In der Todeszelle

Mumia Abu-Jamal geht vor den Obersten Gerichtshof der USA

Vor mehr als 25 Jahren wurde der US-Journalist Mumia Abu-Jamal wegen des Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt. Mumia bestreitet die Tat. Fast 25 Jahre dauert mittlerweile auch der juristische und politische Kampf um die Aufhebung des Todesurteils.

Nachdem in diesem Jahr die Vollstreckung der Todesstrafe durch ein Bundesgericht vorübergehend aufgehoben wurde, erklärte die Staatsanwaltschaft Mitte Oktober, dass sie diese Entscheidung anfechten will. Die Todesstrafe soll vollstreckt werden. Rechtsanwalt Robert M. Bryan (Bild) aus San Francisco, der Mumia seit 2003 vertritt, wendet sich nunmehr an den Obersten Gerichtshof der USA. Peter Nowak sprach mit ihm in Berlin.

M | Wie sieht der nächste konkrete Schritt im Fall Mumia aus?

ROBERT R. BRYAN | Ich arbeite zurzeit an einen Antrag auf Zulassung eines neuen Verfahrens für Mumia beim Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der USA. Der wird in der ersten Hälfte des Jahres 2009 entscheiden. Davon hängt das Leben meines Mandanten ab.

M | Welche Optionen hat der Gerichtshof?

BRYAN | Es gibt drei Möglichkeiten. Wenn er den Antrag der Verteidigung ablehnt und das Todesurteil wieder in Kraft setzt, sind alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Der Supreme Court kann aber auch entscheiden, dass es ein neues Verfahren nur über das Strafmaß gibt. Dann ginge es um die Frage, ob Mumia erneut zum Tode oder zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wird. Die dritte Option, die wir anstreben, ist die Anordnung eines völlig neuen Verfahrens durch den Supreme Court. Der gesamt Fall würde noch einmal aufgerollt. Dann könnten auch endlich die Beweise in das Verfahren eingeführt werden, die Mumias Verantwortung für den Polizistenmord infrage stellen, wegen dem er zum Tode verurteilt wurde. Ich bin optimistisch, dass Mumia in einem solchen Verfahren freigesprochen werden wird.

M | Wie begründen Sie Ihren Antrag nach einem neuen Verfahren an den Supreme Court?

BRYAN | Mein Hauptargument ist, dass mein Mandant wegen seiner schwarzen Hautfarbe diskriminiert wurde. Das zeigte sich bei der Auswahl der Geschworenen. Die Jury war rein weiß besetzt. Ich bin sehr optimistisch, dass dieses Argument anerkannt wird, nachdem ein Bundesrichter erklärte hat, dass der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung verletzt werde, wenn auch nur ein Jurymitglied wegen seiner Hautfarbe ausgeschlossen wurde. Das ist bei Mumia eindeutig geschehen. Ein weiteres Argument für meinen Antrag ist die falsche Belehrung der Geschworenen. Der Staatsanwalt hatte vor der Urteilsfindung erklärt, die Jury könne ruhig für die Todesstrafe stimmen. Der Angeklagte habe immer die Möglichkeit Berufung nach Berufung einzulegen und die Aufhebung der Todesstrafe zu erreichen.

M | Wie wichtig ist internationale Solidarität für Mumia?

BRYAN | Solidarität hat immer eine wichtige Rolle gespielt. Aber sie muss noch verstärkt werden. Es geht bei unserem Kampf nicht mehr nur um Mumias Leben. Mumia ist verurteilt worden, weil er links, schwarz und arm ist. Er war schon ein engagierter Journalist und politischer Aktivist, bevor er verhaftet wurde. Er hat seine Aktivitäten auch in der Todeszelle nicht eingestellt. Deshalb ist er zum weltweiten Symbol für den Kampf gegen Repression und Todesstrafe geworden.

M | Erfährt er in der Todeszelle von den Solidaritätsaktionen?

BRYAN | Natürlich. Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Als ich ihn telefonisch darüber informierte, dass er vom Vorstand des P.E.N-Zentrums als Vollmitglied aufgenommen wurde, weinte er vor Freude. Endlich wurde er einmal wegen seiner Fähigkeiten und nicht nur als Todesstrafen-Kandidat geehrt.

Weitere aktuelle Beiträge

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »

Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 
mehr »

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »

Türkei: Regierung schaltet TV-Sender ab

In der Türkei ist einer der populärsten regierungskritischen TV-Sender für zehn Tage abgeschaltet worden. Gegen Sözcü TV sei eine Strafe wegen wiederholten „Verstößen gegen Sendevorschriften“ verhängt worden, schrieb der Chef der Rundfunkbehörde (Rtük), Ebubekir Sahin, auf der Plattform X. Der Sender kritisiert das Vorgehen als Zensur.
mehr »