Iran: Websites gesperrt

Gefährdung des Islam als Begründung für beschränkte Informationsfreiheit

30 Jahre nach der iranischen Revolution kann man feststellen, dass in der 170-jährigen Geschichte des iranischen Journalismus nie zuvor Journalisten und Verleger so vielen Schikanen und Repressalien ausgesetzt waren wie heute. Die neueste politische Maßnahme von Mahmud Ahmadinedschad, dem Staatspräsidenten der islamischen Regierung Irans, ist der Eingriff in den freien Informationszugang zum Internet. Er hat die Webseiten der Deutschen Welle, von BBC, Radio Farda und Alarabiya seit Januar dieses Jahres gesperrt. Zugleich preist er den Iran als neutralstes Informationsland in dem englischsprachigen Programm „TV-Press“, dessen Sendungen vom Iran ausgestrahlt werden.


Beim Verbot von Zeitungen und Web- Bloggs sowie bei der Beschränkung des Internetzugangs argumentiert die Regierung Teherans meist mit dem Verstoß gegen die islamischen Gesetze, als würde das den Islam in Gefahr bringen. Das Medienrecht orientiert sich an der islamischen Rechtssprechung und ist extrem eingeschränkt. Der Iran beschuldigt die Deutsche Welle der Spionage und umstürzlerischer Umtriebe. Sie betreibe „subversive Propaganda“ gegen die islamische Republik. Die Deutsche Welle bezeichnete diese Vorwürfe als „absurd“. Die Berichterstattung des deutschen Auslandsrundfunks „erfolgt auf der Grundlage der Werte und Perspektiven, für die Deutschland in der Welt steht“, sagte DW-Sprecher Johannes Hoffmann dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der Sender begreife sich als „deutsche Stimme der Menschenrechte“ und setze „auf freie, ungefilterte Information und die Kraft von Argumenten“. Über die Website der Deutschen Welle lassen sich täglich Audio- und Videobeiträge, sowie Informationen in Persischer Sprache (Farsi) in Wort und Schrift über den Iran und aus aller Welt abrufen.

BBC im Visier des Geheimdienstes

Gleichzeitig eröffnete die BBC am 14. Januar einen neuen persischen Fernsehkanal. Dieser sorgte für große Aufregung in der Regierung von Ahmadinedschad. Das BBC „Persien TV“ sendet täglich von 17.00 Uhr bis 1.00 Uhr iranischer Ortszeit. Es will die „100 Millionen große farsi-sprechende Bevölkerung in Iran, Afghanistan und Tadschikistan erreichen und informieren“. Der iranische Geheimdienstminister Gholamhossein Mohseni Ejehei sieht darin eine Gefahr für die „nationale Sicherheit“. Der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA gegenüber sagte er: „Die BBC will mit bestimmten reformistischen Journalisten zusammenarbeiten, um damit das fehlende offizielle Büro in Teheran zu ersetzen“. Sie würden dies nicht tatenlos hinnehmen und entsprechende Maßnahmen einleiten, um es zu unterbinden. Die Zusammenarbeit mit BBC ist „verdächtig und illegal“, so der Minister. Auf der offiziellen Website der Revolutionären Garde wird die Einrichtung des BBC Farsi-Fernsehens unter der Überschrift „verräterische BBC – dunkle Vergangenheit“, die einen „Soft-Krieg“ in der Islamischen Republik führen will, beschrieben.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Rolle des BBC-Rundfunks vor und während der iranischen Revolution vor 30 Jahren. Damals war der Revolutionsführer Ayatollah Chomeini in irakischem und später türkischem und französischem Exil verbannt.
Jeder im Iran konnte die Interviews hören, die Chomeini für das persische Programm der BBC gab. Obwohl die damalige Regierung darüber empört war, übertrug die BBC unzensiert oppositionsfreundliche Berichte über Streiks und Unruhen. Als der Schah im Januar 1979 Teheran verließ, endete die Herrschaft der Pahlawi- Dynastie. Seit dem wird die BBC als Sprachrohr der iranischen Opposition im Ausland mit Kritik und Verleumdungen überhäuft. Die Angriffe auf die Informationsfreiheit richten sich nicht nur auf die Auslandssendungen von The Voice of Amerika (VOA), Radio Israel, BBC sowie auf weitere fast 30 Radio- und TV-Sender. Auch die türkischen, arabischen, kurdischen und azarbeijanischen Fernsehsendungen sind bei den iranischen Einwohnern in Grenznähe sehr beliebt.
Es ist nicht übertrieben von einem ‚Ätherkrieg’ zu sprechen. In diesem Krieg steht das Fundamentalistische Regime von Teheran auf der einen Seite und das iranische Volk auf der anderen.
Die Akzeptanz unabhängiger Journalisten, Autoren, Filmemacher und Künstler ist im Iran sehr gering. Häufig leisten sie Widerstand gegen die Willkür der Zensurbehörden und nehmen Repressalien in Kauf, weil sie wissen, dass es im Lande kein Gesetz und keine Richtlinien für ihre Meinungs- und Schaffensfreiheit gibt. Sehr wenige kritische Journalisten haben noch keine Gefängnisstrafen verbüßt.
Vor dreißig Jahren waren die Kassetten das wichtigste Medium neben dem Radio und Fernsehen. Die Botschaften von Ayatollah Chomeini wurde im Exil auf Kassetten aufgenommen und im Iran vervielfältigt. Das war ein wichtiges Kommunikationsmittel zwischen den Geistlichen und dem größten Teil der Bevölkerung, der nicht lesen und schreiben konnte. Oder, wie die Mehrheit der Gesellschaft, die nicht im Besitz eines Fernsehgerätes war. Heute sind schätzungsweise 21 Millionen Iranerinnen und Iraner Internetnutzer, Tendenz steigend. Ironischerweise ist es hauptsächlich der Bildungspolitik der islamischen Republik zu verdanken, dass ein so breiter Querschnitt der iranischen Gesellschaft Zugang zu besserer Bildung und damit zu den neuen Medien hat. Das Internet als neues Kommunikationsmittel spielt eine wichtige Rolle im anhaltenden Kampf des Irans für Demokratie.
Gerade deshalb ist es nun den Machthabern ein Dorn im Auge. Der Staat unter Präsident Ahmadinedschad hatte jüngst in einem Gesetz beschlossen, dass sich jeder Blogger bei der Regierung registrieren muss. Präsident Ahmadinedschad sieht in dem neuen Gesetz einen wichtigen Schritt, um „religiöse und kulturelle Werte zu bewahren“. Einer seiner religiösen Werte ist der, dass er in den letzten Jahren in den Moscheen vieler Universitäten die sterblichen Überreste der „Kriegsmärtyrer“ begraben hat – trotz des heftigen Widerstands der Studenten.
Außerdem wurde am 19. November 2008 vom Berater des Oberstaatsanwalts, Abdolsamad Khorram-Abadi, bekannt gegeben, dass 5 Millionen Internet-Seiten im Iran gefiltert worden sind. Er erklärte, dass die gefilterten Websites, „unmoralischen und anti-sozialen Inhalt“ verbreiten würden. Er befürwortet diese Massenfilterungen, um „soziale Schäden für die Gesellschaft“ zu vermeiden. „Die Feinde versuchen unsere religiöse Identität anzugreifen, indem sie das Internet explodieren“, schrieb Khorram-Abadi in der Zeitung Kargozaran. Das Internet „fördert sozialen, politischen, ökonomischen, und moralischen Schaden, was besorgniserregend ist.“ Er fügte hinzu, dass ein „soziales Laster durch das Internet ausgelöst werde, welches wesentlich größer sei, als jenes, das durch Satelliten (Network) verursacht wird.“

„Cyber-Polizei“ gefordert

In den letzten Jahren wurden Internet Provider zunehmend aufgefordert, den Zugang zu politischen und Menschenrechtsfragen betreffende Seiten, sowie Frauen-Websites und Webbloggs, die kritisch über die Staatspolitik schreiben oder als pornografisch oder anti-islamisch eingestuft werden können, zu blockieren. Inzwischen hat das Verbot solche populären Online-Netzwerke wie Facebook oder YouTube erreicht. Khorram-Abadi fordert auch die Schaffung einer „Cyber-Polizei“.
Wenn die Regierung in Teheran von ihrem Sieg gegen Webblogger spricht, schweigt sie über die Antifilter-Hilfe, die weltweit Richtung Iran gemailt wird. Die Antifilter-Adressen gehören zum Informationszugang wie CDs, Videos und Computerprogramme, die kopiert und für einen Bruchteil ihres amerikanischen Preises auf der Straße verkauft werden. Im Iran gibt es keinen Copyrightschutz. Das Bloggen ist im Iran nicht zuletzt deshalb so attraktiv, wie ein inzwischen gesperrter Blogger schrieb, weil es jungen Menschen doch immer wieder ermöglicht, die strengen Moralvorschriften zu umgehen, die ihnen vom theokratischen Regime auferlegt werden.
 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »