Identitätsstifter

Südafrika: Kleine regionale Zeitungen erobern ihre Leser

Das Eastern Cape ist das Armenhaus Südafrikas. Mit Ausnahme der kolonial geprägten Metropolen Port Elizabeth und East London ist die zu Apartheid-Zeiten in Homelands zerstückelte Provinz strukturschwach und ohne nennenswerte Wirtschaft – keine guten Voraussetzungen für den lokalen Zeitungsmarkt. Die meisten Gemeinden mussten daher lange ganz ohne lokale Medien auskommen. Ländliche Kleinunternehmer und passionierte Journalisten versuchen das inzwischen zu ändern. Sie wollen nicht nur Papier und Anzeigen verkaufen, sondern ihren lange unterdrückten Gemeinschaften auch eine Identität geben. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt sie dabei.

„Ich habe eine große Leidenschaft für Community-Medien, weil sie eine große Rolle bei der Entwicklung unser Gesellschaft und unserer Leute spielen“, sagt Bongi Bozo in ihrem kleinen Büro in der Walter Sisulu University (WSU) in East London. Bozo ist die Koordinatorin des Eastern Cape Communication Forum (ECCF) – und gleichzeitig die einzige Angestellte der kleinen Nichtregierungsorganisation, die unabhängige, lokale Medien in der Provinz unterstützt. 40 kleine Zeitungen berät das ECCF derzeit, finanziert wird die Arbeit von der GIZ, die Londoner Uni stellt die Räumlichkeiten. Bozo organisiert Workshops für die Lokaljournalisten, die häufig keine journalistische Ausbildung haben, oder hilft bei der wirtschaftlichen Aufstellung der Zeitungen, beim Akquirieren von Anzeigen oder in Layout-Fragen. „Oft sind das ja Ein-Mann-Abenteuer, die brauchen natürlich auch Training, wie sie mit ihren Finanzen umzugehen haben und Einnahmen generieren können“, erklärt Bozo. Unter der fehlenden Professionalität – sowohl hinter den Kulissen als auch bei der Aufmachung – leide sonst häufig die Glaubwürdigkeit.
Mediensprache Nummer eins in Südafrika ist Englisch, daneben erscheinen einige Titel in Afrikaans, der Sprache der weißen Siedler. Die Sprachen der Schwarzen kommen in den Printmedien dagegen – mit einigen regionalen Ausnahmen – so gut wie gar nicht vor. Die Xhosa im ländlichen Eastern Cape, von denen viele kein fließendes Englisch oder Afrikaans sprechen, sind somit weitgehend vom Nachrichtenfluss abgeschnitten, lediglich das staatliche Fernsehen überträgt die Abendnachrichten auch abwechselnd in den verschiedenen afrikanischen Sprachen. Die Lokalzeitungen füllen die Lücke. „Sie behandeln Themen, die die Leute berühren, also fühlen die Menschen sich, als besäßen sie die Zeitung“, beschreibt Bozo das Zugehörigkeitsgefühl und fügt hinzu: „Es macht sehr viel aus, dass die Themen in unserer Sprache kommuniziert werden.“
Trotzdem erscheinen viele der regionalen Zeitungen größtenteils in Englisch, oft angereichert mit einigen Artikeln in Xhosa. Von den Mainstream-Blättern des Landes unterscheiden sie sich trotzdem – inhaltlich und sprachlich. „Unser Englisch ist ein lesbares, wir schreiben für unser Publikum, es hat keinen Wert in hochgestochenem Englisch zu schreiben, die Leute sollen es ja verstehen“, sagt Sivuyile Mbatha, Chefredakteur der Ikamva Lase Gcuwa (Zukunft von Gcuwa). 2008 erschien die erste Ausgabe der Monatszeitung, die in der Kleinstadt Gcuwa und den umliegenden Dörfern in einer 10.000er-Auflage kostenlos verteilt wird. 270.000 Menschen leben im Einzugsgebiet, trotzdem hat es das Blatt nicht leicht. Die Aids-Epidemie hat in manchen Dörfern nahezu die gesamte Generation der 25- bis 45-jährigen ausgelöscht, unter den Alten ist Analphabetismus noch weit verbreitet und die Kinder müssen die Schule häufig vor dem Abschluss abbrechen. Dennoch ist die Zeitung immer restlos vergriffen. „Wir decken Geschichten in den entlegensten Ecken ab und die Leute interessieren sich dafür“, sagt Mbatha. Er teilt sich seinen Schreibtisch in einem kahlen Großraumbüro mit Sithandiwe Velaphi, dem einzigen weiteren Redakteur. „Ich liebe Zeitungen, das ist ein Teil von mir“, erklärt der Zeitungsgründer und Chefredakteur seine Mission.

Große Ziele und wirtschaftliche Zwänge

„Wenn du dich entscheidest, in deinem kleinen Ort zu bleiben, brauchst du diese Leidenschaft“, sagt Aniela Batschari, Journalistik-Dozentin an der WSU. Doch das allein reicht nicht. Ausschlaggebend für den Erfolg der Zeitungen seien immer Partnerschaften mit der lokalen Wirtschaft, sagt die Deutsche, die seit 13 Jahren in Südafrika lebt. Bis 2010 arbeitete sie für den damaligen Deutschen Entwicklungsdienst (DED; eine der Vorgängerorganisationen des GIZ) im Programm zur Stärkung der Zivilgesellschaft als Kommunikationsberaterin beim ECCF. An der Uni hat Batschari eine Studentische Nachrichten Agentur gegründet, die das Netzwerk der dem ECCF angeschlossenen 40 Lokalzeitungen mit kostenlosen Artikeln versorgt und gleichzeitig die angehenden Journalisten mit ihren meist ländlichen Gemeinden verknüpft.
Bei ihren Studenten rennt sie damit offene Türen ein. „Wir sind die Stimmen unserer Gemeinschaft, denke ich“, sagt der 22-jährige Sinawo Hermans stellvertretend. „Es ist unsere Verantwortung, ihre Stimmen hörbar zu machen, denn die Mainstream-Medien gehen nicht in diese Gemeinschaften.“ Große Worte, die die wirtschaftlichen Zwänge aber nicht überwinden können. Ob Hermans sich vorstellen kann, selbst einmal für eine Lokalzeitung zu arbeiten? „Es zahlt sich nicht aus“, sagt er entschuldigend. „Du kannst nicht für 90.000 Rand (9.000 Euro) studieren und dann in eine Community-Zeitung gehen, wo du 1.000 Rand verdienst – das ist ein Verlust.“

 

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