Israelische Regierung propagandistisch in der Defensive
So dominant Israel im bewaffneten Konflikt mit dem Libanon aufgrund seiner militärischen Übermacht auftrat, so sehr geriet es propagandistisch in die Defensive. Für die Staatsführung in Jerusalem war der kurze Waffengang in den Libanon ein informationspolitischer Super-Gau. Dabei hatte sie durchaus eine Medienstrategie parat.
Knapp zwei Wochen nach dem 12. Juli, dem Beginn der Angriffe hatte Ehud Olmert auf die negativen Schlagzeilen in der internationalen Presse reagiert. Ende Juli berichtete die Nachrichtenagentur AFP von einer Anweisung des israelischen Ministerpräsidenten an seine Kabinettsmitglieder, den akkreditierten Fernsehsendern mehr Interviews zu geben. Die Minister mussten dafür zuvor ein Kommunikationstraining durchlaufen, um Fauxpas zu vermeiden. Parallel zu der Medienoffensive im Land warb Olmerts Stellvertreter Schimon Peres während einer Europa-Reise, die ihn unter anderem in die deutsche Talk-Show „Sabine Christiansen“ führte, für „den israelischen Standpunkt und die Ziele des Landes“. Nach Angaben seines Beraters Joram Dori hatte der 82-jährige Friedensnobelpreisträger gut ein Dutzend solcher Auftritte.
Auch in Israel wurden ausländische Berichterstatter während des Krieges in Libanon außergewöhnlich umsorgt. Zuständig dafür war das „Goverment Press Office“ (GPO), das Presseamt der Regierung. Tagtäglich machte die Regierungsstelle den ausländischen Korrespondenten gut ein Dutzend Gesprächs- und Reportagevorschläge: Interview mit Ärzten, die traumatisierte Kinder behandeln. Treffen mit ehemaligen Soldaten, die von den Milizen der Hisbollah inhaftiert worden waren. Der Besuch einer Klinik für behinderte Kinder, „die nun mit ihrer Angst vor den Raketenangriffen fertig werden müssen“. Die Angebote waren zahlreich – und vor allem bequem. Bei vielen dieser Termine standen Gesprächspartner in mehreren Sprachen zur Verfügung.
Auf eigene Faust losgefahren
Matthias Gebauer, der nach Beginn des Konfliktes für Spiegel Online als Korrespondent nach Israel reiste, sah durch diese außergewöhnliche „All-inclusive-Versorgung“ vor allem kleinere Sender beeinflusst. „Ausgearbeitete Ideen für Reportagen, Busfahrt und Mittagessen inclusive, ausgewählte Experten zu Militärfragen – all das kommt ganz von allein“, schrieb Gebauer. Viele Journalisten hätten dieses Angebot gerne angenommen. Wie sein Redaktionskollege versuchte auch Alexander Schwabe, die Betreuungsfalle zu umgehen. „Ich habe bei der GPO Telefonnummern abgefragt und bin ansonsten auf eigene Faust losgefahren“, sagte er im Gespräch mit M. Als er aber einen verwundeten Soldaten im Krankenhaus in Haifa besucht habe, hätten zwei Presseoffiziere seinem Interviewpartner Vorgaben gemacht. Danach sei er gebeten worden, einzelne Angaben aus Sicherheitsgründen nicht zu veröffentlichen: Das waren jedoch „Details, die für meine Geschichte nicht von entscheidender Bedeutung waren“, so Schwabe. Spiegel Online habe diesen Vorgang am Ende des entsprechenden Artikels vermerkt.
Weil das Gros der Korrespondenten so reagierte, sieht auch der Historiker und Medienexperte Gerhard Paul von der Universität Flensburg Israel in seinem Versuch gescheitert, „die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten zu beeinflussen“. Die Regierung in Jerusalem habe zunächst Bilder zeigen wollen, wie sie aus dem ersten US-irakischen Golfkrieg bekannt seien: „Detonationen, aber keine Opfer“. Die Hisbollah hingegen habe auf die Bilder der Opfer gesetzt und damit die Behauptung eines sauberen Krieges desavouiert. „Es sind die Bilder der Zerstörung Beiruts und der toten Kinder in Qana, die in Erinnerung bleiben werden“, sagt Paul.
Keine Medienhoheit erlangt
Auch für Alexander Schwabe hat Israel keine „Medienhoheit“ erlangen können. Tatsächlich hat das „unproportionale Vorgehen“ (Schwabe) jegliche Gegenstrategie zunichte gemacht. Angesichts von über Tausend Opfern in Libanon und „nur“ knapp 50 Toten auf der Gegenseite hat der Krieg Israel – natürlich – in seiner Übermacht gezeigt. Darauf wiesen auch die Intendanten Thomas Baumann (ARD) und Nikolaus Bender (ZDF) hin, als Israels Botschafter in Deutschland eine unausgewogene Berichterstattung kritisierte. „Wenn es um Opfer geht, dann sieht man überwiegend Libanesen und viel weniger Israelis“, hatte Schimon Stein im Interview mit dem Handelsblatt beklagt.
Daran konnte schließlich auch die intensive Betreuung der Medien nichts ändern. Ganz im Gegenteil: Als am 23. Juli Fotografen in den Ort Kirjat Shmona an der Grenze zu Libanon eingeladen wurden, wo kurz zuvor Raketen der Hisbollah eingeschlagen waren, wurden sie Zeugen einer makaberen Szene: Kinder bemalten Panzergranaten mit Sprüchen wie „To Nasrallah with Love“. Das Bild davon ist inzwischen eine Ikone der anti-israelischen Propaganda.