„Bedeutendes Instrument für die Übermittlung kultureller und demokratischer Werte“

Eindeutiges Bekenntnis des Europäischen Parlaments zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Das Europäische Parlament hat sich auf seiner September-Sitzung erneut eindeutig hinter den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa gestellt und Forderungen zur Stabilisierung dieses Rundfunksystems erhoben. Dies geht aus einem Entschließungsantrag hervor, der auf Initiative der britischen sozialistischen Abgeordneten Carole Tongue zustande kam.

In dem Papier unterstreicht das Parlament nochmals seine bereits bei der Diskussion um den Rundfunkbegriff eingenommene Position, daß Hörfunk und Fernsehen nicht automatisch unter das europäische Wirtschaftsrecht fallen, sondern ein bedeutendes Instrument „für die Übermittlung kultureller und demokratischer Werte bleiben wird“. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa würden eine „entscheidende Rolle bei der Förderung lokaler, regionaler, nationaler, europäischer und anderer Kulturen außereuropäischen Ursprungs, die innerhalb der Union zusammenleben und eine Bereicherung der kulturellen Vielfalt darstellen“, heißt es in der Erklärung weiter.

Daraus resultiert nach Ansicht der Abgeordneten auch die Notwendigkeit, Rundfunk nicht nur als Ware und Dienstleistung zu begreifen.Als Grundversorgungseinrichtung der Bevölkerung für Information und Kultur müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Kernangebot in der Informationsgesellschaft begriffen werden. Er stelle nicht nur einen wichtigen Investitionsfaktor für europäische Produktionen dar, sondern könne aus seinen reichhaltigen Archiven multimediale Produktionsangebote entwickeln. Mit Vehemenz spricht sich das Europäische Parlament auch dafür aus, daß massenattraktive Übertragungsrechte, z.B. für Sportveranstaltungen, dem Grundversorgungsprogramm der öffentlich-rechtlichen Runkfunkanstalten zugänglich sein müssen. Das Parlament fordert deshalb die EU-Kommission auf, die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern.Dazu gehöre auch, die unterschiedlichen Finanzierungssysteme in Form von Zuschüssen und Gebühren als legitim zu betrachten. Die EU-Kommission soll auf jede Maßnahme verzichten, „die die Autonomie der Mitgliedsstaaten bei der Regulierung der Finanzierungssysteme ihrer jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rundfunksysteme gefährden könnten“. In diesem Zusammenhang wird die Kommission auch aufgefordert, den Erlaß einer gemeinsamen Charta bzw. eines gemeinsamen Verhaltenskodex der öffentlichen Sendeanstalten in Europa sicherzustellen. Die Kommission müsse garantieren, daß öffentlich-rechtliche Sendungen alle Bürgerinnen und Bürger erreichen.

Mit Sorge betrachtet das Parlament die Medienkonzentrationsentwicklung in Europa, die sich negativ auf die Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Rundfunksysteme auswirke. Die Kommission soll hiergegen Initiativen ergreifen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus dem Richtlinienentwurf über Medienkonzentration und Meinungsvielfalt herausnehmen. Wegen der besonderen Bedeutung dieses Rundfunksystems für Demokratie und Kultur Europas müßten auch europäische Finanzierungshilfen gegeben werden.An die Adresse der Rundfunkanstalten selbst richtet das Europäische Parlament den Appell, „multikulturelle Programme zu stärken“ und damit dem Bildungs- und Informationsauftrag gerecht zu werden. Damit könne ein wesentlicher Beitrag zur Entstehung eines europäischen und demokratischen öffentlich-rechtlichen Raums geleistet werden. Schließlich werden die Rundfunkanstalten aufgefordert, durch eine innere Reform „für eine kohärente, stabile und realistische Finanzierung“ ihrer Programme zu sorgen und die Unabhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Interessen sicherzustellen.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Die Entstehung des ÖRR in Deutschland

Im Jahr 1945 strahlten die deutschen Radiosender Programme der Militärregierungen aus. Zum Beispiel Norddeutschland. Dort hatte der nationalsozialistische Reichssender Hamburg am 3. Mai seine Tätigkeit eingestellt. Nur wenige Stunden später besetzten britische Soldaten das Funkhaus und schon am 4. Mai erklang eine neue Ansage: „This is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government.”
mehr »

KI sitzt am Redaktionstisch

Erst vor wenigen Jahren hat ein Großteil der Menschen überhaupt erfahren, was Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis bedeutet. Genauer gesagt: Viele Menschen haben mit ChatGPT einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Maschinen Texte formulieren, Prüfungsaufgaben in Sekundenbruchteilen lösen oder umfangreiche Artikel in wenigen Sekunden auf wesentliche Inhalte zusammenfassen. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zieht die generative KI seitdem ein.
mehr »

Faktenchecks: Metas Rechtsschwenk

Verdrehter scheint es kaum zu gehen: Vor vier Jahren, am 7. Januar 2021, sperrte Meta die Konten von Donald Trump auf Facebook und Instagram. Das war die Reaktion darauf, dass seine Anhänger, angefeuert durch seine Äußerungen, das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Auf den Tag vier Jahre später erklärt der Meta-Konzernchef die Finanzierung der Faktencheck-Programme für null und nichtig, die vor allem Lügen und Desinformation einordnen sollten. Correctiv kritisiert den Rechtsschwenk vor dem Hintergrund der bisherigen Zusammenarbeit mit Meta.
mehr »