Spaniens Konservative verspielten mit ihrer Informationspolitik die Macht
Spaniens Staatsfunk „Radiotelevisión Española“ (RTVE) soll endlich aufhören, ein Spielball der Parteien zu sein. José Luis Rodríguez Zapatero, Generalsekretär den spanischen Sozialisten, hat nach seinem Sieg bei den Parlamentswahlen am 14. März bekräftigt, dass eine unabhängige Kommission aus Medienexperten, Juristen und Journalisten ein neues Statut ausarbeiten werde, das dem Sender die Unabhängigkeit garantiert.
Zapatero verspricht damit ein Ende der seit der Franco-Diktatur herrschenden Verhältnisse beim spanischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Regierung ernennt den Generaldirektor, der seinerseits vom Programmchef bis hin zum Chefredakteur alle wichtigen Positionen unter Kontrolle hat. Mit diesen Strukturen war RTVE der Lautsprecher der Franco-Diktatur, aber auch aller demokratisch gewählten Regierungen.
Dies wurde auch deutlich bei den schlimmen Attentaten auf vier Nahverkehrszüge in Madrid am 11. März, wenige Tage vor den Wahlen. Die Regierung zeigte sich schon früh sehr sicher, dass die baskische Terrorgruppe ETA die Bomben gelegt habe. Regierungschef José María Aznar rief persönlich die Chefredakteure der größten Tageszeitungen des Landes an, um sie davon zu überzeugen. Auch Korrespondenten erhielten von der Regierung Anrufe. Private Medien mit Zugang zu eigenen Quellen berichteten dagegen schon früh über die Zweifel, die die Ermittlungsbehörden an der offiziellen Version hatten. Lediglich RTVE blieb auf Regierungslinie. Schon die große Demonstration gegen den Terrorismus am Freitag vor der Wahl wurde zu einer Kundgebung gegen die Regierung. „Wir wollen wissen, wer es war“, rief die wütende Menge den Politikern entgegen, darunter auch Außenminister Joschka Fischer. Der Protestmarsch musste abgebrochen werden. Die Zuschauer des Staatsfernsehens erfuhren davon nichts.
Am Samstag sei die Situation im Sender unerträglich geworden, erklärte ein Kollege später. Die Redakteure beschwerten sich, nie selbst recherchieren zu dürfen. Stets würden nur die offiziellen Verlautbarungen verkündet, kritisierte ein vor wenigen Wochen gewähltes „Komitee gegen die Manipulation“ der Belegschaft. Einen Tag vor den Wahlen demonstrierten in Madrid dann Tausende vor dem Sitz der regierenden Volkspartei. Sie warfen ihr vor, auf der ETA-These zu bestehen, weil sie sich davon einen besseren Wahlausgang verspreche. Sender aus der ganzen Welt berichteten live von der Demonstration. RTVE hatte einen Ü-Wagen vor Ort, sendete aber nichts. Erst am Ende der Abendnachrichten erfuhren die Zuschauer in ganzen 28 Sekunden davon.
Das Ende ist bekannt. Die Spanier wählten die Konservativen ab. Regierungschef José María Aznar sieht sich als Opfer einer Kampagne der Medien, die er nicht zu steuern vermochte. Eine Ministerin erklärte, die unabhängigen Journalisten hätten „schamlos den Schmerz der Spanier benutzt“, damit diese an den Wahlen teilnehmen. Bleibt zu hoffen, dass es die Sozialisten nicht bei ihrer vollmundigen Ankündigung für eine Strukturreform bei RTVE belassen.
Hans-Günter Kellner (Madrid)