Aktion für Nedim Türfent, Türkei

Jahrelange Haftstrafe für kurdischen Journalisten

Das Video war brisant, und für Nedim Türfent war klar, dass er es veröffentlichen würde. Auf den ihm zugespielten Bildern vom August 2015 war zu sehen, wie türkische Sicherheitskräfte in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Gebieten im Südosten des Landes mehrere Zivilisten auf den Boden warfen, beschimpften und misshandelten. Unter anderem schrien sie die betroffenen Bauarbeiter an: „Ihr werdet sehen, wie mächtig die Türken sind.“

Nach der Veröffentlichung erhielt Türfent Morddrohungen und wurde an weiteren Recherchen und an einer weiteren Berichterstattung gehindert. Der Journalist arbeitete für die Nachrichtenagentur DIHA (Dicle Haber Ajansi), die inzwischen verboten wurde. Am 12. Mai 2016 schließlich wurde er festgenommen und landete für mehrere Monate in Einzelhaft. Erst 13 Monate später begann der Prozess gegen ihn. Zeugen behaupteten vor Gericht, Türfent gehöre der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK an. Später widerriefen sie – mit einer Ausnahme – ihre Aussagen und erklärten, sie würden den Journalisten gar nicht kennen. Lediglich ein geheimer Zeuge blieb dabei, dass er Türfent in einem Lager der PKK gesehen habe. Der Beschuldigte wies das jedoch zurück.

Trotz der offensichtlichen Ungereimtheiten wurde Nedim Türfent im Dezember 2017 in Hakkari wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. In späteren Instanzen bestätigten Richter das Strafmaß. Eine Reduzierung der Haftstrafe ist bisher nicht in Sicht. Jetzt ist der Fall beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

Der heute 32-jährige Nedim Türfent hat weder Gewalt angewendet noch zur Gewalt aufgerufen, sondern ist nach Überzeugung von Amnesty International ausschließlich wegen seiner Arbeit als Reporter inhaftiert. Er sitzt seine Strafe im Hochsicherheitsgefängnis in Van ab. Dort haben sich die Haftbedingungen während der Corona-Pandemie drastisch verschärft. In der Türkei wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Gefangene, darunter Kriminelle, wegen der schlechten Gesundheitslage freigelassen. Politische Gefangene wurden hingegen nicht amnestiert.

Was können Sie tun?

Schreiben Sie an den türkischen Justizminister und fordern Sie ihn auf, den Journalisten Nedim Türfent sofort und bedingungslos freizulassen. Verlangen Sie auch ein Ende der Praxis, Journalisten lediglich wegen Ihrer Arbeit juristisch zu verfolgen und zu verurteilen. Schreiben Sie auf Türkisch, Englisch oder Deutsch an:

Justizminister

Bekir Bozdağ

Adalet Bakanlığı
06659 Ankara
TÜRKEI

Senden Sie eine Kopie an:

Botschaft der Republik Türkei
S.E. Ahmet Başar Şen

Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Fax: (030) 275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Sorge um Pressefreiheit in Osteuropa

„Journalistinnen und Journalisten stehen In vielen Ländern Osteuropas unter enormem Druck von Regierungen. Von Pressefreiheit kann angesichts von Repressalien wie Klagen, Bedrohungen und Inhaftierungen keine Rede mehr sein. Dabei machen die Journalist*innen einfach nur eins – ihre Arbeit“, betont Tina Groll, Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, anlässlich der Verleihung der Free Media Awards 2024 für Medienschaffende in Osteuropa heute norwegischen Nobel-Institut in Oslo.
mehr »

Immerhin gibt es Presse

Der Iran gehört zu den repressivsten Ländern weltweit für Journalist*innen. Hunderte wurden strafverfolgt, inhaftiert oder hingerichtet. Medien unterliegen systematischer staatlicher Kontrolle, das Internet wird umfassend zensiert und überwacht. Dennoch wird viel über den Iran berichtet und viele Iraner*innen nutzen soziale Medien. Es gibt einen öffentlichen politischen Diskurs. Ein Gespräch mit dem Historiker Arash Azizi.
mehr »

Bundesregierung ohne Exit-Strategie

Vor drei Jahren übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Während viele Menschen im Land heute angeben, die Situation sei sicherer, leben Journalisten fast nirgends gefährlicher. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) rutschte das Land mittlerweile auf Platz 178 von 180 Staaten. Ein Hoffnungsschimmer sollte das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen sein. Doch nur sechs Journalist*innen konnten darüber gerettet werden. Und das BAP stehe vor dem Aus, beklagt RSF. 
mehr »

Türfent: Rettender öffentlicher Druck

Der internationale Tag der Pressefreiheit ging in Deutschland in diesem Jahr mal wieder zwischen Feier- und Brückentagen unter. Dabei gerät die Pressefreiheit weltweit immer weiter unter Druck. So plante die Türkei ein „Agentengesetz“ nach Vorbild Russlands und Georgiens, mit dem kritische Journalist*innen kriminalisiert werden. Wie wichtig öffentlicher Druck für inhaftierte Journalist*innen ist, verdeutlichte der türkische Kollege Nedim Türfent. Er ist sich sicher: Ihm hat dieser Druck das Leben gerettet.
mehr »