Entführt im Irak

„Libération“-Korrespondentin seit Anfang Januar vermisst

Am 5. Januar gegen 11 Uhr verließen Florence Aubenas und ihr Mitarbeiter Hussein Hanun el-Saadi in Bagdad ihr Hotel. Seitdem wurden sie nicht mehr gesehen. Mehrmals täglich hatte Aubenas aus Sicherheitsgründen mit der Redaktion von „Libération“ in Paris Kontakt aufgenommen, doch von nun an blieb ihr Telefon stumm.

Vermeintliche Zeugen berichteten von einer Entführung in der Nähe der so genannten Grünen Zone Bagdads, in der die Übergangsregierung und die amerikanische Botschaft untergebracht sind. Offizielle Bestätigungen dafür oder Bekennerschreiben gab es nicht. Dennoch spricht vieles dafür, dass die beiden „Libération“-Mitarbeiter verschleppt wurden, vor allem, weil Iraks Übergangspräsident Ghazi el-Jawar bei einem Besuch in Paris den Vorgang als Entführung bezeichnete. Die französische Regierung spricht weiterhin von einem Verschwinden. Ohnehin meiden die Regierenden in Paris die Öffentlichkeit. Statt laute Protestnoten zu formulieren setzen sie auf Verhandlungen, um die 43-jährige Korrespondentin des linksliberalen Blattes zu befreien. Außenminister Michel Barnier versicherte mehrfach, dass alles getan werde, um Aubenas in Sicherheit zu bringen. In Frankreich geht man davon aus, dass Aubenas und ihr Begleiter von kriminellen Banden verschleppt wurden. Ein politisches Motiv gilt als unwahrscheinlich, weil sich die mutmaßlichen Entführer bis zur Wahl nicht meldeten. Dennoch haben zahlreiche arabische Journalisten und muslimische Verbände in Frankreich und dem Irak an die Kidnapper appelliert, Aubenas und el-Saadi freizulassen.

Die „Libération“-Redaktion schildert Florence Aubenas als erfahrene und beliebte Kollegin. Aubenas berichtete zuvor bereits unter anderem von Konflikten und Kriegen aus Ruanda, Afghanistan, Algerien und dem Kosovo. Und natürlich war ihr bewusst, dass seit dem Beginn des Irak-Krieges vor knapp zwei Jahren 46 Journalisten oder Medienmitarbeiter im Irak getötet wurden. Dennoch flog sie am 16. Dezember nach Bagdad, um im Vorfeld der Parlamentswahlen vom 30. Januar unter anderem über weibliche Kandidaten zu berichten.

Präsident Jacques Chirac setzt weiterhin auf stille Diplomatie – und fordert gleichzeitig die Redaktionen auf, den Irak zu meiden. Damit stößt er allerdings bei den Medien auf Widerspruch. „Bei einem Abzug der Korrespondenten würden US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und el-Kaida-Vertreter Abu Mussab al-Sarkawi die wichtigsten Informationsquellen“, warnt „Libération“-Chefredakteur Serge July. Auch „Reporter ohne Grenzen“ stehen zur Arbeit im Krisengebiet. „Am schlimmsten wäre es, wenn es gar keine Reporter mehr im Irak gäbe“, meint Robert Ménard, Generalsekretär der Organisation.

Ähnlich sieht das Christian Chesnot. Er empfiehlt, dass Journalisten nur für einige Tage im Land bleiben sollten, damit sie für potenzielle Entführer nicht auffindbar sind. Chesnot von „Radio France“ war 2004 zusammen mit Georges Malbrunot vom „Figaro“ 120 Tage in der Gewalt irakischer Entführer.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften. Deshalb schlägt Walmsley Alarm. Unterstützt wird er vom Weltverband der Nachrichtenmedien (WAN-IFRA), dem World Editors Forum, der Canadian Journalism…
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Schwierige Neuanfänge für Exiljournalisten

Für Journalist*innen im Exil ist es schwer, in ihrem Beruf zu arbeiten. Gerade wenn sie aus Ländern kommen, die wenig im Fokus des öffentlichen Interesses stehen. „Ich gehöre zu den Privilegierten“, sagt Omid Rezaee im Gespräch mit M. Der heute 34-jährige ist 2012 aus dem Iran geflohen, weil er dort wegen seiner Berichterstattung verfolgt wurde.Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, floh er zuerst in den Irak und dann nach Deutschland. Hier lebt er seit neun Jahren und arbeitet als Journalist.
mehr »