Zukunft der Arbeitszeit

Zur Diskussion auf der Bundesfachgruppenkonferenz

Im Bundestagswahlkampf werden die Arbeitgebervertreter nicht müde, immer neue Forderungen der Arbeitszeitverlängerung zu stellen. So meinte jüngst der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Dieter Philipp, daß der Urlaub reduziert werden müsse. Wirtschaftsminister Rexrodt sprang dem bei und versicherte, daß weniger Urlaub mehr Jobs bringe. Demgegenüber betonen die meisten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute übereinstimmend, daß: „eine allgemeine Arbeitszeitverlängerung gemeinhin als beschäftigungspolitischer Irrweg angesehen“ wird.

Die Diskussion um Arbeitszeiten erwächst aus zwei miteinander verzahnten Problemkreisen: der stetig steigenden Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und dem zunehmenden Wegfall von Arbeitsplätzen in den produzierenden Gewerben. Die Digitalisierung als „Dritte Industrielle Revolution“ beginnt überall ihre Auswirkungen zu zeigen.

Von dieser Diskussion sind die Medienschaffenden nicht ausgenommen. Die Setzer gehörten zu den ersten, deren Berufsbild durch die fortschreitende Digitalisierung wegfiel. Im Rundfunk sind es heute die Tontechniker, die dem Ende ihrer Arbeit mit Bangen entgegenblicken. Wie läßt sich diese Kluft zwischen wegfallender Arbeit und damit wachsender Arbeitslosigkeit überbrücken? Es gibt Konzepte und Modelle. Und es ist unsere Pflicht als Gewerkschaft, die Arbeitgeber zur Mitgestaltung der neuen Arbeitswelt an den Tisch zu holen. Und gerade weil die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „Betriebe“ des non-profit-Bereiches sind, so dürfen sie nicht aus der Pflicht entlassen werden, sich an der Arbeitsmarktpolitik zu beteiligen; sie haben es sogar leichter, hier Vorreiter zu spielen, weil sie (trotz des Gebots wirtschaftlicher Haushaltsführung) keine Profite erwirtschaften müssen.

Von daher müssen Vorstellungen zu einer zukünftigen Gestaltung der Arbeitszeit drei Zielen dienen: sie müssen neue Arbeitsplätze schaffen helfen, mehr Raum für Qualifizierung und Weiterbildung bieten und die Eigendispositionsmöglichkeiten der Beschäftigten erhöhen. Neue Arbeitszeitregelungen im Sinne vieler Arbeitgeber (wie z.B. Lebensarbeitszeit-Konten) entspringen dem Wunsch nach Deregulierung. Auch diesen Vorstellungen stehen die meisten Wirtschaftsinstitute heute äußerst kritisch gegenüber: „Die positiven Beschäftigungswirkungen der Deregulierungsbefürworter sind also schlecht begründet und in ihrer Dimensionierung deutlich überzogen, die Risiken werden aber unterschätzt oder gar mißachtet.“ (Heise, S. 298).

Vorschläge

Folgende Vorstellungen könnten bereits im ersten Anlauf im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr Arbeitsplätze schaffen und Arbeitszeit flexibler gestalten:

  • Reduzierung der disponierbaren Wochen-Arbeitszeit auf 35 Stunden (wie in anderen Branchen) mit vollem Lohnausgleich. Davon sind 32 Stunden vertragliche Arbeitszeit. Die Differenz von drei Stunden ist automatisch Mehrarbeit und geht ebenso automatisch auf ein Langzeitkonto (wie bereits im NDR ausgehandelt und vielleicht sinnvollerweise in zentralen Verhandlungen für alle Anstalten einzuführen). Das heißt, daß allein durch diese Maßnahme pro Jahr 156 Stunden (= 22 Tage) auf den individuellen Konten auflaufen.
  • Pro Jahr hat jeder/jede ArbeitnehmerIn Anspruch auf sechs Wochen Aus-, Fort- und Weiterbildung bei voller Lohnfortzahlung. Für längere Aus- oder Fortbildungen kann dieser Anspruch gesammelt und als größerer Block genommen werden. Im Zuge der sich wandelnden Berufsbilder in der Medienbranche muß dieser Anspruch auch einmal alle fünf Jahre wahrgenommen werden. Anderenfalls verfallen Stufensteigerungen innerhalb der Vergütungstabellen. Gleichzeitig begründen regelmäßige Aus- und Weiterbildungen nach fünf Jahren mindestens eine höhere Eingruppierung.
  • Der Wechsel von Vollzeitarbeit in Teilzeitarbeit und umgekehrt bei Erhaltung der Eingruppierung und einer vergleichbaren Tätigkeit muß für alle Beschäftigten manteltariflich abgesichert werden.
  • Es muß ein für alle Anstalten verbindlicher Altersteilzeit-Tarifvertrag abgeschlossen werden.
  • Ein für alle Anstalten verbindlicher Teleheimarbeitstarifvertrag ist auszuhandeln.
  • Zeitverträge dürfen pro Abteilung einer Anstalt nicht mehr als 10% der dort Beschäftigten ausmachen.

Es gilt heute mehr denn je, die Arbeitgeber, allen voran die öffentlich-rechtlichen Anstalten, arbeitsmarktpolitisch in die Pflicht zu nehmen und neue Wege zur Arbeitsbeschaffung und Zeitflexibilisierung zu gehen.


 

Literatur:

Arne Heise, WSI, Arbeit für Alle – Vision oder Illusion? 1996, S. 306.

Siehe hierzu nur:
Johann Welsch, Arbeiten in der Informationsgesellschaft, Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1997;
Jeremy Rifkin, Das Ende der Arbeit, 1996 und
Viviane Forrester, Der Terror der Ökonomie, 1997.

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