vorstellung der Vertrauensstelle Themis.

Dorothea Forch (Fachgruppe IKT) berichtet im Plenum von der Suche der Teilnehmerinnen ihres Thementisches nach dem „frauenspezifischen Zuschnitt“ in der Digitalisierung. Foto: Stephanie von Becker

Mit Blick auf die Digitalisierung sei es nicht leicht, einen „frauenspezifischen Zuschnitt“ zu finden, erläuterte Dorothea Forch von der Bundesfachgruppe IKT bei der späteren Auswertung, da sie alle Beschäftigten betreffe. Doch gehe es vor allem bei nötigem Nachteilsausgleich darum, Frauenbedürfnisse stärker zu berücksichtigen und dafür in der Arbeitswelt Verbündete und Unterstützer zu finden.

Beschlüsse für gleichberechtigte Arbeitsbedingungen

Etliche solcher Schwerpunkte fanden sich in Anträgen wieder, die die Konferenz am Abschlusstag verabschiedete. Eine einstimmig beschlossene tarifpolitische Forderung verlangt etwa die Prüfung aller neu verhandelten Tarifverträge im Fachbereich auf die Einhaltung von Entgeltgleichheit. Weitere Anträge zielen darauf, die Arbeitsbedingungen von Frauen in selbstständiger Erwerbsarbeit stärker zu fördern sowie angemessene Basishonorare für selbstständige Kreative durchzusetzen. Im Rahmen der gewerkschaftlichen Digitalisierungsstrategie für Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen und Qualifizierung zur Beschäftigungssicherung in Digitalisierungsprozessen zu nutzen, darauf zielten zwei spezielle Anträge. Die Delegierten stimmten für einen höheren Frauenanteil in TOP-Führungspositionen und forderten eine gerechtere Arbeitszeitpolitik. Dazu zählten sie eine gesetzlich verbriefte bedingungslose Rückkehrmöglichkeit in ein Vollzeitarbeitsverhältnis, eine Informationspflicht für Arbeitgeber bei Rückkehrgesprächen aus der Elternzeit sowie die Gewährung von Freistellungen für ehrenamtliche gewerkschaftliche Arbeit. Einhellige Zustimmung fand auch der Antrag, sich für die Streichung der unverhältnismäßigen Einkommensprüfung für die Grundrente einzusetzen. Dass die Bundesfachbereichskonferenz eine Resolution „Frauen. Leben. Freiheit. Solidarität mit dem Widerstand iranischer Frauen“ ebenfalls einstimmig angenommen hat, auch das ein Zeichen der Ermutigung.

Eindeutiges Votum für die Resolution „Frauen. Leben. Freiheit. Solidarität mit dem Widerstand iranischer Frauen“ auf der Frauenkonferenz im Berliner ver.di-Haus am 23. Februar 2023. Foto: Stephanie von Becker

Kreativ sein und sich einmischen

Mit Optimismus und der „Lust drauf, sich zu engagieren“ gingen junge ver.di-Mitglieder vor vier Jahren daran, sich in der Gewerkschaft in einem neuen Fachbereich zusammen zu finden. Dieses Vorhaben scheint schon ein stückweit gediehen, schauen wir auf die Ergebnisse der ersten Bundesjugendkonferenz des Fachbereichs Anfang Februar. Erstmals haben sich dazu in Gladenbach 54 Delegierte der verschiedensten Branchen getroffen. An den Vorbereitungen waren viele beteiligt – erstes Kennenlernen war programmiert. Nun geht es ans „Zusammenwachsen“, so das aktuelle Motto. Und so unterschiedlich wie die Berufsfelder im Fachbereich „Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung“ (FB A) sind, so gleich sind die Interessen, etwa wenn es um gute Ausbildungsbedingungen mit der dazugehörigen Vergütung oder der Mitbestimmung in den Betrieben geht.

Super Stimmung bei den Delegierten der Jugendkonferenz des Bundesfachbereiches „Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur sowie Ver- und Entsorgung“ Anfang Februar in Gladenbach.
Foto: Jasmin Gerschewski

Eröffnet wurde die Konferenz von Oskar Michel. Der bisherige Vorsitzende des Jugendfachkreises auf Bundesebene bei der Telekommunikation und den Informationsdienstleistungen, kurz TK/IT, verabschiedete sich, da er den Jugendstrukturen entwachsen ist. Wie auch Kai Reinartz, ehrenamtlicher Vorsitzender der ver.di-Jugend, ging Michel auf die Herausforderungen in der vergangenen Wahlperiode ein, die stark von globalen Krisen geprägt war. Dennoch habe es viele Erfolge in dieser Zeit gegeben, betonte Reinartz. So hat sich die ver.di-Jugend für eine Mindestausbildungsvergütung eingesetzt. Das entsprechende Gesetz über 680 Euro im Monat wurde verabschiedet. Keine Ausbildung darf mit weniger vergütet werden. Begonnen wurde, für eine Ausbildungsplatzgarantie zu streiten. Das heißt, jeder soll einen Ausbildungsplatz staatlich garantiert bekommen. Der erste Gesetzentwurf steht zur Diskussion. Hier wird die ver.di-Jugend dranbleiben.

Jugendarbeit ist Aufgabe für alle

Neugier und Freude als zentrale Faktoren für das Zusammenwachsen im Fachbereich bescheinigte Christoph Schmitz, Bundesfachbereichsleiter FB A, den Delegierten in seinem Grußwort. Wichtig sei die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb. Junge Leute sollten hier Gewerkschaft leben, um mehr Mitstreiter*innen zu gewinnen. Er verwies auf die vielen aktuell laufenden Tarifverhandlungen, wie die im Öffentlichen Dienst. Dabei müsse es ver.di noch stärker als bisher gelingen, auf Verbesserungen für Auszubildende und dual Studierende zu drängen. „Attraktiv für junge Arbeitskräfte zu sein, ist für unsere Gewerkschaft ebenso eine Überlebensfrage, wie für die Unternehmen.“ Er rief auf: „Mischt euch ein, seid kreativ und bleibt hartnäckig bei allen Fragen, die euch und eure Kolleg*innen betreffen!“ Innerhalb der Gewerkschaft müssten die Jugendkoordinator*innen weiter gestärkt werden. Aber klar sei auch, dass Jugendarbeit nicht nur von der Jugend gemacht werden müsse. Das sei eine Aufgabe für alle, so Schmitz.

Auch Jugendkoordinator Thomas Bachmann ist überzeugt, dass der Sinn von ver.di der Austausch, das Netzwerken und das gemeinsame Grübeln – neudeutsch: Brainstorming – ist, um Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu verbessern. Unsere „Waffe“ dafür ist unsere Solidarität. Werkzeuge dafür lieferte auch Romy Schneider vom Projekt Aktivierende Gewerkschaftsarbeit, dessen Leitsatz lautet: „Das Herz der Gewerkschaft schlägt im Betrieb“.

Nach der Entlastung des alten Vorstands wurde der neue geschäftsführende Vorstand gewählt und seine Mitglieder bestätigt. Herzlichen Glückwunsch an: Joana Starck, Lukas Gertzen, Dustin Pilz und Nino-Pascal Bündgen. Mit den kämpferischen Worten von Dustin geht es nun an die Arbeit: „Wir haben uns lange genug in den letzten Jahren mit uns selbst und unserer Struktur beschäftigt. Es ist Zeit, sich Problemen, die wir auch in der Ausbildung haben, zu stellen und nach vorne zu schauen.“.

Gewerkschaft mehr in die Schulen

Diese Energie war auch bei der Antragsberatung spürbar, die sehr leidenschaftlich geführt wurde. Großes Diskussionspotenzial hatte ein Antrag, der sich mit Gewerkschaften in den Schulen befasste. Weitgehende Einigkeit konnte darüber erzielt werden, dass Gewerkschaften und ihre Themen viel mehr in Schulen präsent sein müssen und ver.di viel besser mit den demokratischen Schüler*innen-Vertretungen zusammen arbeiten sollte. Deshalb wurde dem Antrag zugestimmt. Heftig diskutiert wurde auch ein Antrag zu den Jugendstrukturen bei der Telekom. Die Besonderheit dort: Nach dem eigenen Ausbildungstarifvertrag gibt es Auszubildenden-Vertretungen, die eigenständig wie ein „kleiner Betriebsrat“ agieren können. Die Antragsteller votierten dafür, das zu ändern. Das ergab Widerspruch gepaart mit der Warnung, wie gefährlich es sei, gut funktionierende tarifvertraglich vereinbarte Strukturen aufzugeben. Mehrheitlich wurde der Antrag abgelehnt.

Dustin Pilz aus der Fachgruppe „Medien, Journalismus und Film“ wurde in den neuen Jugendvorstand des Bundesfachbereichs gewählt. Er arbeitet beim beim ZDF im Landesstudio Stuttgart. Foto: Jasmin Gerschwewski

Nach einer 20er Jahre-Party am Abend wurden am nächsten Tag weitere Anträge angenommen, die unter anderem mit Aufsichtsratsmandaten, dem JAV-Wahlalter und einer Home-Office-Pauschale befasst waren. Beschlossen wurde ebenfalls, dass die Fachbereichsjugend diverse Veranstaltungen planen sollte. Neben regelmäßigen Konferenzen ist da beispielsweise an  „Vernetzungsfestivals“ gedacht. Breite Zustimmung fanden auch Anträge für eine Bier-/Softdrink-Preisbremse in gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen.

Abschließend haben sich die Delegierten mit zwei Initiativanträgen beschäftigt, die sich für bezahlbaren Wohnraum für Nachwuchskräfte und die Unterstützung frauen*rechtlicher und antisexistischer Bewegungen einsetzten. Widerspruch für diese Ziele gab es nicht.

Autorinnen
Bericht über die Frauenkonferenz: Helma Nehrlich
Bericht über die Jugendkonferenz: Ngoc-Hien Le, Jasmin Gerschewski

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