BBC drohen drastische Einsparungen – Gewerkschaften werden nicht informiert
Wie weiter mit der BBC? Darüber wird auf den britischen Inseln gerade heftig gestritten. Alle zehn Jahre wird die den staatlichen Auftrag für die BBC definierende so genannte „royal charter” erneuert. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten zur Reform sowohl im inhaltlich-programmatischen Bereich, als auch was die Finanzierung angeht. Dieses Jahr ist es wieder soweit.
Und ausgerechnet in diesem Jahr ist die BBC mit einer ihr, gelinde ausgedrückt, nicht besonders freundlich gesonnenen Regierung konfrontiert. Für die regierenden Konservativen ist die Sendeanstalt ein Paradebeispiel wuchernder öffentlicher Institutionen in staatlicher Hand, die es mindestens zurechtzustutzen gilt, wenn man sie schon nicht vollständig zerschlagen kann.
Da kommt es den Tories ziemlich gut gelegen, dass der Erneuerungsprozess für die „royal charter” mit der Durchsetzung eines ziemlich heftigen Sparhaushaltes zusammenfällt. „Auch die BBC muss bei dem Vorhaben, den Kontostand unseres Landes wieder auszubalancieren, ihren Beitrag leisten” erklärte Kulturminister John Whittingdale am 16. September. „Diesen Beitrag” leistet die BBC, indem sie die Lizenzgebühren für über 75-jährige Menschen zukünftig aus eigener Tasche zahlen wird. Dem hatte Generaldirektor Tony Hall nach Geheimverhandlungen mit der britischen Regierung zugestimmt. Der BBC werden dadurch Mehrkosten von 700 Millionen Pfund aufgebürdet.
Große Wut.
Die bei der BBC vertretenen Gewerkschaften erfuhren davon erst aus den Nachrichten. Entsprechend groß die Wut von Michelle Stanistreet, der Generalsekretärin der britischen Journalistengewerkschaft NUJ. In einem Interview für die Tageszeitung The Guardian hielt sie mit Kraftausdrücken nicht zurück: „Die richtige Reaktion auf den inakzeptablen Druck der Regierung wäre gewesen, wenn Tony Hall gesagt hätte: ‘Fuck off, kommt schon her, wir werden das bekämpfen.’” Das jedoch ist von der Führungsspitze der BBC nicht zu erwarten. Entsprechend groß die Sorgen bei der Belegschaft, wie Keith Murray zu berichten weiß. Murray ist so etwas wie der oberste Vertrauensmann der NUJ bei der BBC. Als solcher kommt er viel herum, kennt die Ängste und Nöte der Gewerkschaftsmitglieder in den verschiedenen Standorten: „Durch dieses Geheimabkommen wird es in den nächsten fünf Jahren 20 Prozent zusätzliche Einsparungen geben. Keiner weiß, wo die herkommen sollen.”
Tatsächlich gibt es bislang nur Gerüchte. Diskutiert wird unter anderem über die Einstellung des Kulturfernsehsenders BBC 4. Dass Teile der BBC stillgelegt werden sollen, daran lässt auch der Generaldirektor selbst keine Zweifel. In einer Rede am siebten September sagte er: „Wir werden einige unserer Dienste kürzen oder stilllegen müssen. Das ist unausweichlich.”
„Die Frage ist also nicht mehr”, so kommentiert Keith Murray, „was die BBC alles machen kann. Die Diskussion ist: was macht sie zukünftig nicht mehr! In der Belegschaft kursieren Gerüchte, dass 3000 Stellenstreichungen geplant sind. Dabei sind schon 8000 Stellen in den letzten sieben bis acht Jahren verloren gegangen.”
Diese Menschen fehlen jetzt im Arbeitsalltag, so Murray: „Die Moral ist im Keller. 8000 Menschen sind weg, der Rest muss das kompensieren. Manche arbeiten Nachtschichten, die 13-Stunden dauern. Die allermeisten machen Überstunden, nur um ihren vertraglichen Kernverpflichtungen nachzukommen. Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels.”
Die Sparmaßnahmen haben noch einen weiteren unangenehmen Nebeneffekt. Um sie durchzusetzen, wendet das Management einige Druckmittel an. Eine von der Rechtsanwältin Dinah Rose durchgeführte Untersuchung kam im Juli zu dem Schluss, dass Mobbing bei der BBC ein „institutionelles Problem” sei. Dabei sei vor allem der andauernde Stellenabbau als Drohinstrument gegen unliebsame Beschäftige verwendet worden. Vor allem Mitarbeiter mit unsicheren oder freiberuflichen Verträgen seien betroffen. In einer gewerkschaftlichen Stellungnahme im Rahmen der Untersuchung wies die NUJ zusätzlich darauf hin, dass in diesem Klima Sexismus und Altersdiskriminierung drastisch zugenommen hätten.
Neue Blüten.
Derweil treibt die Debatte über die zukünftigen Aufgaben der BBC neue Blüten. So fühlen sich die Herausgeber britischer Lokalzeitungen belästigt. Die BBC sei Schuld am Zeitungssterben, behauptet unter anderem die „News Media Association”, ein Interessenverband von Lokal- und Tageszeitungen. Nun handelt es sich bei den Eigentümern der Lokalzeitungen um Großkonzerne. Ihnen kommt die BBC jetzt entgegen. Laut Tony Hall will der staatliche Rundfunk in Zukunft 100 Lokaljournalisten abstellen, damit diese mit Lokalzeitungen zusammenarbeiten. Das wäre eine staatliche Förderung privater Medienkonzerne.
Für die Journalistengewerkschaft ist das ein Zugeständnis an die kommerziellen Konkurrenten und die politischen Gegner der BBC. „In den nächsten Wochen und Monaten bis kurz nach Weihnachten werden weitere Details ans Licht kommen”, so Keith Murray. „Wir werden mit unseren Mitgliedern die nächsten Schritte beraten. Es sind gefährliche Zeiten.”
Christian Bunke, London