Cepra auf Sendung

Knotenpunkt eines Radionetzwerkes im bolivianischen Cochabamba

Cepra ist Bildungszentrum und Radiostation in einem. Dort setzt man sich seit 1981 für den freien Zugang zur Information ein – anfangs im konspirativen Widerstand gegen die Diktatur. Heute ist Cepra Juniorpartner des bolivianischen Kommunikationsministeriums und organisiert mit Partnern wie der Deutschen Welle die journalistische Fortbildung kommunaler Radiomacher. Ein Besuch in Cochabamba.

Radiomacherin Laura Peña Villareal im Studio bei der Arbeit – seit 22 Monaten ist die studierte Journalistin bei Cepra dabei. Foto: Knut Henkel
Radiomacherin Laura Peña Villareal im Studio bei der Arbeit – seit 22 Monaten ist die studierte Journalistin bei Cepra dabei.
Foto: Knut Henkel

Laura Peña Villarroel reckt den Daumen in die Höhe. Ihr Kollege am Computer lässt die rote Aufnahmelampe aufleuchten und im Studio beginnt eine junge Frau ins Mikrofon zu sprechen. Melodisch und voll klingt ihre Stimme und Redakteurin Peña Villarroel nickt zufrieden. Sie ist eine der Verantwortlichen für die Produktion von Hörspielen auf Quechua, einer der beiden in Bolivien weit verbreiteten indigenen Sprachen. Mehr als zwanzig Hörspiele hat das Team vom „Zentrum für radiophone Produktion und Weiterbildung“ (Cepra) im Laufe der Jahre auf Quechua produziert. „Hinzu kommen mehr als ein Dutzend in Spanisch und immerhin zwei in Aymara“, so María Dolores Arce, Direktorin der Institution, mit stolzer Stimme. Aymara heißt die zweite große indigene Ethnie Boliviens, der auch Präsident Evo Morales angehört.

Dolores Arce, Direktorin von Cepra in Bolivien Foto: Knut Henkel
Dolores Arce, Direktorin von Cepra
in Bolivien
Foto: Knut Henkel

María Dolores Arce gehört zum Gründungsteam der alternativen Bildungseinrichtung in Cochabamba, der viertgrößten Stadt Boliviens, rund zweihundert Kilometer von La Paz entfernt. Die Radioaktivisten haben sich im Juli 1981 das Ziel gesetzt, mehr und auch andere Informationen über den Äther in die Dörfer zu bringen. „Damals war Diktator Luis García Meza Tejada an der Macht und abends ab 21 Uhr gab es eine Ausgangssperre. Mit unseren Hörspielen und Radioreportagen wollten wir den tradierten Informationskreislauf durchbrechen“, schildert die Cepra-Direktorin den Ansatz.

Bergarbeiterradios mit langer Tradition

Die meisten Medien waren damals in der Hand der Herrschenden und der sie unterstützenden Eliten – außer einigen kleinen kommunalen Sendern und den Bergarbeiterradios. Letztere sind eine bolivianische Besonderheit, denn der Bergbau und seine kämpferischen Kumpel haben eine lange Tradition. „Schon Ende der 1940er Jahre hatten die ersten Belegschaften ihren eigenen Sender. So informierten sie sich über und teilweise auch unter Tage über alles Mögliche und Unmögliche“, so Juan Ordoñez Caetano. Der Mann mit den optimistisch funkelnden Augen ist Journalist, ebenfalls ein Cepra-Urgestein und für die Konzeption der Fortbildungskurse am Zentrum verantwortlich. Die sind ein Eckpfeiler der Arbeit der Institution, die sich als Bildungseinrichtung und als Knotenpunkt eines Radionetzwerks versteht, wo selbst produziert und gesendet wird. Die Hörspiele, aber auch Radioreportagen und Infospots gehören dazu, die auf der eigenen UKW-Frequenz auf 100,9 ausgestrahlt werden. Zudem sind sie aber auch über die etwa neunzig kooperierenden Radiostationen landesweit zu hören.
Als Cepra anfing, gab es noch nicht einmal halb so viele unabhängige Sender in Bolivien. Dazu zählen die schon erwähnten Bergbausender ebenso wie eine ganze Reihe progressiver Kirchensender wie Radio Pío XII. Die in Cochabamba ansässige Station wurde vom kanadischen Geistlichen Roberto Duret mit gegründet, der auch zu den Mitinitiatoren von Cepra gehört. Doch es gibt auch andere Sender wie „La Voz del Campesino“ (Stimme der Bauern) aus Mizque, einem rund zwei Stunden Fahrzeit von Cochabamba entfernten Dorf. Die Radiostation wurde vor fünfzehn Jahren von Ireneo Peña, einem einfachen Bauern, auf die Beine gestellt. „Mein Vater hatte einfach Lust etwas anders zu machen. Er ist über den Aufbau von Musikanlagen bei Dorffesten mit der Technik in Kontakt gekommen und wurde neugierig“, erklärt seine Tochter Laura Peña Villarroel. Mit 15 Jahren ist sie beim Vater als Sekretärin eingestiegen, hat dann die ersten Beiträge gemacht, schließlich an der Uni Journalismus studiert, und nun produziert sie seit knapp zwei Jahren Beiträge und Hörspiele bei und für Cepra. „Mein Vater hat mich auf den Geschmack gebracht“, sagt die 26-jährige lachend und nimmt die Kopfhörer ab, über die sie die Aufnahme des Hörspiels verfolgt hat. Wieder ist eine Folge im Rechner und wird in ein paar Wochen ausgestrahlt werden.
Längst setzt Cepra auf digitale Technik, sendet über Satellit und berät die Radiomacher in den Dörfern bei der Wahl der Technik. Verantwortlich dafür ist Luis Salazar. Er koordiniert auch die technische Fortbildung der Radiojournalisten aus den Dörfern. In drei Regionen hat das insgesamt fünfzehnköpfige Cepra-Team das Land aufgeteilt: in den Osten, den Westen und das Tiefland. Dort finden reihum technische Schulungen und journalistische Fortbildungsseminare statt. Landesweite nationale Treffen der kommunalen Radios sind logistisch aufgrund der oftmals schwierigen Infrastruktur eine echte Herausforderung. „Vor zwei Jahren haben wir alle 110 Radiojournalisten unseres Netzwerkes zusammengebracht. Das hat viel Motivation und viel Austausch gebracht, ist aber sehr arbeitsintensiv“, erklären Direktorin Arce und Seminarleiter Ordoñez Caetano lachend. Auch die Kosten haben es in sich, obwohl die autonomen, kommunalen Sender heute vom Kommunikationsministerium gefördert werden.
Das Ministerium ist erst in den letzten Jahren unter der Regie der Regierung von Präsident Evo Morales entstanden. Mit dem Gesetz 164 wurde 2011 die Demokratisierung im Medienbereich vorangetrieben. Seitdem gibt es eine Informationspflicht der Medien und bei der Vergabe von Frequenzen und Konzessionen haben auch alternative Player eine reelle Chance. „Das liegt daran, dass die Struktur im Radiosektor gesetzlich vorgegeben ist“, meint Juan Ordoñez Caetano.
Je 33 Prozent der Frequenzen entfallen auf staatliche und kommerzielle Akteure, während für indigene und bäuerliche sowie soziale und kommunale Organisationen je knapp 17 Prozent der Frequenzen reserviert sind. Eine direkte Folge ist, dass die Zahl der kommunalen Radios von 44 auf knapp 90 hochgeschnellt ist. Davon profitiert auch Cepra. Nicht nur weil das Kommunikationsministerium über das Zentrum den Aufbau von Dorfradios fördert, sondern auch weil das Radio nun auch als Informationsmedium auf dem Land wahrgenommen wird. Dort ist es die Informationsquelle Nummer eins, denn fehlende Stromversorgung und Analphabetismus sind dafür verantwortlich, dass Fernsehen und Zeitung wenig verbreitet sind. So ist der batteriebetriebene Weltempfänger zum Beispiel immer dabei, wenn Benjamin Vargas in Laphia aufs Feld geht oder wie heute mit einigen Nachbarn an seinem Haus baut. „Über das Radio erfahren wir, was unten in Tikipaya und Cochabamba passiert, wie das Wetter wird und was sich lohnt anzupflanzen“, erklärt der Bauer. Er lebt rund 40 Kilometer entfernt von Cochabamba, in dem auf einer Hochebene gelegenen Dorf Laphia. Diese Informationen sind dem 33-jährigen Gemeindesprecher wichtig, aber auch Beiträge über Investitionsprojekte, Interviews und Informationen zu Gesundheit und Bildung.

Unterstützung durch die Deutsche Welle

An diesem Punkt hat Cepra in den letzten Jahren angesetzt, um die Qualität der Sendungen zu verbessern. Seminare zur Interviewführung wurden genauso durchgeführt wie solche zur Aufbereitung von Themen wie Migration oder Klimawandel. Dabei wird Juan Ordoñez Caetano seit einiger Zeit auch von der Deutschen Welle unterstützt. Die hat, gefördert aus dem Entwicklungsetat, die Radioreporterin Linda Vierecke nach Bolivien geschickt. Sie ist bei den Seminaren nun mit von der Partie und das hat für Laura Peña Villarroel einen positiven Effekt. „Wir lernen, unsere Realität aus unterschiedlichen Perspektiven anzuschauen. Dadurch werden unsere Beiträge differenzierter“, meint sie und stellt den Computer aus. Sie hat Feierabend und freut sich auf ein freies Wochenende in ihrem Heimatdorf Mizque.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Problem mit der Leidenschaft“

Lena Hipp ist Professorin für Soziologie an der Universität Potsdam und leitet die Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Mit M sprach sie über „Gute Arbeit“, Stressoren im Journalismus und weshalb die Trennung von Arbeit und Privatleben für Medienschaffende so wichtig ist.
mehr »

Türkische Presse im Visier der Justiz

Der Journalist Nedim Türfent berichtet über die Situation von Medienschaffenden in der Türkei. Sein Film "Ihr werdet die Macht der Türken spüren!" über die schikanöse Behandlung kurdischer Bauarbeiter erregte große Aufmerksamkeit und brachte ihm 2015 einen Journalistenpreis ein - und 2016 seine Verhaftung. Er wurde gefoltert und zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Die meiste Zeit davon verbrachte er im Hochsicherheitsgefängnis in der östlichen Stadt Van. Türfent wurde am 29. November 2022 nach sechs Jahren und sieben Monaten Haft entlassen. Schon wenige Monate später arbeitete er wieder als Journalist. Zurzeit nimmt er an einem Stipendium für bedrohte…
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »