Für eine „kulturelle Ausnahme“ beim Freihandelsabkommen
„Von der Freiheit zum Freihandel“ titelte der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft seinen Beitrag zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa. Hinter dem Kürzel TTIP steht ein Projekt, das die schwindende Wirtschaftsmacht beider Partner im weltweiten ökonomischen Wettlauf insbesondere mit den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) sowie Japan stabilisieren und ausbauen soll. Es betrifft alle Wirtschaftssektoren vom Fischfang über die Agrarproduktion, Produktionsgüter und Dienstleistungen aller Art sowie diese Bereiche betreffenden Zölle. Der Kultur- und Medienbereich soll(te) ebenfalls einbezogen werden. Dagegen regte sich Widerstand – vorerst mit Erfolg.
EU-Handelskommissar Karel De Gucht hofft beim TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) vor allem auf einen Abbau solcher Hindernisse, die neben den Zöllen den Handel bremsen. Der Schwerpunkt müsse auf „den Schranken liegen, die hinter den Zollgrenzen auftauchen“. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Was den Mediensektor betrifft, geht es dabei um die spezifische Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Der europäische Film ist ohne länderspezifische Förderungen (einschließlich der der Bundesländer in Deutschland) gegen die Übermacht aus Hollywood nicht überlebensfähig. Gleiches gilt für den Buchmarkt mit der Buchpreisbindung. Es braucht deshalb die verbindliche „kulturelle Ausnahme“ im Verhandlungsmandat. Hierfür sind die europäischen Medien- und Kulturgewerkschaften auf die Barrikaden gegangen. Gegenüber der EU- Kommission und dem Parlament, aber auch gegenüber ihren Regierungen.
Vertreter der europäischen Gewerkschaften UNI-MEI, FIM und FIA, an denen ver.di in führenden Positionen beteiligt ist, haben neben den europäischen Regierungen auch EU-Parlamentarier auf Durchsetzung der „kulturellen Ausnahmeregelung“ gedrängt. Das europäische Parlament hatte bei seiner Beratung die Verhandlungen mehrheitlich zwar befürwortet aber gleichzeitig einige Auflagen gemacht. So die Beachtung europäischer Grundrechte und Maßnahmen zum Schutz des Geistigen Eigentums.
Eine ausführliche Beratung im Bundestag war selbstverständlich nicht vorgesehen. Auf Druck insbesondere der im Deutschen Kulturrat vertretenen Organisationen war es durch diesen immerhin noch gelungen, Vertreter der Oppositions-Parteien zur Durchsetzung einer Aktuellen Stunde zu bewegen. Die dort vorgetragenen Postionen und Argumente decken sich in großen Teilen mit denen, die eine Ad-hoc-AG des Deutschen Kulturrates unter Beteiligung unter anderem von ver.di, aber ebenso der ARD, der Literaturkonferenz und der Drehbuchautoren erarbeitet hatte. Diese AG wiederum konnte auf Positionen zurückgreifen, die vom DGB und auch vom Europäischen Gewerkschaftsverbund erstellt worden waren.
Arbeitnehmerrechte
Für ver.di gehen die potentiellen Gefährdungen weit über den Medien- und Kulturbereich hinaus. In einem Brief an die Bundeskanzlerin hatte ver.di-Chef Frank Bsirske deshalb deutliche Bedingungen für das Verhandlungsmandat eingefordert: „Das Abkommen muss klare, verbindliche und durchsetzbare Regelungen zum Schutz und Ausbau von Arbeitnehmerrechten, zum Daten- und Verbraucherschutz sowie von Sozial- und Umweltstandards beinhalten. … Das Abkommen darf nicht zu einer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen oder deren Regulierung behindern.“ Darüber hinaus wird von ver.di Transparenz und die Einbeziehung der Parlamente sowie der Zivilgesellschaft gefordert. In der entscheidenden Runde der Handelsminister im Juni konnte letztlich, allein auf Druck Frankreichs, eine „kulturelle Ausnahmeregelung“ für das Verhandlungsmandat durchgesetzt werden. Diese gilt jetzt; allerdings vorerst. Mit ihrem Votum vom 17. Juni 2013 am Rande des G8-Gipfels haben die Europäischen Staats- und Regierungschef den Startschuss für die Verhandlungen gegeben. Sie begannen am 8. Juli in Washington trotz des derzeit heiß debattierten Spähskandals.
Einen wirkungsvollen Schutz für den Kultur- und Medienbereich könnte nur die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen bieten. Die ist zwar von allen EU-Staaten und der EU selbst unterzeichnet, nicht aber von den USA. Immerhin bietet sie eine völkerrechtliche Grundlage, die die EU und ihre Mitgliedsstaaten bindet. Auch hierauf baut die Argumentation der zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Gewerkschaften auf. Schon bei der Erarbeitung der UNESCO-Konvention hat sich gezeigt, wie wichtig das gemeinsame und abgestimmte Vorgehen ist. Was das TTIP anbetrifft, gibt es noch viel zu tun. Wir müssen den Prozess intensiv weiter verfolgen, Transparenz einfordern und durchsetzen damit demokratische Rechte und Freiheiten nicht dem degenerierten Ordoliberalismus und Ausspähwahn von Law-und-Order-Politikern zum Opfer fallen.