Gefangenenaustausch: González kommt frei

Spanischer Journalist Pablo González mit Selfie Quelle: IPI

Für den Journalismus gab es zuletzt einige Erfolgsmeldungen. Nach der kürzlichen Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange, kamen im großen Gefangenaustausch mit Russland auch der in Russland verurteilte US-Journalist Evan Gershkovich und der in Polen inhaftierte baskische Journalist Pablo González frei.

Dass Journalisten wie der Reporter des Wall Street Journals Evan Gershkovich und der freie baskische Journalist Pablo González über einen Gefangenenaustausch freikommen mussten, hat einen bitteren Beigeschmack. Beiden Journalisten wurde Spionage vorgeworfen. Gershkovich wurde vom russischen Geheimdienst vorgeworfen, er habe die Rüstungsindustrie im Land ausspioniert. Dafür wurde der im März 2023 festgenommene Journalist kürzlich in einem eilig vorangetriebenen Prozess zu 16 Jahren Haft verurteilt. Wie nun bekannt wurde, liefen hinter den Kulissen längst Verhandlungen über seinen Austausch.

Keine Anklage für González

Dem in Russland geborenen Basken González, der über eine spanische und russische Staatsangehörigkeit verfügt, wurde über zweieinhalb Jahre hinweg in Polen vorgeworfen, russischer Spion zu sein. Die Anschuldigungen wurden mit jedem Monat unglaubwürdiger, in denen keinerlei Beweise gegen ihn vorgelegt wurden und auch keine Anklage erhoben wurde. González wurde, Ende Februar 2022 vom polnischen Geheimdienst festgenommen, als er an der Grenze für diverse spanische und baskische Medien nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine über die Flüchtlinge berichtete.

Gegen González wurde daraufhin geheim ermittelt. Er befand sich in Isolationshaft. Seinem Madrider Vertrauensanwalt Gonzalo Boye wurde ein Jahr lang jeder Kontakt zu ihm verweigert. Boye hatte vermutet, man wolle seinen Mandanten über harte Haftbedingungen zermürben, damit er, ähnlich wie Assange schließlich Zugeständnisse mache. Doch das geschah nicht. Hinter dem freien Journalisten stand aber auch kein großes Medium wie bei Gershkovich. Auch eine breite internationale Bewegung wie im Fall Assange gab es nicht. Nicht einmal die sozialdemokratische spanische Regierung hatte, anders als im Fall Assange Australien, etwas für seine Freilassung getan. Der Fall González ging außerhalb Spaniens weitgehend unter.

Zivilgesellschaftlicher Protest

Die öffentliche Empörung wuchs dennoch in Monaten seiner Haft. Ende Juni demonstrierten die Europäische Journalisten Föderation (IFJ-EFJ), Reporter ohne Grenzen und die Föderation spanischer Journalistenorganisationen mit Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen vor der polnischen Botschaft in Madrid für seine Freilassung. Die IFJ-EFJ hatte zuvor auf ihrer Jahrestagung die „sofortige Freilassung“ von González gefordert „Es ist nicht hinnehmbar, dass in einem Land der Europäischen Union ein Journalist unter absoluter Unklarheit über die genauen Anschuldigungen gegen ihn sich seit 27 Monaten in Isolationshaft befindet“, hieß es in der einstimmig verabschiedeten Resolution.

„Vor einem Monat“, erklärte Boye gegenüber M, habe man endlich Akteneinsicht erhalten. Daraus wird für den in Chile geborenen Berater des European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin klar, warum nie Anklage erhoben wurde. „In zweieinhalb Jahren, in denen gegen Pablo in allen Ländern der Welt ermittelt wurde, ist nichts gefunden worden, was ihn mit den russischen Geheimdiensten in Verbindung bringen könnte.“ Trotz allem behauptet der Sprecher des polnischen Innenministeriums Jacek Dobrzynski weiterhin, González sei ein „Offizier“ des Militärgeheimdienstes. Die polnische Justiz stützte sich darauf, dass González zwei Pässe besitzt, einen spanischen und einen russischen.

An ihm soll nun offenbar der Zweifel hängenbleiben, dass an den Vorwürfen doch etwas stimmen könnte, da er im Rahmen des Austauschs von Präsident Wladimir Putin bei der Ankunft empfangen wurde.

Nachdem das Verfahren gegen González in Polen nun eingestellt ist, wie Boye betont, hofft auch seine Ehefrau sie darauf, schnell die Rückkehr ihres Mannes feiern zu können. Doch bis dahin kann noch Zeit vergehen. Da in Polen alle Dokumente von González beschlagnahmt wurden, muss der Journalist nun erst bei einer spanischen Vertretung neue Papiere beantragen. Erst dann ist seine Ausreise möglich.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Ansätze der Wahlberichterstattung

Berichten über Landtags- oder Kommunalwahlen. Wie geht das? Im M – Medienpodcast mit Danilo Höpfner erklärt der Journalist Benjamin Denes, Geschäftsführer der Electronic Media School in Potsdam-Babelsberg, welchen Herausforderungen sich Journalist*innen im Zuge von Wahlberichterstattung ausgesetzt sehen und wie sie mit diesen fachlich genau umgehen können.
mehr »

Immerhin gibt es Presse

Der Iran gehört zu den repressivsten Ländern weltweit für Journalist*innen. Hunderte wurden strafverfolgt, inhaftiert oder hingerichtet. Medien unterliegen systematischer staatlicher Kontrolle, das Internet wird umfassend zensiert und überwacht. Dennoch wird viel über den Iran berichtet und viele Iraner*innen nutzen soziale Medien. Es gibt einen öffentlichen politischen Diskurs. Ein Gespräch mit dem Historiker Arash Azizi.
mehr »

Schon entdeckt? Gazer

„Viel Spaß beim Gaffen!“ wünscht das Redaktionsteam des Hamburger queerfeministischen Erotikmagazins seinen Leser*innen. Soeben ist die dritte Ausgabe erschienen. Es gibt Interviews mit Drag Queens und Erotikfotograf*innen, Comics und empowernde Fotostrecken, Ratgeber zu Selbstbefriedigung und toys zur Selbstbefriedigung. Das Magazin will informieren, aufklären, anregen und Lust machen. Besonders wichtig ist es den Herausgeber*innen, Raum für diverse Körper und Lebensentwürfe zu schaffen.
mehr »

Filmtipp: Die Schule der Frauen

Für Marie-Lou Sellems dokumentarisches Debüt blicken fünf Kolleginnen, die in den Achtzigern an der Essener Folkwang-Schule Schauspiel studiert haben, auf ihre Karriere zurück. Erst spät, dann aber umso intensiver beschäftigt sich der Film mit der Frage, warum Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter keine Rollen mehr bekommen.
mehr »