Nach einem Mord-Prozess in Mosambik drehte der Wind in Richtung Pressefreiheit
Der Prozess um den Mord am Journalisten Carlos Cardoso erschüttert Mosambik. Die Mörder wurden bestraft – jetzt wartet das Land auf die Verurteilung des Präsidentensohnes Nyimpine Chissano.
Das Leben schreibt doch die besten Geschichten. Welcher Autor hätte sich diese Schlusspointe erlaubt: Just in dem Augenblick, als Richter Paulino die Urteile verkündet, schwebt der Organisator der Mördertruppe und Hauptangeklagte in dem Prozess um den Mord an Carlos Cardoso auf dem Flughafen von Maputo ein. Der kleine Hannibal, Anibal dos Santos Junior, der im September aus dem Hochsicherheitsgefängnis der mosambikanischen Hauptstadt befreit wurde und seitdem auf der Flucht gewesen ist, steigt leutselig winkend aus dem Charterflugzeug. Dieselbe Polizei, die seine Flucht erst ermöglichte, geleitet ihn unter den Kameras der Weltpresse zurück ins Gefängnis. „Ich will nach Mosambik“, hat er noch im benachbarten Südafrika gerufen, wo er am Tag zuvor gefasst wurde. Jetzt ist er wieder zurück – für die nächsten 28 Jahre und 6 Monate.
Keiner der Angeklagten kommt mit weniger als 23 Jahren davon: Der Finanzhai „Nini“ Momade Assif Abdul Satar ebenso wie die beiden Todesschützen, Carlitos Rachid und Manuel Escurinho Fernandes, und die anderen Hintermänner, der Bankier Vincente Ramaya und Nini’s Bruder Ayob. Damit hat das Gericht der Forderung nach der Höchststrafe von 24 Jahren für alle Angeklagten voll entsprochen. „Der Prozess war sicher bedeutend für die mosambikanische Gerichtsbarkeit“, mussten selbst die Verteidiger eingestehen.
Unglaubliche Absprachen
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Männer aus dubiosen Finanzkreisen den Journalisten Carlos Cardoso im November 2000 wegen seiner Nachforschungen zum Skandal um die Banco Comercial de Moçambique (BCM) zum Schweigen bringen wollten. Die drei waren auch die Hauptnutznießer des 14-Millionen-Dollar-Betruges, der in der von Vincente Ramaya geleiteten Filiale der BCM-Bank stattfand. Es gefiel ihnen nicht, dass die Recherchen des umtriebigen Journalisten Carlos Cardoso immer mehr öffentliches Interesse fanden. Darum wurde der Mord an Cardoso beschlossen.
Unglaubliche Absprachen zwischen den Grossen der Finanzwelt und den Eliten der regierenden Kaste kamen im Prozess zu Tage. Schließlich wurde Nyimpine Chissano, ältester Sohn des Staatspräsidenten, von dem Angeklagten Nini Satar schwer belastet. Geradezu physisch spürbar war in Maputo die Spannung, als Nyimpine Chissano in den Mittelpunkt rückte. Satar betonte immer wieder, dass Nyimpine den Mordauftrag gegeben hätte und er nur der Finanzier des Unternehmens war. Aber Nyimpine war – zunächst – erfolgreicher: Er, so ist man in Maputo überzeugt, sorgte dafür, dass Anibalzinho aus dem Gefängnis verschwand. Nur dieser hätte bestätigen können, dass nicht Nini, sondern „o filho do grande“ (der Sohn vom Grossen) der eigentliche Auftraggeber war.
Nyimpine Chissanos war im Prozess nur als Zeuge geladen. Aber selbst wenn er nicht an dem Mord an Carlos Cardoso beteiligt war – was ist das für ein Geschäftsmann, der rückdatierte Schecks ohne Empfängereintrag an solch zwielichtige Gestalten wie die Brüder Satar zur Deckung von Schulden übergibt? Die Beträge machten das Gericht schwindelig und ließen es minutenlang darüber grübeln, wie viele Nullen eigentlich 16 Milliarden Meticais (800.000 Euro) haben.
Nyimpine Chissano muss sich verwundert die Augen gerieben haben, als jetzt gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde – gegen ihn, der stets glaubte, über dem Gesetz zu stehen. Doch der Wind in Mosambik hat gedreht. Die Tage um die Urteilsverkündung waren noch einmal von dieser angespannten Mischung aus Neugier, Skepsis und ungläubigem Staunen geprägt: Es scheint eine neue Zeit anzubrechen: „Es muss Schluss sein mit dem Morden und mit der Straflosigkeit“, erklärt ein mosambikanischer Journalist. Er zählt die Namen derer auf, die in den letzten Jahren getötet wurden, weil sie ehrlich waren und im Wege standen – „aber es ist ein Licht an Ende des Tunnels“.
„Man muss die Courage des Richters und der mosambikanischen Justiz ausdrücklich loben“, bestätigt auch Phillip van Nierkerk vom Komitee zum Schutz der Journalisten. Und die „Notícias“ – die regierungsnahe Tageszeitung – wählte Richter Augusto Paulino bereits zum „Mann des Jahres 2002“.
Seit dem Prozessbeginn stehen journalistische Ethik und der Ehrencodex der Presse in Mosambik wieder hoch im Kurs. Viel hat dazu der staatliche Fernsehkanal TVM und das Nationale Radio beigetragen, die das Verfahren im gesamten Land bekannt gemacht haben. Wo man auch war in Mosambik, überall gruppierten sich die Menschen vor den Fernsehern oder pressten ein Transistorradio ans Ohr.
Garant besserer Zukunft
Der bekannteste Schriftsteller des Landes, Mia Couto, hatte beklagt, dass das Leben in Mosambik von Haien und Ziegen geprägt ist: Von den Finanzhaien und den Ziegen, die immer da fressen wo sie angepflockt sind. „Heute“, so schreibt er in einer Kolumne „ist Carlos Cardoso zum Garanten für eine bessere Zukunft geworden“. Und der südafrikanische „Mail&Guardian“ nennt den Prozess „Cardosos letzten, größten Report“. Nur Nina Berg, die norwegische Witwe Cardosos, bemerkt in der Fülle der Ehrenbezeugungen: „Ja, ich bin erleichtert, aber Carlos wird niemals wieder zurückkommen.“
Ulrich Tietze
Regionalkoordinator des Kinderhilfswerkes terre des hommes in Maputo/Mosambik