Nicht vergessen

Medien versäumen Würdigung von Otto Brenner

Otto Brenner wäre am 8. November 2007 hundert Jahre alt geworden. Geschichtsbewusste Gewerkschafter mögen die Bedeutung dieses wichtigen deutschen Arbeiterführers kennen. Einer breiten Öffentlichkeit anlässlich des Jahrestages Wissen über Wirken und Wirkung des langjährigen Vorsitzenden der IG Metall zu vermitteln – das haben Rundfunk und Tagespresse versäumt. Ein engagierter Verdianer verhindert mit einer Erinnerungs-DVD das Vergessen.

Weder beim NDR noch beim HR kam jemand auf die Idee, eine Film- oder Radiodokumentation über den in Hannover geborenen und lange in Frankfurt wirkenden Jubilar zu fertigen. Selbst die profilierten ARD-Hörfunk-Historiker vom WDR-ZeitZeichen fanden den Tod des Heiligen Martin von Tours vor exakt 1610 Jahren wichtiger, während die Redaktion des DeutschlandRadio-Kalenderblatt der Umleitung des Jangtse in China vor immerhin zehn Jahren mehr Relevanz am Stichtag einräumte. Fehlanzeige auch beim ZDF. Der Beobachter erspart den vom DGB nominierten Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender die Frage, inwieweit sie im Rahmen ihrer Kontroll- und Gestaltungsaufgabe eine Brenner-Würdigung angeregt haben.

Ignoranz auch im Blätterwald: Weder FAZ noch FR erinnerten an den Mann, der von 1952 bis 1972 in Frankfurt wirkte. Den ortsansässigen wie auch den anderen überregionalen Redaktionen scheint im dauernden Relaunchfieber entgangen, wer als Vorsitzender die IG Metall zur bedeutendsten deutschen Einzelgewerkschaft ausbaute und wesentlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen arbeitender Menschen in der Bundesrepublik beitrug.
Der ehemalige NDR-Fernsehredakteur Hans-Jürgen Hermel (72) schüttelt seinen Kopf. „Dem Sender eine unabhängige Dokumentation über Otto Brenner anzubieten kann man sich sparen“, meint das pensionierte ver.di-Mitglied. Zusammen mit seinem Sohn Shaun, einem 30-jährigen Historiker, hat er mehrere Monate Material gesammelt, in Archiven recherchiert und Zeitzeugen interviewt. Mehr als 10.000 Euro investierten beide privat, fanden schließlich in der Otto-Brenner-Stiftung einen Mit-Finanzier für ihr Film-Vorhaben. Ein erstes Ergebnis in Form einer 14-minütigen Kurzdokumentation zeigten Vater und Sohn am 100. Geburtstag Brenners auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall in Leipzig. Die rund 500 Delegierten spendeten viel Beifall für das Werk, das nach Hermels Vorstellung künftig bei Gewerkschaftsveranstaltungen, in Volkshochschul-Seminaren oder Schulen eine geschichtsbewusste Gesellschaftsdiskussion befördern soll.
Nun liegt eine 48-minütige Langversion als DVD mit historischen Filmaufnahmen und Fotos sowie vielen Zeitzeugen vor. Das Spektrum der Interviewpartner reicht von Tochter Heike Brenner-Pinkall und Neffe Peter Wald über berufliche und gewerkschaftliche Weggefährten aus IG Metall und ÖTV/ver.di wie Hans Matthöfer oder Fred Zander bis zu professoralen Beratern von Eberhardt Schmidt bis Oskar Negt. Brenner „verkörperte und lebte die Arbeiterbewegung“, war „eine der ganz großen Figuren“, besaß „absolute Resistenz gegen Korruption“, so einige Zitate. Und: „Solche Vorbilder fehlen heute.“

Der Eiserne Otto – Erinnerungen an Otto Brenner.

DVD , 18 Euro zzgl. Versand. Kontakt: memo media productions, Nenndorfer Platz 26, 30459 Hannover, Fon: 0511- 41 52 03, Mail: memo.media@web.de.

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Gutes Ergebnis für die VG Wort

Im Jahr 2024 hat die VG Wort 165,64 Millionen Euro aus Urheberrechten eingenommen. Im Vorjahr waren es 166,88 Millionen Euro. Aus dem Geschäftsbericht der VG Wort geht hervor, dass weiterhin die Geräte-, und Speichermedienvergütung der wichtigste Einnahmebereich ist. Die Vergütung für Vervielfältigung von Textwerken (Kopiergerätevergütung) ist aber von 72,62 Millionen Euro im Jahr 2023 auf nun 65,38 Millionen Euro gesunken. Die Kopier-Betreibervergütung sank von 4,35 auf 3,78 Millionen Euro.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »