Effektivität und Emanzipation?

Europäische Journalisten-Föderation (EJF) konnte sich nur zu zaghaften Reformschritten durchringen

Manche Kongresse sind wie Operationen, nach denen der Arzt den Patienten fragt, ob er die gute oder die schlechte Nachricht zuerst hören möchte. Im Fall der EJF lauten die Antworten: Die auch von der dju zu entrichtenden Beiträge steigen bis 2007 um 20 Prozent, geplante Reformen sind nur „Reförmchen“ – einziger Trost: ein anspruchsvolles Arbeitsprogramm.

Jährlich treffen sich die EJF-Mitgliedsorganisationen, um Erfahrungen auszutauschen und Arbeitsschwerpunkte festzulegen. Doch nur aller drei Jahre gibt es ein so genanntes General Meeting – diesmal Mitte April in Thessaloniki. Und das ist entscheidend, werden doch für Strukturen, Finanzen und Strategien wichtige Entscheidungen getroffen. Nicht zu vergessen: Das Steering Committee sowie sein Vorsitzender werden für die nächsten drei Jahre gewählt.

Die dju war mit drei klaren Zielen nach Thessaloniki gereist: 1. Beitragserhöhungen durch das Aufzeigen von Wegen zur besseren Mittelverwendung zu vermeiden; 2. mit Satzungsänderungen effektivere Arbeitsstrukturen der EJF und ihres internationalen Daches IJF anzustoßen und 3. zu einem Arbeitsprogramm bis 2007 mit klaren Schwerpunkten wie Urheberrecht, Freienvertretung und europäische Betriebsräte angesichts der EU-Osterweiterung beizutragen. Nicht unwesentlich: Bei den Wahlen sollte Wolfgang Mayer für weitere drei Jahre als Schatzmeister im EJF-Steering Committee vertreten sein.

Letzteres gelang erfolgreich – außerdem arbeitet der DJV künftig durch Michael Klehm in der EJF-Leitung mit. Gustl Glattfelder (DJV), bisher IJF-Vizepräsident und EJF-Vorsitzender, der nicht mehr kandidierte, wurde durch Arne König aus Schweden abgelöst. Außerdem sind weiterhin Finnland, Norwegen, Großbritannien und Zypern im Steering Committee. Ausgeschieden sind Spanien, Italien und Portugal, neu kamen Vertreter Griechenlands und Belgiens rein. Besonders schmerzlich angesichts der EU-Osterweiterung: Kein Vertreter der neuen Beitrittsländer ist im Leitungsgremium der Europäischen Journalisten-Föderation.

Durchwachsen ist eher die Bilanz der Strukturreformen: Nur 8 der 28 zusammen mit der österreichischen djp-Journalistensektion gestellten 28 Anträge zur EJF-Satzungsänderung kamen durch. Dabei standen sie unter dem Motto: mehr Klarheit, höhere Effektivität und Emanzipation der EJF, auch im Verhältnis zur IJF. Immerhin, so die Argumentation der dju, sei es für die vor zehn Jahren als Europa-Gruppe in der IJF entstandene EJF an der Zeit, sich selbst zu reformieren. Angesichts der EU-Osterweiterung, Umbrüchen im Medienbereich und der monetären EJF-Krise sei ein Wendepunkt erreicht, an dem es um finanzielle Konsolidierung und Gerechtigkeit auf solidarischer Basis gehe.

Mehr Rechenschaftspflicht

Zumindest wurde erreicht, dass die IJF-Project Division künftig klarer im Auftrag der EJF und eingebunden in ihr Arbeitsprogramm agiert, dass nun außerordentliche EJF-Kongresse möglich sind, es eine neutrale Antragskommission gibt und das Steering Committee dem aller drei Jahre stattfindenden General Meeting stärker rechenschaftspflichtig ist. Andere wichtige Reformvorhaben wie mehr Befugnisse für die Finanzkommission, die Wahl des EJF-Generalsekretärs (bisher ist das der IJF-Generalsekretär automatisch) und die Verankerung von Regionalgruppen in der Satzung scheiterten an der hohen Hürde Zwei-Drittel-Mehrheit.

Zu Kampfabstimmungen kam es bei der Frage der künftigen Beitragserhöhungen. Delegationen aus mehreren Ländern hatten deutlich gemacht, dass sie zu einer Steigerung der im internationalen Vergleich sowieso schon auffallenden Beitragshöhe weder bereit noch finanziell in der Lage sind. Auch dju und DJV lehnten eine Erhöhung ab. Sie gehören entsprechend ihrer Mitgliederzahl zu den größten Beitragszahlern in der EJF und bestreiten zusammen fast ein Viertel des Etats. Mit Mehrheit stimmten die Delegierten in Thessaloniki für eine zweistufige Steigerung zwischen 2005 und 2007 um 20 Prozent. Ignoriert wurden Alternativvorschläge der Finanzkommission wie auch des EJF-Schatzmeisters Wolfgang Mayer. Die hatten unter Hinweis auf eine gerechtere Mittelverteilung zwischen EJF und IJF sowie die Erschließung neuer Geldquellen die Notwendigkeit derart großer Beitragserhöhungen in Frage gestellt. Wenigstens erhielt ein Antrag der britischen NUJ die erforderliche Mehrheit, der in ähnliche Richtung zielt. Es bleibt abzuwarten, was der IJF-Kongreß im Mai in Athen zu Strukturreformen und ausgewogener Finanzverteilung beschließen wird.

Ermutigendes Highlight des EJF-General Meetings waren in jedem Fall die Debatten und konkreten Beschlüsse zum Arbeitsprogramm bis 2007. Wie ein roter Faden ziehen sich EU-Osterweiterung und Medienumbruch durch die verschiedenen Projekte. So geht es bei der Urheberrechts-AG verstärkt um grenzüberschreitende Fälle und Multimedia, soll eine Datenbank von Tarifverträgen eingerichtet, die Bildung von Betriebsräten und anderen Arbeitnehmer-Interessenvertretungen auch unterhalb der Ebene von Europa-Betriebsräten gefördert werden. Kampagnen für mehr Informationsfreiheit, journalistischen Quellenschutz, Medienqualität, für starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bessere Arbeitsbedingungen für Freie und Geschlechtergleichstellung komplettieren die anspruchsvolle EJF-Agenda.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »

Türkei: Regierung schaltet TV-Sender ab

In der Türkei ist einer der populärsten regierungskritischen TV-Sender für zehn Tage abgeschaltet worden. Gegen Sözcü TV sei eine Strafe wegen wiederholten „Verstößen gegen Sendevorschriften“ verhängt worden, schrieb der Chef der Rundfunkbehörde (Rtük), Ebubekir Sahin, auf der Plattform X. Der Sender kritisiert das Vorgehen als Zensur.
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »