M | Sie wurden aufgrund einer Buchpublikation in Ecuador zu einer Zahlung von 2 Millionen US-Dollar verurteilt. Wie kam es zu dieser hohen Strafe?
Christian Zurita | Wir veröffentlichten 2010 Recherchen über Korruption im Umfeld des Staatspräsidenten Rafael Correa in dem Buch „Der große Bruder“. Correa reagierte mit einem Sturm der Entrüstung. Am Ende folgte das Gericht der Forderung des Präsidenten auf persönlichen Schadensersatz.
Haben Sie den Präsidenten persönlich verletzt?
Wir haben nachgewiesen, dass Famlienmitglieder Correas korrupt sind. Insbesondere Correas Bruder hat sich öffentliche Aufträge erkauft. Und ich bin ganz sicher, dass Rafael Correa davon wusste, ein klarer Grund für einen Rücktritt des Präsidenten.
Die Zahlung wäre Ihr Ruin gewesen. Wieso wurden Sie schließlich begnadigt?
Wir hatten Glück. Rafael Correa hatte gleichzeitig zwei Direktoren von der Tageszeitung El Universo verklagt. Die Kollegen wurden zu 40 Millionen Dollar und mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. El Universo schaltete dann zahlreiche Anwälte ein. Als daraufhin die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte Rafael Correa aufrief, das Urteil zu suspendieren, hat er ihnen öffentlich verziehen. Und uns Autoren des Buches gleich mit. Aber ich bin noch von einer Ministerin auf 500.000 Dollar Strafe verklagt, wegen einer möglichweise fehlerhaften Bildunterschrift.
Lassen sich Medien mit diesen exorbitanten Geldstrafen eingeschüchtern?
Die Geldstrafen sind das eine. Aber es gibt noch andere, dunkle Formen der Verfolgung von Journalisten. Mehrfach setzte die Regierung die Absetzung von Journalisten durch. Ein Fernsehjournalist des Kanals Ecuavisa wurde entlassen, nachdem der Staatspräsident öffentlich behauptete, der Kollege habe in einer Reportage gelogen.
Wie können Sie unter diesen Bedingungen arbeiten?
Ich schreibe mittlerweile als investigativer Redakteur bei der Tageszeitung El Universo. Die Zeitung veröffentlicht die Namen der Journalisten nicht. Sie übernimmt also die volle Herausgeberverantwortung für die Artikel. Aber wenn es zu Klagen kommt, muss die Zeitung die Namen der Autoren nennen.
Wie weit hat der staatliche Druck die Medienlandschaft bereits verändert?
Es gibt eine starke Selbstzensur in allen Medien, vor allem bei Print und im Fernsehen. Der Druck der Regierung ist extrem stark. Daher unterlassen die Medien Berichte über teils äußerst wichtige Themen. Die Titelseiten der Zeitungen bringen immer mehr Internationales. Sensible nationale Informationen können allenfalls im Innenteil und in sehr allgemeiner Formulierung vorkommen. Beim Fernsehen wird heute schon weitgehend geschwiegen.
Ein Journalist darf die Regierung nicht mehr kritisieren?
Kritik gibt es trotz der Verfolgung weiterhin in den Meinungsartikeln. Das Problem ist jedoch, richtige Informationen zu bekommen, wo Transparenz ganz wichtig wäre. Zum Beispiel über die Höhe unserer Staatsverschuldung, über die Kreditverträge mit China, über die Milliardenverträge im Energiesektor. Überall Stille. Wir haben keinen Zugang zu überprüfbaren Informationen. Die Zivilgesellschaft hat keinen Plan und keine Mittel, um gegen diese Undurchsichtigkeit etwas zu tun.
Die Regierung ihrerseits kritisiert die großen privaten Medien des Landes als korrupt und als verlängerten Arm einzelner Unternehmergruppen.
Das ist schlicht falsch. In Ecuador gab es nie eine Medienkonzentration, es gibt keine Medien in den Händen großer Unternehmergruppen. Auf der anderen Seite führt die Regierung Correa nach etlichen Verstaatlichungen mittlerweile 43 Medien im Land. Dort liegt die Konzentration.
Was ändert das jüngst verabschiedete Mediengesetz des Landes daran?
Das neue Kommunikationsgesetz geht noch einen Schritt weiter und macht Information zu einer öffentlichen Dienstleistung, als wäre es etwas wie Wasser oder Strom. Mit diesem Gesetz kontrolliert ein Medienrat mit Regierungsmehrheit die Inhalte verbreiteter Informationen. Der Präsident installiert damit ein System der Kontrolle über die Presse, über die sozialen Netzwerke und über das Internet. Der Rat ist letztlich ein Instrument der Vorzensur. Allein der Fernsehmüll und leichte Unterhaltung werden weiter problemlos existieren. Ecuador riskiert, dass wir bald nur noch eine Stimme haben.
Was unternehmen Sie dagegen? Gibt es Journalistenorganisationen oder Medienverbände in Ecuador, die sich wehren?
Es gibt heftige Reaktionen darauf in der Gesellschaft. Es gibt nur eine journalistische Vereinigung, die „Union Nacional de Periodistas“. Doch die ist zu schwach, ist eher ein Club. Die Journalisten im Land sind traditionell recht scheu, sich zusammenzuschließen. Sie sind mehr Individualisten, und das ist gerade unsere Schwäche.
Sehen Sie einen Ausweg?
Wir müssen umdenken. Wir Journalisten brauchen die Hoheit über die Herausgabe der Medien. Die Zeit ist reif, eine starke Journalistenorganisation aufzubauen. So etwas gab es in Ecuador noch nie.