Aussprechen, was sonst keiner wagt
„In jeder Gesellschaft, sei sie demokratisch, diktatorisch oder totalitär, muss ein Journalist die Wahrheit verteidigen. Er muss da sein, wo keiner sein will, das aussprechen, was keiner auszusprechen wagt, schreiben und sprechen ohne Furcht und niemals vom Weg abweichen, auch wenn der Preis dafür Gefängnis, Irrenhaus oder Exil sein kann – oder alles zusammen!“ So formuliert Jesus Zuniga aus Kuba (Bild links) seinen journalistischen Anspruch. Er ist einer der Protagonisten des Dokumentarfilms. „Gefesselte Worte“. Zuniga gehört zu 15 Bewohnern des „Hauses der Journalisten“ in Paris. Sie kommen aus Kamerun, Burundi, Kongo, Haiti, Irak, aus der Ukraine, Sierra Leone und Sri Lanka.
Von Journalistinnen und Journalisten, die in ihren Heimatländern Unterdrückung und Verfolgung, Verhaftungen, Gefängnis, Folter und Morddrohungen ausgesetzt waren, die sich diesem Schicksal nur durch Flucht entziehen konnten – erzählt dieser Film. Sie finden im „maison des journalistes“ ein Dach über dem Kopf, Kollegen, Kontakte, Zeit und Raum, um zur Besinnung zu kommen, um sich zurechtzufinden in einer fremden Umgebung, um eine andere Sprache zu lernen, um erste Schritte in ein neues Leben zu wagen – das nicht immer in dem so engagiert ausgeübten Beruf weitergehen kann. Für sechs Monate können sich hier jeweils 15 Exilanten aufhalten.
Sprachbarrieren, bürokratische Hürden, Desinteresse und Abwehr sind zu überwinden – dabei helfen Philippe Spinau, Leiter des Journalistenhauses, und Danielle Ohayon, Präsidentin des Vereins, Träger des Hauses, unterstützt aus privater Initiative. Bisher haben rund 120 Verfolgte bei ihnen Zuflucht gefunden. Sie sind da, sind Klagemauer, Stütze, Sicherheit für Menschen, die oft zutiefst verunsichert und verzweifelt sind – und einsam. Sie haben ihre Familien zurückgelassen, sie haben selbst Schreckliches erlebt, aber auch ihren Eltern, Ehepartnern und Kindern ist Schlimmes angetan worden. Der Gedanke, sie in dieser Situation zurückgelassen zu haben, ist oft bedrückender als das eigene heimatlose Schicksal.
In ihrem Land hatten sie eine Aufgabe – „In Kamerun war ich wie eine Nachtigall, ich habe gesungen,“ sagt Rémy, wortgewaltiger Radiomacher , der „die Korruption und alles, was im Lande so schief gelaufen ist“, angeprangert hat. „Ich bin zum Sprachrohr derjenigen geworden, die keine Stimme hatten“ Und nun kann in seinem Land niemand mehr seine Stimme hören und im Exil will es niemand. Das macht ihn oft bitter, zynisch, aggressiv und verzweifelt.
Und dass er das zeigen kann, das macht den Film so ehrlich und damit eindringlich: Er verklärt nicht. Wir lernen Menschen kennen mit Gefühl, Leidenschaft für ihren, für unseren Beruf, mit Mut – fassungslos über das Ausmaß der erlebten Barbarei, am „Abgrund der Sprachlosigkeit“, auf dem „Weg der Verzweiflung“ angesichts eines „Horizonts, der sich ihnen verschließt“. Sie haben nicht nur Bitten, sie haben auch Forderungen an uns – zur Veränderung, zum Engagement, zuallererst aber zum Zuhören.