In vielen Pressemärkten Europas herrscht Aufbruchstimmung. Während die Zeitschriftenmärkte seit Jahrzehnten zumindest in Westeuropa von stetigen Neuerungen geprägt sind, gilt dies vielerorts nun auch für die Zeitungsbranche. Bei den Zeitungen sorgt kreuz und quer über Europa eine Gründungswelle von Gratis-Zeitungen für frischen Wind. Allein der deutsche Zeitungsmarkt liegt im Windschatten – nichts bewegt sich: Die Auflagen sinken weiter, der Anzeigenmarkt dümpelt und Gratis-Zeitungen werden nur geplant, aber nicht auf den Markt gebracht. Innovationsfeindlich sind deutsche Verlage nicht. Die meisten konzentrieren ihre Innovationen aber auf das Ausland. Dort wird expandiert, werden neue Titel aufgelegt und selbst in die hierzulande geschmähten Gratis-Zeitungen investiert: Der WAZ-Konzern hat Mitte Mai in Kroatien einen Titel gestartet, die Rheinische Post verteilt in Prag ein Blatt. Die Bedeutung der osteuropäischen Märkte für deutsche Verlage steigt. Der folgende Beitrag versucht, einen Überblick zu geben.
Der eher betuliche Verlag der Rheinischen Post (RP) in Düsseldorf hat Ende April in Prag die Gratis-Zeitung Express auf den Markt gebracht. „Generell sind Gratis-Zeitungen interessante Objekte“, sagt Hans Karl Arnold, zuständig für das Auslandsgeschäft der RP. „Das gilt auch für Deutschland, wenn man als Anbieter alleine bliebe.“ Nicht nur der RP-Verlag scheut hierzulande das Risiko, mit dem Start eines Gratis-Titels Konkurrenten ins eigene Verbreitungsgebiet zu locken. Wettbewerb ist unerwünscht. Für das Ausland gilt das nicht. In Prag gab es schon zuvor zwei Gratis-Zeitungen. Da die RP dort mit zwei überregionalen Tageszeitungen Wettbewerber ist, wurde nun der Express mit einer Auflage von 150.000 Exemplaren als Beiboot gestartet. Die beiden kostenlosen Blätter der Konkurrenz haben, so Arnold, nicht zu Auflagenverlusten bei den eigenen Titeln Mlada Fronta Dnes und Lidove Noviny geführt. Und im Anzeigenmarkt der tschechischen Metropole mischen die Rheinländer nun mit der eigenen Gratis-Zeitung gleichfalls mit.
Ungewöhnlich ist auch das multimediale Engagement des RP-Verlags. Während deutsche Verlage im Ausland in der Regel bei ihrem Leisten bleiben, Zeitungen und Zeitschriften verlegen, hat die RP in Prag auch die beiden lokalen Hörfunksender „Express“ und „Klassik“ (vollständig) sowie das Musikfernsehprogramm „Ocko“ (80 Prozent) übernommen. Die Düsseldorfer spielen im gesamten Medienmarkt der Tschechischen Republik eine Rolle. Im Mittelpunkt steht allerdings nach wie vor das Zeitungsgeschäft. Neben den überregionalen Titeln sind sie auch an Regionalzeitungen beteiligt. Sie halten 20 Prozent an der Verlagsholding Vltava-Labe-Press in Prag. Am stärksten Verkaufstag, dem Freitag, kommt die Holding mit ihren sechs Titeln auf eine Auflage von annähernd 1 Mio. Exemplaren und erreicht nach eigener Einschätzung „jeden vierten Einwohner“. Zum Vergleich: In Deutschland schafft das nicht einmal „Bild“.
Mehrheitspartner der Düsseldorfer bei der Verlagsholding ist das Unternehmen um die Passauer Neue Presse. Der ehemals kleine Regionalzeitungsverlag, an der Grenze zu Österreich und Tschechien gelegen, ist in den 90er Jahren so stark expandiert wie kein anderer Verlag seiner Größe. In 2004 wurde nur noch rund ein Viertel des Gesamtumsatzes von gut 400 Mio. Euro in Deutschland erwirtschaftet.
Der ideale Markt Polen
In Tschechien erreichten die Passauer mit 1.660 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 80 Mio. Euro. Sie beherrschen große Teile des lokalen Zeitungsmarktes. Anders als hierzulande spielen die national verbreiteten Titel allerdings eine bedeutende Rolle. In diesem Marktsegment hat sich neben den Düsseldorfern insbesondere die Schweizer Ringier AG engagiert: Die Boulevard-Zeitung Blesk, dem Schweizer Original Blick nach empfunden, verkauft über eine halbe Million Exemplare. Hinzu kommt die Fachzeitung Sport mit und 70.000 Exemplaren. Beide Titel werden mit eigenständigen Ausgaben auch sonntags vertrieben. Seit November letzten Jahres erscheint zudem die Gratis-Zeitung 24 hodin mit 250.000 Exemplaren. Insbesondere mit Ablegern von Blesk und Programmis mischt Ringier auch im Zeitschriftenmarkt mit. Mit einem Umsatz von 136 Mio. Franken in 2005 war Tschechien der bedeutendste Markt für Ringier in Osteuropa. Gewichtige Wettbewerber von Ringier im Zeitschriftenmarkt sind dort vor allem Bauer-, Burda und Springer-Konzern.
Im polnischen Medienmarkt begegnen sich fast alle westeuropäischen Verlage mit Engagements in Osteuropa, bis auf Ringier. Insbesondere deutsche Verlage haben früh im Nachbarland investiert. Maßgeblich für das Interesse der Ausländer ist insbesondere die Größe des Landes. Mit einer Bevölkerung von 39 Millionen ist Polen der mit Abstand größte Markt in Osteuropa, wenn man Russland (zögerliche Investments) und die Ukraine (47 Mio.; erste Investitionen erst nach der friedlichen Revolution) unberücksichtigt lässt. Eine früh realisierte Mitgliedschaft in der EU förderte das Interesse von Ausländern, ist aber nicht so sehr Voraussetzung für Investitionen wie Rechtssicherheit und die Konvertibilität der Währung. Schließlich sollen die erwarteten Gewinne letztlich in den Konzernkassen klingeln. Polen bot unter all diesen Aspekten einen idealen Markt.
Zu den ersten Investoren zählten auch in Polen die Passauer. In den südlichen Landesteilen beherrschen sie mit mehreren Regionalzeitungen großflächig den Markt. In Krakau, Posen, Lodz oder Kattowitz sind sie stark vertreten. Zudem sind sie auch in Danzig aktiv. Insgesamt verkaufen sie über 700.000 Exemplare täglich. Hinzu kommen TV-Supplements mit einer Auflage von wöchentlich 2,4 Mio. Exemplaren und einige Zeitschriften. Dass sich der Anzeigenmarkt in Polen entwickelt hat, zeigt auch der Start von wöchentlichen Anzeigenblättern im letzten Jahr, die mit einer Auflage von 700.000 Exemplaren in den Markt gingen. Insgesamt ist der polnische Markt für die Passauer mit einem Umsatz von rund 120 Mio. Euro inzwischen genau so bedeutend wie der deutsche.
Playboy in Russland und Kroatien
Hans Karl Arnold von der Rheinischen Post, die in Polen zwei Regionalzeitungen verlegt, freut sich über steigende Anzeigenaufträge im Zuge der anziehenden Konjunktur seit dem letzten Jahr. Der polnische Markt sei aber „hoch wettbewerbsintensiv“. Dazu tragen auch Gründungen von überregionalen Zeitungen bei. Insbesondere der Springer-Konzern hat den Markt aufgemischt. Die im Herbst 2004 gestartete Boulevardzeitung Fakt ist eine Erfolgsgeschichte. Schon nach wenigen Monaten erreichte Fakt mit über 500.000 Exemplaren die Spitzenstellung im Markt. Beigetragen zum Erfolg hat auch die Unterteilung in regionalisierte Ausgaben, ein Konzept, das Springer von Bild in Deutschland übernommen hat. Animiert durch den Markterfolg hat Springer im April mit Dzienik eine weitere überregionale Zeitung aufgelegt, die weniger am Boulevard orientiert ist. Der Verlag der Gazeta Wyborcza sah die eigene Marktstellung vom neuen Konkurrenten bedroht, kam Springer mit dem Start von Nowy Dzien zuvor, musste das Blatt aber schon nach wenigen Monaten einstellen. Dagegen wächst Springers Bedeutung im polnischen Markt rasant. Denn neben den Tageszeitungen verlegt Springer auch Zeitschriften und zählt auch in diesem Markt zu den größten Anbietern. Die Titelpalette ist breit und beruht in vielen Fällen auf Blattkonzepten aus Deutschland. Springer nutzt seit Jahrzehnten das Prinzip, mit Adaptionen erfolgreicher Titel in anderen nationalen Märkten zu agieren. Seit 1993 wurden in Polen sukzessive Titel gestartet, nicht alle erfolgreich, doch mit mehr als einem Dutzend Blättern hat Springer eine stabile Marktposition. Dazu tragen auch namhafte Titel bei, für die Springer Lizenzen erworben hat: das Nachrichtenmagazin News Week und die Wirtschaftszeitschrift Forbes. Beide Titel verlegt Springer auch in Russland, wo das Engagement ansonsten aber bescheiden ist.
Mit Lizenzen für Zeitschriftenkonzepte anderer Verlage insbesondere im Ausland zu expandieren, ist im globalen Zeitschriftenmarkt seit Jahrzehnten eine geläufige Praxis. Der Mutterverlag vergibt die Titelrechte für einzelne nationale Märkte auf Zeit, liefert ein vertraglich vereinbartes Kontingent des redaktionellen Teils der Stammausgabe und kassiert dafür je nach Abmachung Festbeträge und / oder Umsatzbeteiligungen. Springer hat seit Jahren Erfahrungen mit diesem Lizenzhandel, vornehmlich allerdings als Lizenzgeber. Insbesondere Titel der Bild-Gruppe (z. B. AutoBild, ComputerBild) sind begehrt und werden in jene Länder vergeben, in denen Springer nicht selbst engagiert ist. Der florierende Lizenzhandel hat international auch seltsame Blüten getrieben. Die deutsche Version von Men’s Health gehört heute zu Gruner + Jahr. In Frankreich wird der Titel von Springer verlegt, in Rumänien und früher auch in Kroatien und Serbien von Burda. Burda lässt in Russland genauso wie in Deutschland (zuvor vom Bauer-Konzern) dem Playboy freien Lauf, in Kroatien wird er vom WAZ-Konzern gepflegt. Und mancher im Zuge größerer Transaktionen erworbene Titel wird als unpassend für das Verlagsimage am liebsten verschwiegen, so beispielsweise von Gruner + Jahr die Ausgabe von Penthouse in Griechenland. Beim Heinrich Bauer Verlag gilt Ähnliches seit Jahren für zahlreiche Sex-Blätter. Motto: Geld stinkt nicht, macht manchmal aber verlegen beim Verlegen.
Nur wenige Debatten
Die ärgsten Konkurrenten von Springer im polnischen Zeitschriftenmarkt sind gute Bekannte: Bauer und Gruner + Jahr. Ähnlich wie im Inland stehen sie in einzelnen Segmenten des Marktes vielfach in direktem Wettbewerb. Im polnischen Markt sind die drei deutschen Großverlage in etwa gleich groß. Zeitweilig erfreuten sie deutsche Medienjournalisten abwechselnd mit Pressemitteilungen – je nach dem, wer gerade vorn lag. Diese als solche trivialen Mitteilungen zeigen auch, wie relativ entspannt man im Ausland mit der Stellung von Ausländern in der Medienindustrie umgeht. Die drei Großverlage stellen ihre Größe zur Schau. Gerade im Vergleich zu den aufgeregten Debatten in Deutschland über Ausländer als Medienbesitzer, erscheint diese Gelassenheit fremd.
Als hierzulande der marode Kirch-Konzern zum Verkauf stand, waren sich die damaligen Kanzlerkandidaten Schröder und Stoiber bei ihren Wahlkampfauftritten einig, dass ein Verkauf an Ausländer zu verhindern sei. Dass dafür jegliche Rechtsgrundlage fehlte, wurde nicht nur im Wahlkampfgetöse übersehen. Jahre später provozierte der Kauf des Berliner Verlags durch den allerdings schlecht beleumundeten David Montgomery (mit dem schmückenden Beinamen „Rommel“) ähnliche Reaktionen.
Welche öffentlichen Debatten ausländischer Medienbesitz auslösen kann, hat Gruner + Jahr vor einigen Jahren in Frankreich erfahren, als die Hamburger dort zu einem führenden Verlag aufgestiegen sind. Die Debatten sind folgenlos geblieben. Heute kaufen die Franzosen noch mehr Blätter von Gruner + Jahr als damals. Die Motive für solche Debatten sind oft kaum zu durchdringen, da mancher Wettbewerber mit der nationalen Karte im Konkurrenzkampf spielt.
Auch in Osteuropa sind Debatten über den ausländischen Medienbesitz immer mal wieder aufgeflammt, aber weitgehend folgenlos geblieben. Dass gerade in jenen Ländern, die von Nazi-Deutschland überfallen worden waren, deutschen Investoren mit Skepsis begegnet wurde, ist verständlich. Dem Expansionsdrang deutscher Medienunternehmen hat dies aber offensichtlich nicht geschadet. In der Summe gehören deutsche Medienunternehmen in fast jedem der osteuropäischen Transformationsstaaten zu den führenden Medienanbietern. Nur in den drei kleinen baltischen Ländern haben die Skandinavier die Nase vorn. In Zeiten der großen politischen und wirtschaftlichen Wende fehlte den Inländern regelmäßig das Kapital und vielfach auch das Know-how, Medien auf Leser-, Hörer- und Zuschauerwünsche auszurichten und dabei die Interessen der wachsenden Werbewirtschaft zu berücksichtigen. Selbst neue Anforderungen an den Vertrieb jenseits von staatlichen Postmonopolen stellten manchen Verlag vor scheinbar unlösbare Probleme. Mit ihren gut gefüllten Brieftaschen und als Problemlöser waren westliche Investoren willkommen.
Parteiblätter verhökert
Ungarn hat auch in dieser Hinsicht beim großen Transformationsprozess den Anfang gemacht. Ähnlich wie in der ehemaligen DDR gehörten die auflagenstarken Zeitungen der herrschenden Partei. Aus ihrer Sicht rechtzeitig hat die damalige KP-Führung die Zeichen der Zeit erkannt und diesen Besitz meistbietend und mindestens am Rande der Legalität verhökert. Anders als in der DDR, wo die ersten so genannten Kooperationsverträge und Beteiligungskäufe später überwiegend für nichtig erklärt wurden, waren die Deals der ungarischen KP von Dauer. Dass zu deren bevorzugten Geschäftspartnern ausgerechnet der bei den Kommunisten über Jahrzehnte verhasste Springer-Konzern gehörte, ist eine der vielen Merkwürdigkeiten der großen Wenden.
Ähnlich wie in den Neuen Bundesländern haben auch in Ungarn heimische Unternehmen zunächst neue Tageszeitungen gegründet, hielten aber dem Wettbewerb mit den etablierten Titeln und ihren neuen Besitzern nicht stand. Neben Springer (10 Regionaltitel) dürfen sich noch heute auch der WAZ-Konzern (5) und andere Käufer der ersten Stunde über ihre führenden Wettbewerbspositionen in den regionalen Teilmärkten Ungarns freuen.
Diese Marktstellungen ausländischer Medienbesitzer sind in vielen Ländern mehr als üppig. Konkurrenz war in den Zeiten der kommunistisch gelenkten Wirtschaft mehr als ein Fremdwort. Und bevor in den deregulierten Märkten die Einsicht gewachsen war, dass gerade Wettbewerb nach Regeln und Kontrolle auch durch Kartellämter verlangt, hatten die flotten Investoren tabula rasa gemacht. Um wachsende Monopole zu knacken oder Großkonzerne zu zerlegen, fehlten nicht nur die gesetzlichen Grundlagen. Selbst das deutsche Kartellrecht, das einst Pate gestanden hatte für das EU-Recht, kennt – anders als das US-Recht mit seinen Anti-Trust-Regelungen – kein Konzern-Splitting. So konnte mancher Ausländer in den neuen Märkten oft über Jahre unbekannte Freiheiten nutzen und grenzenlos wachsen.
Inzwischen haben sich die meisten Länder Regulierungsbehörden zugelegt. Ihr Wirken und Wirkungsgrad ist allerdings durchaus unterschiedlich. Abwägungsklauseln für die Marktkontrolle bestehen auch hierzulande, sind aber nicht der Nährboden für seltsame Blüten, wie beispielsweise in Bulgarien. Als dort der WAZ-Konzern am Werbemarkt einen Anteil von 60 Prozent durch Zukäufe zu erreichen drohte, legten die Kartellwächter zunächst ihr Veto ein. Die offenbar erwünschte Transaktion wurde im zweiten Schritt aber doch bewilligt, weil der WAZ-Konzern Investitionen in neue Technologien versprach.
In den Jahren des gesteuerten Belieferungsboykotts mit High-Tech-Produkten aus dem Westen hatten diese Produkte eine extreme Wertschätzung erfahren. In Bulgarien war der Technologie-Transfer ein Äquivalent für fehlenden Wettbewerb. In Polen hatten die Passauer mit modernen Druckmaschinen Expansionshürden aus dem Weg geräumt.
Beteiligungsbesitz geordnet
Nicht immer allerdings blieb das Instrument Kartellrecht stumpf. In Ungarn bekam der Bertelsmann-Konzern 2001 eine veränderte Gangart zu spüren. Das Engagement der Tochter RTL Group beim ungarischen TV-Sender „RTL Klub“ wurde nur geduldet, weil die andere Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr die Beteiligung an Ungarns wichtigster Tageszeitung Nepszabadsag reduzierte und schließlich vollständig an Ringier verkaufte. In der Slowakei trennte sich der Verlag parallel von der Boulevardzeitung Novy Cas, die ebenfalls bei Ringier landete.
Gruner + Jahr hat damit in Teilen schon vollzogen, was anderen noch bevorsteht: eine Ordnung des Beteiligungsbesitzes unter strategischen Gesichtspunkten. In den frühen 90er Jahren hatten viele westeuropäische Medienkonzerne in Osteuropa gekauft, was immer angeboten wurde. Die Märkte waren jung, speziell bei den Zeitschriften vielfach unterbesetzt, versprachen über die Entwicklung des Werbegeschäfts steigende Umsätze und – nicht zuletzt – die Preise waren vielfach aus der Portokasse zu begleichen. Übergeordnete Konzepte, gar ganzheitliche Strategien fehlten häufig. Bei den Tageszeitungen mit den vielfach begrenzten Teilmärkten können dislozierte Engagements erfolgreich sein. Höhere Rendite versprechen allerdings Verbünde von Zeitungsverlagen, so wie sie die Passauer im Süden Polens oder in Tschechien oder der WAZ-Konzern in Südeuropa durchgesetzt haben. Damit wächst allerdings die Gefahr, dass solch dominante Verlagsgruppen die Konkurrenz, zumal kleinere Verlage erdrücken. Manche von ihnen haben die einzige Überlebenschance im (Teil-) Verkauf an die große Konkurrenz gesehen und realisiert.
Insbesondere in den Zeitschriftenmärkten dürften allerdings noch größere Veränderungen anstehen. Ein Beispiel dafür war zuletzt der Verkauf der Verlage von Burda in Kroatien, Slowenien und Serbien. Als Käufer trat die eigens gegründete Adria Magazines Holding auf. Jeweils hälftig gehört die neue Holding Gruner + Jahr und dem finnischen Konzern Sanoma. An den Verlagen in den drei Ländern ist auch die österreichische Styria-Gruppe beteiligt. Der Verbund dreier international agierender Konzerne stellt über die Bündelung der Aktivitäten Schlagkraft im Markt dar. Dass die relativ komplizierten Eignerstrukturen keine dauerhafte Lösung sein werden, ist wahrscheinlich. Deren Veränderung spielt sich aber im Hintergrund, nicht auf dem Markt ab. Dass ein Konzern wie Styria sich in der Rolle des Juniorpartners dauerhaft nur als Couponschneider verdingt, ist wenig realistisch. Deals mit Zukäufen und Beteiligungen im Medienbereich ähneln oft dem Geschäft eines Mastbetriebs: Nicht das gesunde Kalb wird verkauft, sondern der wohlgenährte Jungbulle. Styria wird wohl wie andere auch den richtigen Zeitpunkt zum Verkauf abwarten.
Die Styria ist über den jüngsten Deal des WAZ-Konzerns nun auch Partner der Essener geworden. In Slowenien hat der Konzern 50 Prozent einer Holding übernommen, zu der auch eine Mehrheitsbeteiligung an der zweitgrößten Zeitung des kleinen Landes gehört. Minderheitseigner bei Dnevnik ist die Styria-Gruppe. In Österreich und in Kroatien stehen sich die neuen Partner WAZ und Styria allerdings als Konkurrenten im Zeitungsmarkt gegenüber. Kooperation hier und Konkurrenz dort, auch das sind Indizien für noch ausstehende Veränderungen von Anbieter- und Beteiligungsstrukturen.
Fokus auf kleine Marktnischen
Umso reifer im marktwirtschaftlichen Sinne die Märkte Osteuropas werden, umso mehr Bedeutung gewinnen sie für die führenden Medienkonzerne. Selbst großen Mittelständlern wie den Passauern oder Düsseldorfern dürfte der Zutritt in entwickelte Märkte schwer fallen. Wer seinen Platz jetzt noch nicht gefunden hat, wird ein Preisniveau wie auf dem Schwarzmarkt vorfinden. Preise wie beim Vorverkauf gibt es nur in den frühen Entwicklungsphasen. Und selbst in diesen Phasen gibt es keine Erfolgsgarantie. Das haben z. B. die Verlage der Frankenpost in Hof und der Rhein-Zeitung in Koblenz bei ihren Engagements in Tschechien erlebt. Beide haben sich inzwischen in die heimischen Gefilde zurückgezogen.
Ein relativ günstiges Preisniveau für Medien und Medienunternehmen dürfte derzeit noch für die Ukraine gelten. Aus Deutschland haben sich dort bislang nur die Motor-Presse mit einem Titel und der Verlag des Handelsblattes engagiert (bei je einer Wirtschaftszeitung und -zeitschrift). Und auch das Handelsblatt gehört nicht zu einem Kleinverlag, sondern zum Holtzbrinck-Konzern. Mit dem Konzept, eine auf die Wirtschaft konzentrierte Tageszeitung und eine entsprechende Wochenzeitung bzw. Zeitschrift in einem Haus zu verlegen, agiert der Handelsblatt-Verlag auch in Tschechien, der Slowakei, Serbien und Bulgarien. Mit dieser Focussierung auf eher kleine Marktnischen agieren ansonsten in Osteuropa nur spezialisierte Zeitschriftenverlage wie Vogel-Burda (mit Computer-Titeln). Selbst die Stuttgarter Motor-Presse ist inzwischen breiter aufgestellt, spätestens seit der Mehrheitsübernahme von Gruner + Jahr. Die Hamburger nutzen die zahlreichen Auslandstöchter der Stuttgarter, um über sie weitere Ausgaben von Gruner + Jahr-Titeln in den Markt zu bringen. Dies gilt vor allem in jenen kleineren nationalen Märkten, in denen der Großverlag zuvor nicht vertreten war. Die Stuttgarter-Dependancen bildeten beispielsweise eine willkommene Basis für den zeitgleichen Start von gleich sechs neuen Geo-Ausgaben (zum Teil auch in Westeuropa).
Die meisten Investoren agieren im Osten mit einer breiten Titelpalette. Ihnen geht es nicht um Marktnischen, sondern um Marktanteile im Gesamtmarkt, allenfalls differenziert nach Zeitungen und Zeitschriften. Diese Strategie bietet den Investoren die Chance, über Synergien die Kosten gering zu halten bzw. diese nach Verlagsübernahmen und Integration in Verlagsgruppen zu reduzieren.
Belegungszwang im Anzeigenmarkt
Musterbeispiel für diese Strategie ist auch beim Osteuropa-Engagement der WAZ-Konzern. Das einst in Nordrhein-Westfalen entwickelte Konzept, unterschiedliche Zeitungen selbst dann, wenn sie im Wettbewerb miteinander stehen, nur redaktionell weitgehend eigenständig zu belassen, alle anderen Abteilungen aber zusammenzufassen, wird inzwischen vielfach kopiert. Diese Kostenreduktionen zu verbinden mit Einnahmesteigerungen auf der Basis eines Belegungszwangs im Anzeigenmarkt, scheint unter betriebswirtschaftlichen Aspekten optimal. Rechtlich durchgesetzt hat den Belegungszwang einst der Stuttgarter Zeitungsverlag. Anders als bei Werbekombinationen wird den Anzeigenkunden nicht nur die Möglichkeit eingeräumt, mehrere Titel zu belegen. Sie werden dazu gezwungen. Dadurch kommen selbst am Markt schwache Titel als Trittbrettfahrer in den Genuss zahlreicher Anzeigenbuchungen. Voraussetzung ist ein insgesamt stattlicher Marktanteil, möglichst die Marktführerschaft, optimal das Anbietermonopol.
Hohe WAZ-Präsenz in Mazedonien
Vor diesem Hintergrund interessierte sich der WAZ-Konzern immer schon für Titel, die marktführend agierten, selbst wenn dies zunächst nur für Teilmärkte galt. In Österreich hat der Verbund der beiden auflagenstärksten Titel des Landes, der Krone und des Kurier, für stattliche Renditen gesorgt. Diese Blaupause im Gepäck zogen die WAZ-Manager dann nach Ungarn und später nach Südosteuropa. „Das ist eine enorme Wachstumsregion,“ erklärt Markus Beermann, zuständiger WAZ-Manager. Schon heute haben sie in den jungen Teilstaaten des zerfallenen Jugoslawiens hohe Marktpräsenz. In Mazedonien zum Beispiel hält der Konzern einen Anteil von fast 90 Prozent im Zeitungsmarkt. In Bulgarien ist der Konzern multimedial engagiert, kassiert fast zwei Drittel des Umsatzes im gesamten Werbemarkt.
Grundprinzip der WAZ ist der Mehrheitserwerb hochauflagiger Titel: Zumindest wird die Führungsposition in den kaufmännischen Bereichen eingefordert, nicht zwingend auch in der Redaktion. Immer wieder haben Konkurrenten nach einem WAZ-Einstieg über folgende Preiskämpfe Klage geführt. Marktdominanzen über steigende Auflagen zu erreichen, ist ein langwieriger Prozess. Viel schnellere Erfolge sind mit der Übernahme von Marktanteilen der Wettbewerber verbunden. Das Preis-Dumping zwingt gerade kleinere Konkurrenten zur Kooperation, häufiger noch zum (Teil-)Verkauf. Zentral selbst bei Beteiligungen ist erneut die kaufmännische Führung, um die Verbundvorteile in der Verwaltung, beim Druck und Vertrieb sowie im Anzeigengeschäft heben zu können.
Ein aktuelles Beispiel für die Übernahme der Marktführerschaft liefert der WAZ-Konzern in Serbien. Bislang hält er dort nur eine Beteiligung am ältesten Titel des Landes, Politika. Nun soll mit Novosti auch der auflagenstärkste Titel übernommen werden. Bislang verlief die Übernahme allerdings nicht nach Plan. Die Aktionäre, darunter auch der Staat, fordern viel mehr, als die WAZ ursprünglich zahlen wollte. Ende Mai hat die WAZ ihr Angebot erhöht. Wenn es sein muss, lässt sich selbst die als knauserig bekannte WAZ die Position des Marktführers etwas kosten.
Typisch für den WAZ-Konzern ist auch, dass er in Südosteuropa vielfach nur Beteiligungen hält, die Verlage nicht vollständig besitzt. Selbst in NRW gehören ihm einzelne Zeitungen Jahrzehnte nach dem Einstieg noch nicht vollständig. Der Führungsanspruch steht freilich nicht im Zweifel. Und vielfach sind die Essener nicht nur an einem, sondern an mehreren Titeln beteiligt. Eine größere Rolle als im Inland spielen beispielsweise in Bulgarien und Kroatien neben den Zeitungen die Zeitschriften. Und während hierzulande vor allem bunte Wochentitel aufgelegt werden, wird in Ungarn sogar das führende Nachrichtenmagazin HVG verlegt. In den Zeitschriftenmärkten sind allerdings auch andere maßgebliche Verlage aktiv, z. B. die Adria-Konnektion von Gruner + Jahr.
Gruner + Jahr hat sich inzwischen vollständig auf Zeitschriften konzentriert. Selbst profitable Zeitungen in Ungarn und der Slowakei wurden verkauft. Nach dem Ausstieg aus dem US-Geschäft und dem verlustreichen Verkauf der dortigen Verlage, ist der Stellenwert auch kleiner Länder beim Großverlag gestiegen.
Ähnlich ausschließlich auf Zeitschriften konzentriert hat sich im Ausland der Heinrich Bauer Verlag. Hierzulande wird immerhin in Magdeburg die führende Tageszeitung Volksstimme verlegt und sind wiederholt Zukäufe von Zeitungen zumindest angestrebt worden (Berliner Zeitung, Sächsische Zeitung u. a.). Verleger Heinrich Bauer ist zudem kein Freund von Kooperationen und Gemeinschaftsunternehmen. Er präferiert den Standpunkt: Herr im Haus bin ich. Die Expansion auf eigene Kappe war schon in Westeuropa und den USA maßgeblich und wurde entsprechend für den Osten übernommen. Inzwischen hat das Geschäft in Polen am Umsatz gemessen selbst jenes in Frankreich oder in Spanien überholt. Neben Polen genießt der tschechische Markt einen hohen Stellenwert. Die Tochter Europress präsentiert Bauer stolz als „zweitgrößten Zeitschriftenverlag des Landes“. Die Titelpaletten in den einzelnen Ländern ähneln sich. Bauer ist bei den Programmzeitschriften stark vertreten und nutzt Blattkonzepte seiner deutschen Titel bei den Frauen- (Tina) und Jugendzeitschriften (Bravo). Gerade Bravo und sein Ableger Bravo Girl werden in vielen Ländern verlegt und häufig für den Marktzutritt genutzt.
In Ungarn und in Rumänien werden die Titel – abweichend von den sonstigen Gepflogenheiten von Bauer – in Gemeinschaftsunternehmen verlegt. Partner ist der Schweizer Ringier-Verlag. Wäre vor einiger Zeit die damals angestrebte Fusion von Ringier und Springer umgesetzt worden, wären sich die beiden Hamburger Großverlage im Ausland ziemlich nahe gekommen – aber wohl kaum dauerhaft verbunden geblieben.
Partnerschaften auf Zeit
In Osteuropa bestehen noch Partnerschaften, die auf Zeit angelegt sind. Mit dem Ziel, Risiken zu teilen, werden neue Märkte studiert. Bleibt das Geschäft dauerhaft, trennt man sich wieder und der Aussteiger wird für die Phase des Risiko-Sharings honoriert. Die mit Abstand bedeutendste Ehe auf Zeit haben Burda und der italienische Verlag Rizzoli geführt. Bis zur Scheidung waren die Italiener nicht nur Partner bei der Hamburger Milchstraßen-Gruppe, sondern auch bei den Geschäften in Osteuropa. Nach der Trennung hat Burda diese Verlage vollständig übernommen. Die breite Streuung der Aktivitäten war aber zu viel für die Zentrale in Offenburg. Noch ist Burda sowohl in Tschechien, Polen, Rumänien und Russland stark vertreten als auch mit Computer-Zeitschriften aus dem Gemeinschaftsunternehmen mit dem Vogel-Verlag (Chip u. a.) in vielen weiteren Ländern engagiert. Die angestrebte Neuausrichtung des Konzerns mit einem Fokus auf die elektronischen Medien, könnte weitere Veränderungen des Osteuropageschäfts nach sich ziehen.
Anders als bei den Printmedien haben sich deutsche Medienunternehmen in den Rundfunkmärkten Osteuropas kaum engagiert. Eine Ausnahme stellt die RTL Group dar. Der frühe Versuch, in Polen ein TV-Programm zu etablieren („RTL 7“), scheiterte vor allem an fehlender technischer Reichweite. In Ungarn ist „RTL Klub“ umso erfolgreicher. Der Sender wird mit Abstand am häufigsten gesehen und hält am Fernsehwerbemarkt einen Anteil von knapp der Hälfte. Die RTL Group besitzt 49 Prozent der Anteile. In Kroatien hat sich „RTL Televizija“ sowohl im Zuschauer- als auch im Werbemarkt auf Rang 2 etabliert. RTL gehören fast zwei Drittel des Senders. Die geplante Expansion nach Serbien schlug kürzlich allerdings fehl, als RTL bei der Zuteilung von TV-Lizenzen leer ausging. Bescheiden ist der Marktanteil von gut 5 Prozent von „REN TV“ in Russland, an dem sich die RTL Group im letzten Jahr mit 30 Prozent beteiligt hat. Obwohl in Westeuropa in vielen Ländern auch im Hörfunk aktiv, hat die RTL Group diesen Geschäftsbereich in Osteuropa nicht ausgeweitet.
Beteiligungen an Radios hält hingegen die Firma Eurocast, die zur Regiocast-Gruppe gehört, an der neben Springer vor allem Zeitungsverlage aus Schleswig-Holstein beteiligt sind. Regiocast hat sich in Warschau bei „radio WaWa“ (33 %) und in Prag bei den beiden Programmen „Radio Impuls“ und „Rock Zone“ (66,7 %) engagiert. In Tschechien zählen auch zwei Sender der Rheinischen Post zu den Konkurrenten.
Letztlich sind auch einzelne Film- und Fernsehproduzenten in Osteuropa aktiv. Diesen geht es im Unterschied zu anderen Medienunternehmen weniger darum, neue Märkte zu erschließen. Im Vordergrund stehen die finanziell günstigen Produktionsbedingungen, die Kostenvorteile für jene Produktionen versprechen, bei denen der Produktionsort ansonsten beliebig ist.
Fehlende Transparenz
Dass die Medienindustrie nicht noch stärker die Kostenvorteile insbesondere im Personalbereich beispielsweise für die Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen nutzt, dürfte einstweilen vor allem bestehenden Sprachbarrieren geschuldet sein. Ob dies dauerhaft so bleibt, wenn hiesige Firmen basierend auf ihren Tochter- und Beteiligungsunternehmen in Osteuropa unternehmensintern Kostenvergleiche vornehmen können, ist offen. Manche Betriebsräte dürften sich künftig noch wundern, aus welchen Unternehmen Vergleichszahlen vorgelegt werden, denn mutmaßlich sind viele Beteiligungen nicht bekannt. Es fehlt eine umfassende Transparenz über Besitz- und Beteiligungsstrukturen. Tarik Jusic, Direktor des Media Center in Sarajewo vermutet: „Es dürfte verkappte Beteiligungen im Mediensektor geben.“ Es wäre wider jede Erfahrung, wenn dies nicht auch für deutsche Medienunternehmen gilt.