Schlaglichter auf die Wirklichkeit: Aktuelle journalistische Praxis in einem Film von Wulf Beleites
„Spiel mir das Lied vom Tod“ – beziehungsreich die leise anklingende Auftaktmelodie zum Film „Schlaglichter auf die Wirklichkeit“ von Wulf Beleites, in dem es dann nur fast so schlimm kommt.
Idyllisch der Sommertag, der Radler am See ist abgestiegen, hat das Handy am Ohr: „Mit Foto? Und wie viele Zeilen? Gern, aber nicht für diesen Preis!“ Kurz darauf sieht man den Journalisten als Fremdenführer in seiner glücklicherweise reizvollen, von Touristen gern besuchten alten Stadt. Von seinem eigentlichen Job kann er nicht leben. 15 Euro zahle der in Mecklenburg/Vorpommern erscheinende Nordkurier – auch schon als Notkurier bespöttelt – pro Artikel im Lokalteil, das Geld lasse er bereits an der Tankstelle, um zum Termin zu kommen.
Der „Leiharbeitersong“ der Gruppe Gutzeit zieht sich durch den gesamten Film, der die journalistische Wirklichkeit 2009 beleuchtet. Beleites fängt an scheinbar zufällig gewählten (Medien)Orten in Ost- und Westdeutschland Symptomatisches ein: den Alltag gewordenen Generalangriff auf Arbeitsplätze in Redaktionen und Verlagen, auf Vergütungen und Honorare, die Wildwestmethoden im Umgang mit Freien und die durch Rationalisierungseffekte um sich greifende – billige – Einfalt in den Medien. Kaufmännisches Denken wird wichtiger als verlegerisches Engagement und die Gier, alles für nichts zu bekommen wächst.
Beleites lässt Kolleginnen und Kollegen von ihrem alltäglichen Überlebenskampf erzählen, vom enormen Honorarverfall, kostenlosen Nachnutzungen, unzumutbar gewordenen Geschäftsbedingungen und zunehmender Rechtlosigkeit. Wissenschaftler analysieren in Zwischenspots Trends zur Entprofessionalisierung. Betriebsräte und Gewerkschafter decken Mechanismen auf und erklären, wie Gegenwehr funktionieren kann. Es steckt viel drin im Film. Beleites und seinen Kameraleuten, voran Matthias Maercks, gelingen authentische Bilder von wechselnden – vielleicht zu häufig wechselnden – Schauplätzen, Aufnahmen von Aktionen und historische Filmsequenzen sind dazwischen geschnitten. Man blickt in Gesichter – und das ist, was auch Hoffnung weckt. Denn bei allem, was traurig und wütend macht, ist in ihnen eines noch zu lesen: Leidenschaft für einen eigentlich großartigen Beruf.
Wo gibt’s den Film?
Der im Auftrag des dju Bundesvorstandes entstandene 25-minütige Film „Schlaglichter auf die Wirklichkeit“ diente – Premiere! – nicht nur zur Bereicherung des 23. Journalistentages. Er soll innerhalb von ver.di auf allen Ebenen eingesetzt werden, kann als Einstieg für Veranstaltungen, Diskussionsrunden und Seminare dienen. Landesbezirke werden die CD ab Mitte Dezember erhalten. Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen appellierte, vor Ort etwas mit diesem Angebot zu machen. „Der Film beleuchtet dokumentarisch die Situation. Er beschönigt nichts und regt zur Diskussion an, wie man sich dagegen wehren kann.“