Deutsche Verlage in osteuropäischen Zeitungsmärkten

Deutsche Verlage haben in den letzten Jahren mit kräftigen Investitionen in Verlage und Druckereien stattliche Anteile in den Medienmärkten Osteuropas erworben. In zwei Beiträgen wird die Entwicklung der Zeitungs- und Zeitschriftenangebote in Polen, Ungarn, der Tschechischen und Slowakischen Republik sowie in Bulgarien gegeben. Zunächst wird das Engagement in den Zeitungsmärkten dargestellt.

Die Aktivitäten könnten unterschiedlicher kaum sein: die einen verlegen Zeitschriften mit Millionenauflagen, die anderen kleinauflagige Wochenzeitungen; die einen bauen neue Standbeine fürs eigene Unternehmen auf, die anderen verstehen ihre Aktivitäten als flankierende Maßnahme zum Stammgeschäft, dennoch machen sie das gleiche: sie expandieren mit Printmedien nach Osteuropa. Kaum hatten die politischen Umwälzungen für geöffnete Märkte gesorgt, zogen Verleger aus dem Westen nach Osten.

Die Investitionen aus Westeuropa wurden im Osten oft mit Argwohn begleitet, vor allem in der sensiblen Medienbranche. Gerade deutschen Investoren schlugen Ressentiments entgegen, die von immer noch frischen Erinnerungen an die deutschen Besatzer geprägt waren. Der „Ausverkauf nationaler Medienbetriebe“ war ein Politikum. Doch scheint – von Bulgarien abgesehen – diese Phase der Entwicklung von Normalität abgelöst worden zu sein. Inzwischen werden stattliche Teile der Printmedienmärkte in Polen, Ungarn, der Tschechischen und der Slowakischen Republik sowie in Bulgarien von deutschen Verlagen beherrscht. In Polen beispielsweise wird ihr Anteil im Zeitschriftenmarkt auf 50 Prozent geschätzt.

Betriebswirtschaftlicher Logik folgend gilt auch im Osten: das große Geschäft machen die Großverlage, die kleinen Geschäfte die mittelständischen Verlage. Oft haben sie dabei mit Marktgegebenheiten zu tun, die ihnen aus dem hiesigen Markt fremd sind. „Wir haben in Polen unheimlich viele Erfahrungen gesammelt, wie wir uns im Neuland zu bewegen haben“, resümiert Pressesprecher Roman Köster die Erfahrungen des Heinrich Bauer Verlags.

Ähnliches gilt auch für die kleineren Unternehmen. Der Verlag der „Frankenpost“ in Hof ist schon seit dem Mai 1991 im grenznahen Westen Böhmens mit lokalen Wochenzeitungen engagiert. Die Hofer knüpften mit diesem in Deutschland fast ausgestorbenen Pressetyp an Traditionen aus der alten CSSR an, in der die Lokalberichterstattung vor allem von Wochenblättern mit eng begrenzten Verbreitungsgebieten wahrgenommen wurde. Und sie hatten Erfolg. Inzwischen werden acht Ausgaben verlegt, die insgesamt eine Auflage von über 60000 Exemplaren erreichen. „Die Titel sind in den schwarzen Zahlen“, erzählt Verlagsleiter Günter Hößel. Die Unterschiede zum heimischen Zeitungsmarkt der Franken werden auch im Vertrieb sichtbar. Während hierzulande das Abonnement von herausragender Bedeutung ist, spielt es in der Tschechischen Republik nur eine nachrangige Rolle. Gerademal 9 bis 19 Prozent der Auflage werden von den acht Ausgaben im Abonnement abgesetzt. Der Großteil der Käufer muß jede Woche neu animiert werden, 5 Kronen und 40 Heller für lokale Informationen auszugeben.

„Frankenpost“

Für die „Frankenpost“ war der Schritt über die Grenze aber dennoch nur eine „flankierende Maßnahme“ für das heimische Zeitungsgeschäft. Die lokalen Anzeigenkunden wollen auch die kauffreudigen Tschechen erreichen und nutzen dafür die Wochentitel. Im Grenzland stammt in manchen Einzelhandelsgeschäften jede 5. Mark des Umsatzes aus tschechischen Börsen. Und da das Wochenblatt hierzulande gedruckt wird, hilft es auch, die verlagseigene Druckerei auszulasten.

„Passauer Neue Presse“

Anders als im heimischen Zeitungsmarkt haben es die Franken in Böhmen mit Konkurrenz zu tun. Diese Konkurrenten sind gut bekannt, denn sie kommen aus Passau. Der Verlag der dortigen „Neuen Presse“ wurde ähnlich früh wie die Hofer in Böhmen aktiv. Die Passauer haben auf die Tageszeitungen gesetzt und ein Blatt nach dem anderen in Böhmen aufgekauft. Der Kaufrausch ging sogar soweit, daß die tschechische Kartellbehörde die Aktivitäten untersuchte, letztlich aber nicht eingriff. Die drei Tochterverlage jenseits der Grenze erreichen mit ihren rund 30 Ausgaben heute eine Verkaufsauflage von über 250000 Exemplaren (montags bis donnerstags). Diese Auflage – auch das ist anders als in der Bundesrepublik – schwankt an einzelnen Verkaufstagen stark. Am Freitag wird mit über 475000 Exemplare die höchste Auflage erzielt. Die beigelegte Programmzeitschrift „TV-Magazin“ erweist sich als Magnet. Auch samstags liegt die Auflage um 100000 Exemplare höher als von montags bis donnerstags. Das Geschäft ist anders, aber die Deutschen haben sich längst auf die Besonderheiten ausländischer Märkte eingestellt.

Dies gilt auch für Polen. Die Passauer sind mit diversen Titeln Marktführer im Süden und erreichen am Wochenende eine Gesamtauflage von rund 2 Millionen Exemplaren. Unter der Woche kommen einzelne Titel auf nicht einmal ein Drittel der Wochenendauflage. Den Wochenendverkauf fördert auch in Polen ein Programm-Supplement. Das „Tele-Magazyn“ erscheint in einem Gemeinschaftsunternehmen der Passauer mit dem Deutschen Supplement Verlag, der hierzulande insbesondere die Beilage „rtv“ (6 Mio. Exemplare wöchentlich) verlegt. Auch in der Tschechischen Republik geben die beiden Partner gemeinsam das Programm-Supplement und zwei weitere Beilagen heraus. Dort wird das „TV-Magazin“ nebenbei auch am Kiosk als eigenständiger Titel angeboten. Mit dieser – aus deutscher Sicht ungewöhnlichen Vermarktung – werden rund 200000 Exemplare verkauft.

Ihre ersten Auslandserfahrungen haben die Passauer in Österreich erworben. Schon seit Jahren übersteigt der Umsatz der österreichischen Tochter jenen in Deutschland. Und in den letzten Jahren haben die Töchter in Polen (ca. 150 Millionen Mark) und der Tschechischen Republik kräftig aufgeholt. Vom Gesamtumsatz in Höhe von rund 850 Millionen Mark dürften allenfalls 250 Millionen in Deutschland erlöst werden. Die Passauer sind damit eine Ausnahme in der deutschen Verlagswirtschaft. Kein Zeitungshaus weist auch nur einen annähernd so hohen Auslandsanteil am Umsatz aus.

Für andere Zeitungsverlage ist das Auslandsengagement nur eine Nebentätigkeit, wie bei der „Frankenpost“, oder ein zweites Standbein. Dies gilt zum Beispiel für den Verlag der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf. Die Düsseldorfer sind in der Tschechischen Republik dort vertreten, wo die Passauer nicht sind: in den beiden mährischen Regionen rund um Brünn und um Ostrau. Die Düsseldorfer verlegen dort jeweils eine Regionalzeitung und zudem in Prag die größte Zeitung des Landes „Miada Fronta Dnes“. Jenseits der slowakischen Grenze sind sie an drei Titeln beteiligt, von denen zwei für die ungarische Minderheit produziert werden.

„Rhein-Zeitung“

Auch der Verlag der „Rhein-Zeitung“ ist mit inzwischen vier Regionalzeitungen ein gewichtiger Marktteilnehmer. Zuletzt wurde das Boulevardblatt „Express“ gegen eine Regionalzeitung mit Ringier getauscht, und die Koblenzer beweisen Mut. „Wir haben im Mai in Brünn eine weitere Ausgabe gestartet, aber inzwischen ist der Markt weitgehend verteilt“, schätzt Marketing-Leiter König die Marktentwicklung ein. Für die im Juni offiziell eröffnete Druckerei in Prag könnte der Mittelrhein-Verlag noch weitere Objekte brauchen, denn noch liegt die Auslastung erst bei 60 Prozent. Die zweite Druckerei in Olmütz ist dagegen ausgelastet. Zu dieser Auslastung trägt auch ein Anzeigenblatt bei, das im ganzen Land verbreitet wird und in anzeigenstarken Zeiten eine Auflage von bis zu 1,5 Millionen Exemplaren pro Woche erreicht.

Springer

Inzwischen ist auch der Springer-Konzern in Prag aktiv. Springer hat von seinem Aktionär Leo Kirch einen Anteil von 49 Prozent am tschechischen Tochterverlag des Schweizer Unternehmens Ringier übernommen. Im Zeitungsmarkt verbreitet das Unternehmen landesweit insbesondere den Boulevardtitel „Blesk“ (Blitz). Wochentags kommt der Titel auf 250000 Exemplare, die Sonntagsausgabe erreicht 60000 Exemplare. Auch das zweite Blatt, „Lidove Novini“, wird landesweit verkauft (90000 Exemplare). Weitere Tages- und Wochenzeitungen sowie vor allem Zeitschriften werden über das Gemeinschaftsunternehmen mit Ringier zudem auch in der Slowakischen Republik verlegt.

Viel stärker ist Springer in Ungarn vertreten, wo allein für die Zeitungen 440 Mitarbeiter beschäftigt werden. Von der Sozialistischen Partei hat der Konzern sieben Regionalzeitungen zunächst mit einem ausgeklügelten Coup kostenlos übernommen. Erst später wurde dann eine „Entschädigung“ gezahlt. Mit diesen Titeln avancierte Springer von einem Tag auf den anderen zum Marktführer in Ungarn. Als die Partei im Sommer 1990 auch die restlichen Regionalzeitungen verkaufte, blieb Springer von diesem Deal ausgeschlossen. Immerhin konnte das österreichische Beteiligungsunternehmen Bronner-Verlag aber Anteile an zwei weiteren Blättern übernehmen, von denen eine schließlich bei Springer landete.

WAZ-Konzern

Der Deal der Partei ist damals im Inland auf scharfe Kritik gestoßen, denn damit wurden alle ungarischen Regionalzeitungen – meist sogar mehrheitlich – an ausländische Investoren verkauft. Unter den Käufern waren auch der WAZ-Konzern sowie die „Krone“ aus Österreich, an der die WAZ beteiligt ist (siehe M 1/97). Beide Verlage kauften Anteile an jeweils zwei Blättern. Eine weitere Beteiligung ging zunächst an ein französisches Unternehmen, das später von Gruner+Jahr übernommen worden ist. Zuvor hatte der Konzern bereits 50 Prozent des auflagenstärksten ungarischen Blatts übernommen, der überregionalen Zeitung „Nepszabadsag“.

Insgesamt geriet damit der größte Teil der ungarischen Tagespresse unter die Kontrolle von deutschen Verlagen. Auch in der Tschechischen Republik dominieren deutsche Unternehmen die Zeitungsbranche. In der Slowakischen Republik sind Springer und die „Rheinische Post“ vertreten. Seit 1994 besitzt Gruner+Jahr einen Anteil von 51 Prozent an der größten Zeitung des Landes, dem Boulevardblatt „Novy Cas“. In Polen ist der Passauer Verlag in den südwestlichen Landesteilen Marktführer. Noch gewichtiger ist inzwischen die Marktstellung des WAZ-Konzerns in Bulgarien.

 

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