Honduras: Kommunale Radios als Gegengewicht zu Regierungsmedien
Seit dem Militärputsch vom Sommer 2009 geht ein tiefer Riss durch die Medienlandschaft von Honduras. Die großen Blätter und Sender stehen auf der Seite der Regierung. Das einzige Gegengewicht bilden die kommunalen Radios wie „Radio Uno“.
Der kleine Sender aus San Pedro Sula ist eine Stimme des Widerstands und kann immerhin von fast zwei Millionen Honduranern gehört werden. Redaktionsleiter Eduardo Coto Barnica (Foto, 61 Jahre) gehört zu den auch international bekannten Journalisten des Landes. Wie andere auch wurde er in den letzten zwei Jahren mehrfach verhaftet, wiederholt verfolgt und konnte mehrfach fliehen.
M | Wie beurteilen Sie die Mediensituation in Honduras. Gibt es eine objektive Berichterstattung?
EDUARDO COTO BARNICA | Nein, die gibt es nicht und die freie Meinungsäußerung wird systematisch behindert. Es gibt Redakteure, die sehr gut für ihre Berichterstattung bezahlt werden. Da wurden und werden Meinungen gekauft. Das mag unglaublich klingen, aber es ist die Wahrheit. Journalisten, die ihre Berichterstattung nicht den Wünschen der großen Medienkonzerne anpassen, finden sich schnell außerhalb des Mediensystems von Honduras wieder.
M | Wann haben Sie begonnen zu realisieren, dass es in den großen Redaktionen nicht mehr allein um eine objektive Berichterstattung geht?
BARNICA | Das war ein schleichender Prozess. Ich bin der Meinung, dass die Qualität der Berichterstattung bereits seit zwanzig Jahren rückläufig ist. Im Juni 2008 war allerdings eine stärkere Einflussnahme der Eigentümer auf die Berichterstattung feststellbar und wenige Tage vor dem Putsch wurden zahlreiche Redakteure in den Medien des Landes aussortiert.
M | Wo haben Sie damals gearbeitet?
BARNICA | Ich war Pressechef in einem der großen Kanäle des Landes, Televisión Hondureña. 15 Tage vor dem Putsch gegen die legitimierte Regierung wurde ich entlassen. Darüber hinaus habe ich bei „Radio Norte“ eine Sendung am frühen Morgen geleitet. Dort wurde der Redaktionsleiter einen Monat vor dem 28. Juni 2009, dem Tag des Putsches, entlassen.
M | Das klingt als ob man die Medien von unbequemen Kollegen gesäubert hätte …
BARNICA | Das war Teil der Medienkampagne, die man damals vorbereitet hat, um einen Staatsstreich zu einer verfassungskonformen Ablösung der Regierung zu deklarieren.
M | Welche Bedeutung hat ein Sender wie „Radio Uno“ in diesem Kontext?
BARNICA | „Radio Uno“ hat eine beachtliche Reichweite, weil im Umfeld von San Pedro Sula rund zwei Millionen Menschen leben. Dass sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung. Zusammen mit den Kollegen von „Radio Progreso“, in der gleichnamigen Nachbarstadt, versuchen wir die Hörer darüber zu informieren, was im Land passiert. Dazu gehören eben auch die Informationen über die „Frente Nacional de Resistencia Popular“, die Protestbewegung gegen den Putsch vom 28. Juni 2009.
M | Gibt es weitere Sender und wie sind sie strukturiert?
BARNICA | „Radio Globo“ in Tegucigalpa, „Radio Gualcho“, dessen Direktor vor ein paar Monaten verstarb, „La Voz de Occidente“ in San Rosa de Copán oder „Radio Coco Dulce“ an der Altlantikküste, ein Sender der Graifuna- Minderheit. Das sind die wichtigsten alternativen Sender des Landes, die dafür sorgen, dass die Berichterstattung nicht vollkommen einseitig wird. Sie entgiften das Informationsangebot, das von den Fernsehsendern und den drei landesweit verbreiteten Zeitungen El Heraldo, La Tribuna und La Prensa dominiert wird. Diese Medien befinden sich in den Händen von einigen wenigen wirtschaftlich starken Familien. Die Wahrheit und damit die Berichterstattung werden von ihnen festgelegt. Was legal ist, wird ebenfalls von ihnen definiert.
M | Wie bekommt man in Honduras unabhängige Informationen?
BARNICA | Es sind die alternativen Radios, die über die andere Seite der Medaille, über Widerstände, die Verfolgung der Opposition, die Ermordung von Bauern im Süden des Landes wegen der Landkonflikte berichten. Sie liefern Informationen, die in den regierungstreuen Medien nicht auftauchen. Und zumeist arbeiten die Kollegen hier ehrenamtlich. Ich zum Beispiel unterrichte an der Schule Journalismus und betreue parallel den Sender, der eigentlich ein Ausbildungsinstrument ist. Wir nutzen ihn gemeinsam mit den Schülern. Das ist nicht ungefährlich. Das Gebäude von „Radio Uno“ wurde schon einmal vom Militär gestürmt, das eine oder andere Auto wurde angezündet, unsere Antenne, die außerhalb der Stadt steht, sabotiert und es hat Versuche gegeben, Mitglieder der Redaktion zu entführen. Letztlich sind wir glimpflich davongekommen, denn seit dem Staatsstreich sind mehr als ein Dutzend Kollegen ermordet worden. Ich selbst konnte mehrfach entkommen.
M | Es scheint nur wenige Kollegen zu geben, die sich für den medialen Widerstand entschieden haben?
BARNICA | Ja. Das stimmt und manchmal geht der Schnitt mitten durch die Familie. Mein Sohn arbeitet in einer der Putsch- Redaktionen und verdient gutes Geld. Ich habe ihm das journalistische Handwerk beigebracht, nicht beigebracht habe ich ihm allerdings wie die latente Korruption hier funktioniert. So fährt er Geländewagen und ich Bus. Für einen Vater ist das hart und wir haben keinen Kontakt mehr.
M | Haben Sie die Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte?
BARNICA | Ja, die habe ich, aber dafür brauchen wir eine verfassungsgebende Versammlung, einen echten Neuanfang, der nicht von den regierenden Familien manipuliert wird. Außerdem müssen wir aus der Geschichte lernen und den Nachwuchs besser ausbilden. Hier funktioniert das ganz gut, denn die Schüler von 17, 18 Jahren sorgen dafür, dass bei „Radio Uno“ alternative Beiträge über den Äther gehen.
Das Gespräch führte Knut Henkel