Stuttgarter Zeitungen im Streik

Foto: Fotolia

Erstmals seit Jahren haben am Zeitungsredakteur*innen und Verlagsangestellte gemeinsam wieder gestreikt.
Rund 100 Teilnehmer*innen einer Kundgebung vor dem Stuttgarter Gewerkschaftshaus prangerten am vergangenen Freitag die ungerechten  Arbeitsbedingungen und die zunehmende Tarifflucht in der Medienholding Süd an. Zu dem Konzern gehören unter anderem die beiden renommierten Blätter Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten.

Qualitätsjournalismus sei nicht unter „Dumpingbedingungen“ zu bekommen, erklärte dazu der ver.di-Tarifsekretär
Uwe Kreft. Seit fast zwei Jahren versuche ver.di den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen für die Zeitungsgruppe Stuttgart GmbH zu bewegen. Doch bisher hätten weder gute Worte noch Appelle durch den Betriebsrat oder offizielle Schreiben die Geschäftsführung dazu gebracht, an den Verhandlungstisch zu kommen.

Mit Tarifvertrag in die Zukunft

Auch Unterschriften von rund 150 Beschäftigten habe die Arbeitgeberseite nicht eines Besseren belehrt. Deshalb habe die Deutsche Journalistenunion in ver.di  gemeinsam mit dem Deutschen Journalistenverband nun den Arbeitskampf begonnen. Viele Beschäftigte seien entschlossen, diesen auch fortzusetzen, wenn es nicht anders gehe. Das Motto laute „Mit Tarifvertrag in die Zukunft“, sagte Uwe Kreft. Redakteure in der ZGS ohne Tarifvertrag verdienten teils bis zu 10 000 Euro weniger im Jahr als vergleichbare Beschäftigte, die noch zu Tarifbedingungen angestellt seien.
Nach den Vorgaben der Geschäftsführung solle künftig überhaupt niemand mehr zu Tarifbedingungen eingestellt werden. Sämtliche Stellen – auch die, die bisher in den tarifgebundenen Unternehmen Esslinger Zeitung, Kreiszeitung Böblinger Bote sowie in der Redaktionsgemeinschaft Stuttgarter Zeitung Stuttgarter Nachrichten angesiedelt seien – würden bei einer Neuausschreibung in der ZGS besetzt. „So bluten die tarifgebundenen Zeitungsunternehmen langsam aus“, beklagt der Gewerkschafter.

Tarifflucht mir System

Hintergrund dieser Entwicklung ist das Projekt „Regionales Medienhaus 2.0“. In dessen Rahmen seien zum einen zahlreiche Stellen abgebaut worden, zum anderen habe der Konzern die Leonberger Kreiszeitung, die Kornwestheimer Zeitung, die Kreiszeitung Böblinger Bote, die Gemeinschaftsredaktion und die Pressehausinfotechnik zu einem Gemeinschaftsbetrieb zusammengefasst. Wenig später mussten zahlreiche Beschäftigte aus den einstmals selbstständigen Unternehmen in die tariflose ZGS wechseln. Neueinstellungen würden nur noch dort vorgenommen.

„Diese Erosion der Tarifverträge ist nicht hinnehmbar“, betont Kreft. Sie verstoße nicht nur gegen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, sondern sie gefährde auch langfristig die Qualität der Berichterstattung. Denn gute junge Leute könnten die Zeitungen nur an sich binden, wenn sie auch gut bezahlten. In diesem Zusammenhang sei es besonders bitter, dass gerade der Nachwuchs durch die Tarifflucht nicht mehr an der speziellen tariflichen Altersvorsorge für Redakteure beteiligt sein soll. Kreft verlangt vom Arbeitgeber, jetzt rasch Verhandlungen aufzunehmen. Andernfalls seien weitere Streiks unvermeidlich.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp:  Nürnberg ’45 

Hauptfigur des bewegenden Dokudramas über die Nürnberger Prozesse ist der junge jüdische Auschwitz-Überlebende Ernst Michel, der nun als Journalist über die Verhandlungen berichtet. Den dokumentarischen Teil prägen Michel selbst (gesprochen von Heino Ferch), seine Tochter (Annette Frier) und der Sohn (Herbert Knaup) einer polnischen Überlebenden. In den Spielszenen wirken außerdem Francis Fulton Smith als Hermann Göring und Wotan Wilke Möhring als dessen Anwalt mit.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »