Selbstständige trafen sich in Hamburg

Moderator Georg E. Möller spornt zum Mitmachen an
Foto: Lars Hansen

Es wirkte fast, wie ein Befreiungsschlag: 50 selbstständige Gewerkschafter*innen aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kamen zum Selbstständigentag in Hamburg zusammen. Unter strengen Corona-Bedingungen tauschten sie sich aus und diskutierten über die gegenwärtigen Probleme der Selbstständigen. Dabei stellten sie fest, dass viele davon gar nicht durch die Corona-Pandemie verursacht wurden, sie hat sie nur verschärft deutlich gemacht.

Eine richtige, physische Tagung – nicht nur eine kleine Sitzung – in Zeiten von Corona durchzuführen: Soll man das? Darf man das? Wie kann man das machen? Die Meinungen darüber waren auch im Vorstand de der Landeskommission Selbstständige (LKS) im ver.di Bezirk Hamburg/Nord auseinandergegangen. Danach waren die Vorstände und alle Teilnehmenden froh, es gewagt zu haben. „Wir haben konstruktiv gearbeitet und wir haben Themen mitgenommen, an denen verschiedene Gruppen jetzt weiterarbeiten, sagt der Kreativberater Georg E. Möller, Vorstandsmitglied und Moderator des Hamburger Selbstständigentages.

Es wäre durchaus noch etwas mehr Platz im großen – und prächtigen – Saal des Hamburger Gewerkschaftshauses gewesen. 64 Stühle hätten auf hygienegerechtem Abstand herein gepasst, „und wir hatten auch fast so viele Anmeldungen, aber einige sind schlicht nicht gekommen, das ist das einzige, was den Erfolg der Tagung ein wenig trübt“, sagt Michael Wachtel, IT-Fachmann und Sprecher des LKS-Vorstandes. Erstmals wurde der Selbstständigentag im Barcamp-Format abgehalten, bei dem sich die Teilnehmenden Themen und Agenda selbst geben und dazu Arbeitsgruppen bilden. „Das ist in der Gewerkschaft immer noch selten“, sagt Georg E. Möller, „während es in den Kampagnenbewegungen und mittlerweile selbst in der Unternehmensentwicklung längst üblich ist. Man kann so viel spontaner auf aktuelle Lagen reagieren, als wenn man Frontaltagungen mit Vortragenden und Podien macht.“

Vier Themen kristallisierten sich heraus: Arbeitsformate der LKS unter Corona-Bedingungen, Selbstverständnis von Selbstständigen in der Gewerkschaft, Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaft für Selbstständige und die soziale Absicherung von Solo-Selbstständigen. Das war die am meisten nachgefragte Gruppe. „Hier wurde deutlich, dass es schon lange verschleppte Probleme gibt“, sagt Sandra Goldschmidt, stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin und früher selbst freie Fotografin, „Gerhard Schröder hat vor 20 Jahren die Ich-AG propagiert und niemand hat daran gedacht, was diese Soloselbstständigkeit, die ja oft eine Scheinselbständigkeit ist, für die soziale Sicherung der Betroffenen und für die Sicherungssysteme selbst bedeutet. Wir haben das durchaus kontrovers diskutiert: Fordern wir Modelle, in denen die Auftraggeber mehr an den Sicherungssystemen beteiligt sind oder fördern wir Ansätze wie bei Anwälten und Ärzten, die über ihre Kammern eigene Sozialversicherungen haben?“

Dass viele der Probleme bereits länger bestehen, als die Corona-Krise, betonte auch Ratgeberautorin und Konfliktberaterin Beate Schwartau: „Ich bin seit 30 Jahren selbstständig und als Selbstständige in der Gewerkschaft aktiv“, sagte sie. „Krisen sind unser ständiger Begleiter! Wir verdrängen das manchmal, wenn es gut läuft, aber wir tun gut daran, persönlich und politisch dafür zu sorgen, dass uns Krisen nicht zu hart treffen!“

 

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Filmfrauen ermächtigen sich

Das Internationale Frauenfilmfest (IFFF), jährlich abwechselnd in Dortmund und in Köln stattfindend, wirkt empowernd: Nach außen auf ein cineastisches Publikum, nach innen in die Branche hinein. Filmemacherinnen, Regisseurinnen, Bildgestalterinnen, Festivalkuratorinnen diskutierten miteinander über die Qualität feministischen, queeren und kulturell diversen internationalen Filmschaffens von Frauen. Wie unterm Brennglas fokussierte das Festivalteam Anfang April, unter Leitung von Maxa Zoller, aus Frauenperspektive aktuelles politisches Weltgeschehen und daraus resultierende gesellschaftliche Missstände.
mehr »

Freund oder Feind der Demokratie?

Soziale Medien ermöglichen Aktivismus – und gleichzeitig sehen in einer NDR-Umfrage vom Februar knapp zwei Drittel darin eine Gefahr für die Demokratie. Zur diesjährigen Leipziger Buchmesse diskutierte eine Gesprächsrunde des Schriftsteller*innen-Verbandes in ver.di (VS) unter dem Motto „Demokratiefeind Social Media?“, ob und wie Social Media reguliert werden könnte.
mehr »

dju fordert Presseauskunftsrecht

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert, in den laufenden Koalitionsverhandlungen endlich das längst überfällige Bundespresseauskunftsgesetz zu beschließen. Danach sieht es gegenwärtig allerdings nicht aus. Bestehende konstruktive parlamentarische Vorlagen zu einem entsprechenden Gesetzentwurf habe die CDU/CSU in der Vergangenheit blockiert, moniert dju-Co-Vorsitzender Peter Freitag. Wie schon die letzte Große Koalition unter Angela Merkel setzte aber auch die soeben abgetretene Ampel-Regierung ein entsprechendes Vorhaben nicht um.
mehr »

Dienstleister bestreikt den MDR

Der gestrige Streik der MCS TEAM GmbH zeigte deutliche Auswirkungen auf das Fernsehprogrammprogramm des MDR. Live-Schalten fielen aus und nicht alle Beiträge in der Sendung „Sachsen-Anhalt Heute“ konnten ausgestrahlt werden. Hintergrund des Streiks waren die bislang unzureichenden Angebote der Geschäftsführung. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert eine Erhöhung der Gehälter um 6 Prozent, mindestens aber um 200 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
mehr »