Journalistin nach satirischem Artikel festgenommen

Aktion für Elham Afroutan, Iran

In den vergangenen Monaten hat sich die iranische Führung – für die ganze Welt sichtbar – als ganz besondere „Satireexpertin“ hervorgetan. Wegen der umstrittenen Mohammed-Karikaturen gab es in Teheran zahlreiche Demonstrationen und gewaltsame Kundgebungen vor europäischen Botschaften – ganz offensichtlich mit Duldung der Machthaber.

Logo Amnesty InternationalEine staatlich gelenkte Zeitung schrieb außerdem einen Karikaturen-Wettbewerb zum Thema Holocaust aus, um – wie es hieß – den Westen auf seine Einstellung zur Meinungsfreiheit zu überprüfen.
Weniger publik wurde, dass die Staatsführung selbst ebenfalls zum Thema der Satire geworden ist – und zwar im eigenen Land. In einem Artikel der regionalen Wochenzeitung Tammadon-e Hormozgan wurden die islamische Revolution von 1979 und der Aufstieg von Ayatollah Khomeini mit der Krankheit AIDS verglichen. Staatspräsident Ahmadinejad wurde als derzeitiges Symptom der Krankheit dargestellt. Der Artikel erschien unter der Überschrift „Offener Kampf gegen AIDS“ auf der Gesundheits­seite der Zeitung.
Kurz nach Erscheinen wurden am 29. Januar 2006 die Redakteurin Elham Afroutan und sechs weitere Journalisten in der Stadt Bandar Abbas in der Provinz Hormozgan, wo die Zeitung ihren Sitz hat, festgenommen. Bei gewaltsamen Protesten wurden die Redaktionsbüros der Zeitung verwüstet und in Brand gesetzt. Der Herausgeber der Zeitung distanzierte sich nach einem Verhör durch die Staatsanwaltschaft von dem Artikel und sagte, er sei sich nicht über den Inhalt bewusst gewesen. Der für Presseangelegenheiten zuständige Mitarbeiter des Ministeriums für Kultur und islamische Unterweisung ordnete dennoch die Schließung des Blattes an. Er warf der Zeitung vor, die iranischen Presse­gesetze verletzt zu haben und leitete den Fall an die Justizorgane weiter.
Die Inhaftierten haben weder Zugang zu Rechtsanwälten noch zu ihren Familien. Amnesty International befürchtet deshalb, dass sie in der Haft misshandelt werden könnten. Im Iran werden Autoren und Journalisten immer wieder in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt und inhaftiert. Der Iran ist als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte dazu verpflichtet, das in Artikel 19 verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung zu respektieren. Im Rahmen des Völkerrechts ist es nicht zulässig, dieses Recht allein mit der Begründung einzuschränken, dass Menschen eine Behauptung als beleidigend empfinden.

Was können Sie tun?

Schreiben Sie an den iranischen Innenminister und fordern Sie ihn auf, die Journalistin Elham Afroutan und ihre Kollegen sofort freizulassen, sofern sie nicht einer erkennbaren Straftat angeklagt werden. Schreiben Sie auf Farsi, Englisch oder Deutsch an:

Hojatoleslam Mustafa Purmohammadi
Minister of the Interior, Dr. Fatemi Avenue
Teheran, IRAN
Telefax: 00 98-21-8896 203
E-Mail: ravabetomomi@moi.gov.ir

Senden Sie eine Kopie Ihres Schreibens an:
Kanzlei der Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Seyed Shamseddin Khareghani
Podbielskiallee 65 – 67
14195 Berlin
Telefax: (030) 8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

Trump: Angriff auf kritische Medien

Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, US-Medien, von denen er sich kritisiert und angegriffen sieht, auszuschalten, sollte er gewählt werden. Von welchen Möglichkeiten er dabei unter anderem Gebrauch machen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag aufgeführt. Es zeigt sich: Trumps Drohungen sind alles andere als unrealistisch. Und sein Vorbild für diese sitzt in Europa.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »