Radio-Journalistin aus Zagreb zog gegen kroatischen Premierminister erfolgreich vor Gericht
Meist ist es für Politiker nicht leicht, sich die Namen sämtlicher Journalisten zu merken, mit denen sie zu tun haben. Einen Namen wird der kroatische Premierminister Ivo Sanader allerdings so schnell nicht vergessen: Jelena Berkovic. Die 25-jährige Journalistin des Radiosenders 101 ist erfolgreich gegen ihn vor Gericht gezogen, um an Informationen zu gelangen, die ihr die staatliche Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verweigert hatte.
„Ich hätte die Auskünfte vielleicht auch auf anderem Wege erhalten können, wenn ich mich als Journalistin direkt an die oberen Stellen gewandt hätte“, so Berkovic im Gespräch mit «M». Aber es sei ihr um das Prinzip gegangen. Seit zwei Jahren existiert in Kroatien das sogenannte „Gesetz über den Zugang zu Informationen“ – ein Äquivalent zum deutschen „Informationsfreiheitsgesetz“ und dem amerikanischen „Freedom of Information Act“. Es verpflichtet die Behörden zur Herausgabe von Informationen an jeden Bürger des Landes, innerhalb von 15 Tagen nach Eingang einer mündlichen oder schriftlichen Anfrage.
Besonders in einst sozialistisch regierten Ländern wie den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens sind mehr als eine Dekade nach der politischen Zeitenwende viele Staatsbedienstete noch nicht in der Gegenwart angekommen. Mit einer ausgeprägten Beamtenmentalität benötigen sie schon für einfachste Arbeitsvorgänge Wochen oder Monate. Unliebsame Anfragen werden gar komplett ignoriert und ausgesessen. Doch damit sollte es wohl künftig zumindest in Kroatien anders aussehen. Dank Jelena Berkovic, die hartnäckig geblieben ist und nach mehreren erfolglosen schriftlichen und telefonischen Anfragen vor Gericht zog.
Die Inspiration dazu erhielt die fast zierlich und verletzlich anmutende Journalistin während einer Reise durch die Vereinigten Staaten, bei der sie viel Kontakt mit investigativ arbeitenden Kollegen hatte. „Alle haben einheitlich gesagt, dass der Zugang zu staatlichen Informationen die Basis für ihre journalistische Arbeit ist.“ Völlig normal sei es für die amerikanischen Kollegen, Informationen gerichtlich einzufordern, wenn sie von den zuständigen Stellen verweigert werden. Schnell habe auch Berkovic sich dann nach ihrer Rückkehr nach Zagreb entschieden, Rechtsmittel einzulegen. „Es hat für mich aber sowieso nicht so fern gelegen, etwas derartiges zu machen“, sagt sie und fügt lachend hinzu, dass sie schon seit ihrer Kindheit als unbequeme und problematische Person gelte.
Verantwortungslose Institutionen
Konkret ging es in der umstrittenen Anfrage um die Arbeit der staatlichen Abteilung für interne Revision. Dort sind laut Jelena Berkovic sechs Mitarbeiter angestellt, die für höhere Stellen Berichte über interne Verfehlungen schreiben. Aber niemandem in der Öffentlichkeit seien die Abteilung oder die Ergebnisse ihrer Arbeit bisher bekannt gewesen. Nachdem die für Auskünfte zuständige Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit die Herausgabe der angefragten Informationen anderthalb Jahre verzögerte hatte, verklagte Berkovic die verantwortliche übergeordnete Instanz – den kroatischen Premierminister Ivo Sanader. Die Behörden zeigten sich im Laufe der Verhandlungen als erschütternd unaufrichtig. So habe der Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit mehrmals fälschlich behauptet, der Klägerin das gewünschte Material bereits herausgegeben zu haben. Es hätte beim Pförtner zum Abholen bereit gelegen.
Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis im September 2005 das Gericht den Prozess zu Gunsten der Klägerin entschieden hat. Sie begründet ihren Erfolg damit, dass ihr außer der Justiz auch die Medien und die Öffentlichkeit zur Seite gestanden und sie unterstützt hätten. Die staatlichen Institutionen kritisiert sie als hochmütig und inkompetent. Sie seien sich überhaupt nicht der Verantwortung gegenüber den Menschen bewusst, denen sie eigentlich dienen sollen. Letztendlich zeige ihr Fall, dass die gegenwärtige Regierung genauso wie die meisten Politiker die normalen Bürger nicht respektieren würde, wenn sie sich ohne die Unterstützung von Institutionen mit einem Anliegen an sie wenden. „Wir werden viele Fälle wie diesen brauchen und viel Zeit wird vergehen müssen, bis wir den Standard erreichen, den wir als zukünftiges EU-Land brauchen.“ Die junge Kroatin sieht aber auch das Verhalten ihrer eigenen Landsleute in einem kritischen Licht. Die meisten hätten noch nicht realisiert, was Demokratie bedeute. Sie würden immer noch darauf warten, dass jemand anderes für sie ihre Probleme löst. „Wenn Du auf Mauern stößt, solltest Du nicht warten, bis sie umfallen, sondern Deine eigenen Fenster hineinbrechen.“
Links
Gesetz über das Recht auf den Zugang zu Informationen (in kroatischer Sprache)
Zakon o pravu na pristup informacijama (172/2003): www.nn.hr
Transparency International Kroatien www.transparency.hr