Australische Medien müssen zahlen

Richterhammer

Bild: 123rf

Nach rund dreieinhalb Monaten ist das spektakuläre Verfahren gegen ursprünglich 36 Journalist*innen und Medienunternehmen in Australien beendet. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, gegen eine gerichtliche Nachrichtensperre im Prozess gegen den australischen Kardinal George Pell wegen Kindesmissbrauchs im Dezember 2018 verstoßen zu haben. Der Prozess gilt als einzigartig für ein demokratisches Land, weil er offenbart, wie eingeschränkt die Pressefreiheit in Australien weiterhin ist: durch Gesetze, die noch aus der britischen Kolonialzeit stammen. 

Eigentlich waren drei Prozesswochen anberaumt. Doch dann kam es zu einer fast zweimonatigen Pause. Wie sich herausstellte, war dem Prozess, der auch in den USA und Europa für Schlagzeilen sorgte, ein nachrangiges Verfahren vorgezogen worden. Nach Wiederaufnahme am 28. Januar wurden zunächst mehrere Redakteure vernommen, darunter Alex Lavelle, früherer Chefredakteur von Melbournes führender Tageszeitung The Age. Lavelle sagte aus, juristischen Rat eingeholt, die Schärfe der Schweigeverfügung jedoch verkannt zu haben.

Schließlich kam es Mitte Februar zu einem Deal zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Die Anklage verzichtete auf die Strafverfolgung der Journalist*innen, denen bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Gefängnis drohten. Im Gegenzug bekennen sich die beklagten Medienhäuser schuldig, die Nachrichtensperre missachtet zu haben. Die zwölf Unternehmen, die ein Schuldanerkenntnis abgegeben haben, erklärten sich zu einer Übernahme von Prozesskosten von umgerechnet 420.000 Euro bereit. Die leitenden Reakteur*innen von Tageszeitungen und prominenten Radio- und Fernsehmoderatoren des Landes vor dem Gefängnis bewahrt zu haben, könnte für die Medienunternehmen aber noch teuer werden. Nach dem Schuldbekennnis drohen ihnen nun zusätzliche Strafzahlungen von umgerechnet 320.000 Euro.

Eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft bekräftigte nach Ende der Verhandlung, dass Strafen in dieser Größenordnung durchaus angemessen seien. Die Verteidigung entgegnete, dass die Medien Kardinal Pell namentlich nicht genannt und auf die Veröffentlichung von Prozess-Details verzichtet hatten. Insofern habe es sich um keinen schwerwiegenden Bruch der verhängten Sperre gehandelt. Strafen sollten entsprechend gering ausfallen. Richter John Dixon wird in den nächsten Tagen und Wochen über das Strafmaß beraten. Sein Urteil dürfte er laut Einschätzung der Verteidigung aber erst „in einigen Monaten“ fällen.

Bis dahin könnte es aber zu weiteren Prozessen kommen. Staatsanwältin Lisa de Ferrari hatte in ihrem Plädoyer zu Prozessbeginn darauf hingewiesen, in einem neuen Verfahren auch ausländische Medien belangen zu wollen. Diese hatten nämlich ebenfalls über die Verurteilung Pells berichtet.

Laut deutschen Jurist*innen gilt bei Verletzung einer internationalen Nachrichtensperre jedoch das Tatortprinzip. Da die Pressefreiheit in Deutschland  höher bewertet wird als in Australien, wo diese nicht in der Verfassung steht, gilt eine Auslieferung deutscher Journalisten an die australische Justiz als äußerst unwahrscheinlich. Ausländische Journalist*innen und Vertreter*innen von Medienunternehmen, denen die Missachtung einer Schweigeverfügung zur Last gelegt wird, könnten aber bei der Einreise nach Australien – auch nachträglich – noch belangt werden.

Vor Verhandlungsende sagte eine Vertreterin der Anklage, das Verfahren habe sich bisher noch nicht gegen ausländische Medien gerichtet. Es bleibt also unklar, ob und wann die australische Justiz ein weiteres Verfahren anstrebt.

Weitere aktuelle Beiträge

Türkei: Kurdische Journalisten in Gefahr

Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Media and Law Studies Association (MLSA) standen zwischen dem 4. und 7. März mindestens 21 Journalisten vor türkischen Gerichten. Diese Zahl mag für deutsche Leser*innen schockierend sein, in der Türkei sind diese Ausmaße juristischer Verfolgung von Journalist*innen leider alltäglich. Unter dem Ein-Mann-Regime von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht es mit der Meinungs- und Pressefreiheit im Land immer düsterer aus. Auch die jüngsten Daten der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG) zeigen deutlich, dass der Druck auf Journalisten wächst.
mehr »

RBB will Fehler analysieren

Der RBB räumte bereits schwerwiegende Fehler bei der Berichterstattung über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar ein. In einer internen Sondersitzung soll nun ein weiteres Vorgehen geklärt werden. Um den Aufklärungsprozess „konstruktiv zu begleiten“, habe der rbb-Programmausschuss für kommenden Montag eine Sondersitzung einberufen, so der Sender. Darin soll es offenbar um die Ergebnisse des Untersuchungsberichts der Beratungsfirma Deloitte gehen.
mehr »

Filmtipp: Dietrich Bonhoeffer

Das unter anderem mit August Diehl und Moritz Bleibtreu sehr gut besetzte Drama setzt einerseits ein Denkmal für den Widerstandskämpfer. Andererseits ist es umstritten, weil Dietrich Bonhoeffer im Zusammenhang mit dem Film durch rechtsnationale amerikanische Evangelikale instrumentalisiert wird. Zum US-Start waren die Nachfahren des im KZ hingerichteten deutschen Theologen entsetzt, wie sein Vermächtnis „von rechtsextremen Antidemokraten" und „religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht" werde. Inhaltlich ist die Aufregung unbegründet. Trotzdem ist der Film nur mit Abstrichen sehenswert.
mehr »

Beschwerde gegen BND-Gesetz

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) ein. Damit reagieren die Organisationen auf ungenügende Reformen des Gesetzes, das den Schutz von Medienschaffenden nicht ausreichend berücksichtigt. RSF und GFF erwarten sich von der Entscheidung ein Grundsatzurteil, das nicht nur Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben wird, sondern auch Strahlkraft in die anderen Mitgliedstaaten des Europarates.
mehr »