Anforderungen an eine wirksame Interessenvertretung für Journalistinnen und Journalisten in der Gewerkschaft
Es geht hopplahopp. Kaum haben die Geschäftsführenden Hauptvorstände von Postgewerkschaft, IG Medien und Handel, Banken und Versicherungen ihre Vorstellungen künftiger Zusammenarbeit („Verbund“) auf den Tisch gelegt, werden auch schon Stellungnahmen zu diesem Konzept erwartet. In seiner jüngsten Sitzung hat der Bundesvorstand der Fachgruppe Journalismus (BuVo) deshalb den Vertrag durchforstet, gewogen und in vielerlei Hinsicht noch für zu leicht befunden. Denn bis auf den Plan, die Hauptverwaltungen der drei Gewerkschaften zusammenzuführen, gibt es im Vertragsentwurf wenig Konkretes.
Konkret sind nach Überzeugung des BuVo dagegen die Erwartungen, die Journalistinnen und Journalisten für eine wirksame Vertretung ihrer Interessen haben. Sie gilt es vor Vertragsabschluß zu verdeutlichen und im Anforderungsbündel Prioritäten anzumelden.
Wenn richtig ist, daß eine attraktive, effiziente und durchsetzungsfähige Interessenvertretung erforderlich ist, ergeben sich daraus für die Fachgruppe Journalismus drei Basisforderungen:
- autonome Entscheidungen der Fachgruppe
- angemessene Finanzen zur Erfüllung aller Aufgaben der Fachgruppe
- genügend Personal auf allen Ebenen der Organisation, wobei auch neue Formen der Beschäftigung – zum Beispiel in zeitlich befristeten Projekten – denkbar sein müssen.
Darüber hinaus erwartet die Fachgruppe Arbeits- und Verwaltungsstrukturen, in denen eine Bündelung von medienpolitischer Kompetenz und journalistischer Interessenvertretung erfolgen kann. Als unverzichtbar sieht der BuVo zudem eine eigenständige und kompetente Öffentlichkeitsarbeit an. Dazu gehört die Bereitstellung von Ressourcen, die effizient genutzt werden können, sowie – vor allem auch weiterhin – eine Zeitschrift, die den spezifischen Interessen von Journalistinnen und Journalisten Rechnung trägt.
Hohes Gewicht mißt der BuVo der tariflichen Vertretung der Mitglieder der Fachgruppe Journalismus bei. Zum einen bedeutet das Pflege und Erhalt bestehender Tarifverträge und Abwehr von Angriffen auf bewährte Tarifnormen. Zum anderen kommt es häufig aber auch insbesonders darauf an, Vertretungsmodelle für freiberufliche Journalistinnen und Journalisten zu entwickeln. Dabei sind neue Regelungsmodelle unverzichtbar.
Eine identitätsstiftende, mitgliederspezifische und erfolgreiche Arbeit kann sich der BuVo nur vorstellen, wenn künftig auch neue Arbeitsstrukturen eine Chance haben. So muß unter anderem Engagement auf Zeit möglich sein, und der Realisierung von Schwerpunkt-Projekten dürfen keine Steine in den Weg gelegt werden.
Journalistinnen und Journalisten brauchen einen ganz spezifischen Rechtsschutz, der arbeits-, urheber- und verwertungsrechtliche Aspekte umfaßt.
Wert legt der BuVo auf eine Einbeziehung des DJV, mit dem Kooperationen gesucht und über bisheriges, sporadisches Miteinander hinaus erprobt werden sollten.
Journalistinnen und Journalisten können von ihrer Gewerkschaft politisch-journalistische Interessenvertretung gegenüber Arbeit- und Auftraggebern, dem Gesetzgeber und den Parteien erwarten. Dazu müssen Instrumente der Lobbyarbeit gepflegt werden. Daß dieses Engagement auch auf internationaler Ebene entwickelt und gepflegt werden muß, versteht sich von selbst.
Eng an den Bedürfnissen der Mitglieder muß der berufsbegleitende Service der Gewerkschaft orientiert sein. Hier bedarf es eines differenzierten Angebots für die verschiedenen Tätigkeitsfelder und journalismus-spezifischen Dienstleistungen. Unverzichtbar ist die Beratung journalistischer Mitglieder; sie muß quasi rund um die Uhr möglich sein und bedarf der Kompetenz und Qualifizierung auf allen Ebenen der Organisation.
Von ihrer Gewerkschaft erwarten Journalistinnen und Journalisten zu Recht sowohl eigene Weiterbildungsangebote, politische Bildungsarbeit und auch den politischen Einsatz für eine vernünftige Qualifizierung und Weiterbildung für journalistische Berufe und Tätigkeitsfelder. Der Ausbildungstarifvertrag kann hier nur ein Anfang sein.
Eine wirksame journalistische Interessenvertretung kann auch auf die Debatte um die Entwicklung des Berufsbildes nicht verzichten. Sie spielt sich in zwei markanten Feldern ab: Das eine ist die ethische Bewertung und Problematisierung journalistischen Handelns, das andere die Entwicklung von Perspektiven beispielsweise für den Multimedia-Bereich. Nicht zuletzt setzen Journalistinnen und Journalisten als Gewerkschaftsmitglieder auch auf Engagement der Organisation in Fragen des Gesundheitsschutzes und der Existenzsicherung im Alter.
In eine Gewerkschaft, der sie angehören oder angehören könnten, setzen Journalistinnen und Journalisten hohe Erwartungen: Sie muß attraktiv, effizient und durchsetzungsfähig sein. Nur wo die Gewerkschaft – oder ein wie auch immer gedachter Verbund – so in Erscheinung tritt, kann es ihr auch gelingen, ihre Mitgliederbasis zu verbreitern. Und nur so läßt sich wieder einlösen, was anscheinend zwischenzeitlich verloren ging: Daß Mitgliederbedürfnissen bestmöglich entsprochen wird und mit der Mitgliedschaft zugleich auch wieder Identifizierung verbunden ist.