Honduras: Neustart für Pressefreiheit?

Honduras, Tegucigalpa, Dina Meza, Journalistin und Menschenrechtsaktvistin Foto: Markus Dorfmüller

Honduras ist mit fast hundert Morden in den letzten 20 Jahren ein extrem gefährliches Land für Berichterstatter*innen. 43 Prozent der Journalistenmorde ereigneten sich, so eine Analyse, in der Amtszeit von Juan Orlando Hernández von 2013 bis 2021. Das soll sich unter seiner Nachfolgerin Xiomara Castro ändern. Sie wird heute ihr Amt antreten. Vieles wird davon abhängen, ob Castro ein Schutzprogramm für Journalist*innen zum Laufen bekommt und ob die Justiz endlich ermittelt.

Radio Tenán heißt das Medium für das Pablo Isabel Hernández arbeitete. Am 9. Januar wurde der Radiojournalist in seinem Heimatort San Marcos de Caiquín in Honduras von mehreren Unbekannten erschossen. Hernández hatte sich sowohl für die Rechte seiner Ethnie, der Lenca, engagiert als auch immer wieder auf Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltdelikte rund um das Biosphärenreservat Cacique aufmerksam gemacht. Hernández war als Direktor des kommunalen Radios eine kritische Stimme. Er habe mehrfach Morddrohungen erhalten, berichtet die Journalistin Dina Meza.

„Die Interamerikanische Pressegesellschaft (SIP), das UN-Menschenrechtsbüro in Honduras sowie mehrere Büros der Interamerikanischen Menschenrechtskommission haben den ersten Mord im Jahr 2022 an einem Berichterstatter verurteilt und die zuständigen Behörden aufgefordert, eine rasche, umfassende und unabhängige Untersuchung durchzuführen“, so Dina Meza, Redakteurin mit Schwerpunkt Menschenrecht und Pressefreiheit und Gründerin von „Pasos del Animal Grande“ (Spuren des großen Tieres). „Wir machen eine Zeitung, die sich für Grund- und Menschenrechte engagiert. Wir informieren, unterstützen und begleiten auch hin und wieder Kollegen vor Ort“, sagt die 59-jährige aus Tegucigalpa. Sie arbeitet eng mit Medienorganisationen wie „Reporter ohne Grenzen“ und dem Komitee für die freie Meinungsäußerung „C-Libre“ zusammen. In den letzten Wochen hat sie in mehreren Analysen auf die prekäre Situation der Journalist*innen aufmerksam gemacht.

Hunderte Fälle von Polizeigewalt

„Mehr als neunzig Kolleg*innen starben seit Oktober 2001 nach Attentaten und Anschlägen“, erklärt Meza, die auch die internationalen Kontakte pflegt. Deshalb ist Meza immer dabei, wenn internationale Delegationen in Tegucigalpa vorstellig werden, um die Regierung des Landes zu mehr Engagement für die Pressefreiheit zu drängen. Zuletzt im Oktober 2021 als Emmanuel Colombié von „Reporter ohne Grenzen“ aus Argentinien gemeinsam mit kolumbianischen Kollegen nach Honduras kam. Obwohl es 2021 erstmals seit Jahren keinen Journalistenmord gab, ist die Situation prekär. Ein Beispiel sind die Fälle von Polizeigewalt, die es am Wahltag gegen Journalist*innen gab. Mindestens sieben wurden laut Dina Meza bei der Arbeit behindert und das Komitee für freie Meinungsäußerung „C-Libre“ hat in ihrem Jahresbericht vom Oktober 2021 kritisiert, dass alle 72 Stunden ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit in Honduras registriert wird. Mehr als 2000 sind es dem Jahresbericht zufolge seit 2003.

Das soll sich mit dem Amtsantritt von Xiomara Castro am 27. Januar, ändern, so die Hoffnungen von Dina Meza und etlichen ihrer Kollegen. Darunter auch Leonardo Aguilar von der Redaktion des „Contracorriente“, der auf die Entlassung von 400 Kolleg*innen in der Pandemie hinweist. Sie hoffen auf eine Renaissance der unabhängigen Berichterstattung in Honduras unter der neuen Regierung. „Doch das wird kein Selbstläufer“, so Dina Meza. Sie weiß um die schwache Position der Regierung im Parlament, wo sie bis zum letzten Wochenende nur eine einfache Mehrheit mit etwa 65 Stimmen hatte. De facto haben sich mit Luis Redondo und Jorge Cálix zwei konkurrierende Abgeordnete zu Parlamentspräsidenten wählen lassen: der erste mit 48 Abgeordneten und der Unterstützung der neuen Präsidentin, der andere mit 79 Abgeordneten, darunter die 44 der Nationalen Partei von Juan Orlando Hernández. Das deutet darauf hin, dass Calix, ein Libre-Abgeordneter und bis zum Wochenende Anhänger Xiomara Castros, einen Deal mit der Nationalen Partei gemacht hat.

Das sorgt für eine institutionelle Krise und lässt die Präsidentin mit nur noch 32 statt 50-Libre Abgeordneten zurück. Für Dina Meza ein Rückschlag, der viele Hoffnungen gefährdet,  Reformen im Mediensektor der Landes umzusetzen. Unstrittig ist, dass Journalist*innen besser geschützt werden müssen. Aber auch die Vergabe der Anzeigen sowie die Strukturen in Justiz und bei den Ordnungskräften müssen reformiert werden. „Unter der Regie der Regierung von Juan Orlando Herández war es Usus, dass Sender und Blätter, die Anzeigen von der Regierung bekamen, sich faktisch verpflichteten die Sicht der Regierung detailgenau wiederzugeben.“ Das soll sich unter der neuen Präsidentin ändern, deren Team bereits angekündigt hat mehr für den Schutz der Berichterstatter*innen tun zu wollen. „Ein eigener Etat für den Sicherheitsmechanismus für Journalist*innen ist vorgesehen“, weiß Dina Meza. Das hat auch Emmanuel Colombié von „Reporter ohne Grenzen“ mehrfach eingefordert.

Straflosigkeit muss aufhören

Doch durch die Parlamentskrise ist derzeit kaum absehbar, was die Präsidentin wirklich durchsetzen kann. Immerhin hat sie einen Trumpf im Ärmel, denn als sicher gilt, dass Xiomara Castro die Vereinten Nationen anrufen will, um eine „Internationale Kommission zur Stärkung der Justiz“ ins Land zu holen. Als Vorbild dient die „UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala“ (CICIG), die versucht, die Verpflechtung von Regierung und der mit ihr verwobenen nationalen Partei als Kontrollinstanz der Justiz aufzubrechen.

Straflosigkeit ist nämlich ein Grundproblem in Honduras und dabei sind die Angriffe auf und Morde an Journalist*innen keine Ausnahme. „Von mehr als 90 Journalistenmorden wurde nur ein Handvoll aufgeklärt, in vier Fällen landeten die Täter im Gefängnis, nicht aber die Auftraggeber“, schildert Dina Meza das Problem. Daran könnte sich mit Hilfe einer solchen internationalen Kommission etwas ändern. Doch das wird dauern und vieles hängt davon ab, ob sich die Krise im Parlament noch lösen lässt. Da ist Dina Meza allerdings nicht allzu zuversichtlich.

 

 

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