Verbessertes Klima durch neue Richtlinien mit Blick auf Olympia
Seit 1997 arbeitet Georg Blume, 44, als Korrespondent in China, er schreibt für Zeit und taz. Als im März in Tibet Unruhen ausbrachen, war er als einer der wenigen westlichen Reporter vor Ort. Einige Tage später wurde er aus Lhasa ausgewiesen.
Im Interview mit Menschen Machen Medien schildert er Probleme bei der Recherche in China.
M | Unter welchen Einschränkungen haben Sie bei Ihrer täglichen Arbeit in China zu leiden?
GEORG BLUME | Beim Recherchieren in der Provinz funken die Behörden immer wieder dazwischen. Besonders gern versuchen sie Gesprächspartner einzuschüchtern oder von Interviews abzuhalten. Außerdem sind Regierungsbehörden für ausländische Korrespondenten schwer zugänglich. Insgesamt aber hat sich das Klima seit der Einführung neuer Richtlinien im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen, die ausländischen Journalisten grundsätzlich Recherchefreiheit garantieren, erheblich verbessert.
M | Dennoch bekamen Sie selbst zuletzt in Tibet die Grenzen der Freiheit zu spüren. Gibt es spezielle Themen, deren Recherche so gut wie immer behindert wird?
BLUME | Tibet und die muslimisch geprägte Provinz Xinjiang sind die Regionen, in die ausländische Journalisten bis heute nur mit einer speziellen Reiseerlaubnis fahren können. Diese wird aber nur selten erteilt. Ich habe deshalb bewusst die Regeln missachtet, als ich im Zuge der Unruhen nach Lhasa reiste. Allerdings weiß man, dass solche Regelverstöße normalerweise nicht bestraft werden. Lhasa aber war dann aufgrund der Ereignisse ein besonderer Fall. Mir wurde mit dem Entzug des Visums gedroht – und das klang glaubwürdig.
M | Auch die Rolle der Armee dürfte ein Tabu darstellen, oder?
BLUME | Militärische Themen sind grundsätzlich sehr schwer zu recherchieren. Chinas Generäle lassen sich nur bei Paraden und Show-Veranstaltungen auf die Finger sehen. Umweltthemen sind dagegen ein Leichtes. Hier gibt es regelmäßig Unterstützung von Umweltschutzgruppen und zunehmend auch von Behörden.
M | Ist es Ihnen auch nach der Ausweisung aus Tibet noch möglich, über die Region zu berichten?
BLUME | Man muss jetzt auf die Nachbarprovinzen der Autonomen Region Tibet ausweichen, in denen ohnehin die meisten Tibeter leben. Zwar sind auch hier viele Klöster abgesperrt, doch mangelt es nicht an Gelegenheiten mit aufständischen Tibetern und ihren Sympathisanten zu reden.
M | Die chinesische Führung hat zugesagt, dass sich während der Olympischen Spiele 25.000 Journalisten frei im Land bewegen können. Ist das realistisch?
BLUME | Natürlich ist das realistisch. Die Frage ist nur, wieweit die Kolleginnen und Kollegen ihre Möglichkeiten ausschöpfen und damit der KP-Propaganda einen echten Strich durch die Rechnung machen können. Viele von ihnen werden kein Chinesisch sprechen, sie bräuchten Dolmetscher, um im Land herumzukommen und mit den Leuten zu reden. Die Redaktionen werden Dolmetscher aber oft nicht bezahlen, Die Gefahr ist groß, dass die meisten zur Gegen-Propaganda ausholen. Schon bei Ankunft der olympischen Fackel in Peking erzürnten sich viele westliche Reporter völlig unangemessen über die Sicherheitsvorkehrungen am Tiananmen-Platz. Bei einer solchen Veranstaltung wären diese im Westen aber kaum anders gewesen.