Bericht im EU-Parlament – Jahrestreffen Offener Kanäle in Berlin
Während in Deutschland die Offenen Kanäle eine aussterbende Spezies sind und andere Formen von Bürgermedien am Rande geduldet werden, setzt die Europäische Union klare Zeichen.
Das Europa-Parlament hat Ende September erstmals einen Bericht über Bürgermedien im Plenum beraten und abgestimmt. Zugleich verabschiedete das Gremium eine Resolution zur Unabhängigkeit der Medien, wobei den Bürgermedien neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine wichtige Rolle zugewiesen wird.
Als „Durchbruch, der für einen neuen Aufbruch genutzt“ werden soll, bezeichnete die Europa-Abgeordnete Karin Resetarits den von ihr als Verantwortliche erstellten Bericht über alternative Medien in Europa. Darin wird erstmalig definiert, was Bürgermedien sind, welchen Beitrag zu Vielfalt und Medienbildung sie leisten können. Darüber hinaus enthält das Dokument eine Reihe konkreter Empfehlungen. So sollen Bürgermedien als „eigenständige Gruppe neben den kommerziellen und öffentlichen Medien rechtlich“ anerkannt werden, durch die Mitgliedsstaaten und die EU entsprechende Förderung erhalten, mit eigenen Vertretern in den „nationalen Aufsichtsbehörden“ präsent sein und bei „Pflichtbereichen (Must-Carry)“ im Rundfunk- und Telekommunikationssektor beachtet werden
Die Europa-Parlamentsinitiative war Anfang September beim 15. Jahrestreffen der Offenen Kanäle in Berlin von den über 70 Teilnehmern mit Begeisterung aufgenommen worden. Das Bundestreffen mit internationalen Gästen u.a. aus Japan und den USA stand ganz im Zeichen des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs und diente vor allem dem Erfahrungsaustausch und der stärkeren Vernetzung. Ebenso wie EU-Kommissar Jan Figel als Schirmherr in seiner Videobotschaft unterstrichen etliche Redner der Tagung die lokal-regionale Verwurzlung, den direkten Bürgerkontakt und die Lernstätten-Funktion als Vorzüge alternativer Medien. Das unterscheide sie klar von kommerziellen und öffentlichen Medien wie auch von Web-Plattformen wie YouTube.
Auch Wolfgang Thaenert, Direktor der hessischen Landesmedienanstalt LPR und Europa-Beauftragter der deutschen Landesmedienanstalten, wandte sich dagegen, unter Berufung auf die neuen Web-Möglichkeiten Offene Kanäle und nichtkommerziellen Bürgerfunk einzuschränken oder gar abzuschaffen. Das „eine tun, ohne das andere zu lassen“ sei der „Königsweg für die digitale Zukunft“. Neben der Verbreitung auf klassischen Rundfunkwegen sollten im Internet „Mediatheken von Bürgern für Bürger“ entstehen, sagte Thaenert. Angesichts der Kritik an der Umwandlung der offenen Kanäle in NRW in einen Ausbildungs- und Erprobungskanal warnte Thaenert davor, die eine gegen die andere Form von Bürgermedien auszuspielen. Für die Europawahl 2009 kündigte Thaenert in Kooperation mit dem Bundesverband Offener Kanäle ein „grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt von Bürgermedien“ an.
Während der zweitägigen Konferenz in Berlin stellten Teilnehmer ein halbes Dutzend alternativer bzw. Bügermedien-Projekte vor. Dazu gehören Tele K aus Spanien, Mira Media aus den Niederlanden, Nasa TV aus der Slowakei, Resorce Centre Nis aus Serbien und Access TV aus den USA ebenso wie das Projekte Frequenz Plurielle aus Paris. Das neue Projekt Frikanalen aus Norwegen, eine innovative Web- und Digital-TV-Plattform für Bürger und kleine Produzenten, kündigte seinen Sendestart für den 15. Oktober an. Eine Live-Schaltung gab es zur 6. Konferenz japanischer Bürgermedien in Kyoto, und von deutscher Seite stellten sich neben Offenen Kanälen auch die Kinderwelle Radijojo und Radio Corax vor. Vier Workshops fanden beim Offenen Kanal Berlin (OKB) statt, dessen Team „Ereignisfernsehen“ die gesamte Konferenz aufzeichnete und nach der Ausstrahlung auch im Internet zum Abruf bereitstellt.