Neuer ORF-Generalintendant kündigte große Programmreform an
Diese Meldung war dem ORF-Nachrichtenmagazin „ZiB“ an jenem Donnerstagabend den Aufmacher wert: Die Wahl von Alexander Wrabetz am 17. August zum Generalintendanten des österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ORF. Das Ganze war nicht nur eine Überraschung. Es setzte auch einen vorläufigen Schlusspunkt unter die monatelangen Auseinandersetzungen um politische Einflussnahme auf den Sender.
Eskaliert war alles Ende Mai mit der Rede des ORF-Moderators Armin Wolf. Das bekannte Gesicht der Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ (ZiB) hatte auf einer Preisverleihung die hemmungslose Einflussnahme der Politik, zuletzt der konservativen Regierungspartei ÖVP, beim ORF kritisiert. Was bei Mitarbeitern wie ein Befreiungsschlag wirkte, veranlasste die Geschäftsführung unter Generalintendantin Monika Lindner zu harscher Kritik wegen mangelnder Solidarität und öffentlicher Selbstinszenierung.
Blitzschnell gründete sich daraufhin die Internet-Plattform SOS-ORF, die sich voll hinter die Schreckens-Diagnose Wolfs stellte. „Politischen Druck hat es immer gegeben“ erklärte Peter Huemer, Sprecher der Plattform, kurz nach deren Gründung. „Aber solange die Koalition bestanden hat, gab es ein so genanntes Gleichgewicht des Schreckens, und dort hat es auch Freiräume gegeben. Nachdem es jetzt nur eine große Regierungspartei gibt, ist von dem Gleichgewicht des Schreckens nur der Schrecken geblieben.“ Das Niveau des Programms sinke, der politische Druck steige. Die Plattform forderte, dass der ORF wieder öffentlich-rechtliche Qualität liefern solle und die politische Gängelung aufhören müsse. Innerhalb von zwei Wochen unterschrieben 50.000 Menschen den Aufruf zur Rettung des ORF, darunter Prominente wie Klaus-Maria Brandauer und André Heller. Praktisch die gesamte Kunst- und Kulturszene Österreichs schloss sich an. „Die Schreckensgeschichte ist lang“ sagt Huemer, der selbst viele Jahre als Moderator beim ORF und bei 3 SAT gearbeitet hat. Dabei gehe es im Regelfall nicht um die plumpe Intervention. Einfluss genommen werde meist auf subtile Weise. „Es geht um Themen, welche sollen kommen, welche nicht, es geht um Personen, wer kriegt einen Originalton zugesprochen?“ In einer Resolution der Redakteure heißt es: „Seit Jahren appellieren die Redakteure der Zeit im Bild an die ORF-Geschäftsführung, ihre Verantwortung wahrzunehmen und eine unbeeinflusste Berichterstattung zu ermöglichen.“
Parteipolitisch unabhängig
Selbst Politiker bezeichneten die Art, wie die Parteien ihre Kandidaten für ORF-Ämter aufstellen, als unverfroren. So habe die ÖVP-Vizechefin und jetzige Bildungsministerin einem namhaften Auslandskorrespondenten einen Professorentitel überreicht, während sie zu anderer Gelegenheit für eine TV-Debatte einen unliebsamen Journalisten austauschen lies. Auch die Rolle von ORF-Generalintendantin Monika Lindner stand in der Debatte. Lindner gilt den Kritikern als willfährige Vollstreckerin von Regierungsinteressen. Dass sie sich ganz offen mit der Parteiprominenz der regierenden ÖVP zeigt, wurde ihr als mangelnde journalistische Distanz zur Politik ausgelegt.
Angesichts dieser Vorwürfe war der 35köpfige Stiftungsrat des ORF gefragt, praktisch der Aufsichtsrat des Senders. Nach einer Reform 2001 sollte er per Gesetz eigentlich politikfern sein. In der Praxis hätten sich jedoch anstelle der früheren Fraktionen so genannte Freundeskreise gebildet, kritisiert Peter Huemer. Diese Freundeskreise ließen sich den politischen Fraktionen zuordnen, nach denen im Großen und Ganzen abgestimmt werde. „Entsprechend der Mehrheitsverhältnisse im Land spiegelt sich das dann im Stiftungsrat wider“ so Huemer im Mai dieses Jahres. „Das soll sich ändern …, dass jeder nicht nach Parteizugehörigkeit oder Freundeskreis, sondern nach seinen eigenen Vorstellungen abstimmen sollte.“
Die breite gesellschaftliche Diskussion hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie sei ausschlaggebend gewesen, dass die Mehrheit im Stiftungsrat für eine Erneuerung votiert habe, erklärte der Vorsitzende des Gremiums Klaus Pekarek im Anschluss an die Wahl des 46jährigen Alexander Wrabetz zum ORF-Generalintendanten. Die bisherige Amtsinhaberin Monika Lindner, auf die sich vor der Wahl die konservative ÖVP öffentlich festgelegt hatte, unterlag überraschenderweise mit 12 zu 20 Stimmen. Für Wrabetz hatte – sechs Wochen vor der Nationalratswahl – eine politisch ungewöhnliche Koalition gestimmt, eine so genannte Regenbogenkoalition aus Stiftungsräten, die der SPÖ, den Grünen, der BZÖ und der FPÖ nahe stehen. Angeschlossen hatten sich auch zwei der ÖVP nahe stehende Betriebsräte.
Wrabetz, der bisher als kaufmännischer Direktor Mitglied der ORF-Geschäftsleitung war, tritt sein Amt zum 1. Januar 2007 an. Er gilt nun als Hoffnungsträger und hat gleich nach seiner Wahl die größte Programmreform in der Geschichte des ORF angekündigt. Erneuern will er insbesondere den Informationsbereich, mit Bürgersendungen Impulse setzen, um „die Kommunikationsplattform für Diskussionen mit den Bürgern zu werden.“
Messen wird man ihn aber auch daran, wie ernst er seinen Auftrag nimmt, sich als Generalintendant keiner politischen Gruppierung verpflichtet zu fühlen. Überprüfen lässt sich dies erstmals am 21. September, wenn Wrabetz das restliche Direktorium ernennt. Das wird ein Team sein, verspricht er, „wo eine parteipolitische Etikettierung einzelner Personen nicht möglich sein wird.“