Mit der Geduld der Elefanten

Ralph Knapp – Filmvorführer im Wuppertaler CinemaxX

„Man muß Geduld haben“, sagt Ralph Knapp, verschränkt die Hände hinter dem Kopf, wippt sanft auf seinem Stuhl und grinst. Den 47jährigen Filmvorführer bringt so schnell nichts aus der Ruhe, weder die mühsame ver.di-Werdung („das dauert eben“), noch schwierigste Tarifverhandlungen mit dem Kinobetreiber CinemaxX. Nicht von ungefähr sind Elefanten seine Lieblingstiere.

Aber zweifellos macht derjenige einen Fehler, der Ruhe und ein vernünftiges Phlegma als Nachgiebigkeit oder Unaufmerksamkeit missdeutet. Filmmenschen haben ein gutes Auge und Knapp guckt genau hin, aber er lässt sich Zeit dabei. „Eher länger“ waren denn auch seine selber gedrehten Super-8-Filme vor 25, 30 Jahren, Reise­filme aus Ägypten, Ungarn und Skandinavien, die er in seinem ersten Job in einem Programmkino zeigte. In die Kinobranche ist der gelernte Maschineneinrichter nach Arbeitslosigkeit, Umschulung und Rumjobben als Kassierer „reingerutscht“. „Ich bin in mein Lieblings-Programmkino gegangen und habe gefragt, ob sie Arbeit hätten und da konnte ich gleich an der Kasse bleiben.“ Nach einem Jahr stellte er dort mit anderen eine Filmreihe auf die Beine, in der auch seine eigenen Filme liefen. Nach Stationen als Filmvorführer, Theaterleiterassistent und Theaterleiter unter anderem in Recklinghausen, Lünen, Wanne-Eickel und Düsseldorf und immer wieder in der Heimatstadt Wuppertal ist der geborene Andernacher nun dort seit über acht Jahren als Filmvorführer im hochmodernen Glaspalast des Kinobetreibers CinemaxX beschäftigt. Das bedeutet: Mit einem Kollegen bedient er pro Schicht neun Kinosäle, pro Saal laufen vier Filme.

Auf langen Atem einstellen

Was ein Filmvorführer im Zeitalter von „Knopfdrücken“ eigentlich tut, wird Knapp immer wieder gefragt. „Donnerstags bauen wir die Filme auf, die kommen nämlich in fünf bis zehn Akten von 18 bis 20 Minuten Länge an. Dann wird der Film auf den Filmteller aufgezogen und für die Vorstellung in den Projektor eingefädelt. Außerdem müssen Trailerprogramm und Werbung vorbereitet werden. Während der Vorstellungen kontrollieren wir, ob alles ok ist, zwischendurch muss man dann schon mal was korrigieren.“ Sechs Vorführer gibt es unter den 65 Beschäftigten, bis Mai diesen Jahres wurde die Belegschaft auch von Ralph Knapp im Betriebsrat vertreten. „Wir waren fünf Betriebsräte, darunter eine Frau und einer von den vier Jungs musste zugunsten einer zweiten Frau raus. Das war dann ich.“ Knapp sieht bei diesen Worten nicht besonders beleidigt aus, so ist das eben und außerdem ist er erstes Ersatzmitglied und, derzeit besonders wichtig, im Kino-Tarifausschuss. Es wird versucht, mit CinemaxX Haustarifverträge abzuschließen. Der Kinobetreiber will unter anderem für Neueinstellungen 2 – 3-Stunden-Schichten durchsetzen. Knapp: „Die sollen für 6,50 Euro Stundenlohn mal eben zwischen ‚Heute-Nachrichten‘ und ‚Tagesthemen‘ vorbeikommen mit womöglich halbstündiger Anfahrt! Oder länger. CinemaxX will Minijobber mit 10-15-Stunden-Verträgen. Außerdem soll der Betriebsrat bei den Dienstplänen nicht mehr mitbestimmen, die Neuen sollen kein Weihnachtsgeld und nur 20 Tage Urlaub bekommen, be­fristete Verträge sollen wiederholt befristet verlängert werden.“ Das Angebot, die Löhne um zwei Prozent anzuheben – nach dreieinhalb Jahren ohne Erhöhung – kann man „nicht ernsthaft nennen“. Die Bremer Kollegen sind derzeit Vorreiter bei den Verhandlungen, die Wuppertaler setzen auf langen Atem und „mindestens 90 Prozent Rück­halt in der Belegschaft“. Wer wie Ralph Knapp seit fast 30 Jahren Gewerkschafter ist, lässt sich nicht so schnell nervös machen. „Hektische Zeiten als Betriebsrat und spannende Tarifverhandlungen haben mir immer gefallen.“
Knapp betreut nebenbei den elektronischen Newsletter „Kino-News“ für die gewerkschaftlich organisierten Kinobeschäftigten. „Da kann ich alles reinsetzen, was für uns wichtig ist, das macht viel Spaß.“ Beispielsweise schon mal die Information darüber, welche Folgen es hat, wenn ein Vorführer in einer Kindervorstellung einen Film ab 18 einlegt und ihm Entlassung droht. „Mir ist das aber noch nicht passiert“, sagt Knapp überzeugend. Als Kinogänger liebt er Musicals und Monu­mentalfilme, „Filme, die sich Zeit lassen mit der Erzählung“ und „natürlich ‚Casablanca’“. Die meisten „modernen Filme sind mir zu lang und zu schnell“. Demnächst will er wieder selber drehen, nicht mehr mit Super-8, sondern mit der Digitalkamera, im Oman im nächsten Jahr.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Gutes Ergebnis für die VG Wort

Im Jahr 2024 hat die VG Wort 165,64 Millionen Euro aus Urheberrechten eingenommen. Im Vorjahr waren es 166,88 Millionen Euro. Aus dem Geschäftsbericht der VG Wort geht hervor, dass weiterhin die Geräte-, und Speichermedienvergütung der wichtigste Einnahmebereich ist. Die Vergütung für Vervielfältigung von Textwerken (Kopiergerätevergütung) ist aber von 72,62 Millionen Euro im Jahr 2023 auf nun 65,38 Millionen Euro gesunken. Die Kopier-Betreibervergütung sank von 4,35 auf 3,78 Millionen Euro.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »