Bei Reporter ohne Grenzen ist Tansania im Ranking der Pressefreiheit zuletzt auf Platz 83 abgerutscht. Kein Wunder, denn die Arbeitsbedingungen für Journalist_innen sind in dem ostafrikanischen Land nach wie vor schlecht. Dennoch oder gerade deswegen engagieren sich viele Menschen mit journalistischen Projekten. Sie wollen das ostafrikanische Land mit gut recherchierten Artikeln, Beiträgen und Filmen voranbringen.
Gloria Michael gehört mit ihren 29 Jahren zu den wenigen Journalist_innen in Tansania, die eine Festanstellung im Medienbereich ergattern konnten. Nach ihrem Journalistik-Studium in Daressalam arbeitet sie seit vier Jahren beim staatlichen Fernsehsender TBC. Es gebe nur drei große Themenbereiche, sagt sie, Sport, Wirtschaft und Lokales. Da sei sie in ihrer Berichterstattung relativ frei. Zumindest solange sie die Regierung nicht kritisiert. Dann stünden Journalist_innen in dem Land nämlich ganz allein vor dem Gesetz. „Wir haben zwar das “Tanzania Editors Forum”, den “Media Council of Tanzania” oder die “Tanzania Media Women’s Association”. Jede Organisation für sich hat ihre eigene Agenda, aber keine hat die Macht, den Journalismus wirklich voranzubringen“, beklagt die TV-Journalistin.
Eine starke Mediengewerkschaft fehlt also in Tansania. Dagegen herrschen in dem ostafrikanischen Land strenge Pressegesetze, die im letzten Jahr sogar noch verschärft wurden. Zeitungen können einfach verboten werden. Nach dem Media Services-Gesetz von 2016 müssen sich zudem Medienhäuser, digitale Plattformen und Journalist_innen staatlich lizenzieren lassen. Wer auffällt, bekommt eben keine Akkreditierung mehr. Aber es gibt auch Hoffnungszeichen. Das Land hat das analoge Zeitalter einfach übersprungen und ist von Null ins Smartphone-Zeitalter eingestiegen. In vielen Städten Tansanias ist dank moderner Glasfaserkabel die Internet-Verbindung besser und erschwinglicher als in manchen ländlichen Regionen Deutschlands. Und das eröffnet neue Möglichkeiten der Kommunikation, gerade auch für Blogger_innen. Das Cybercrimes-Gesetz erlaubt es allerdings Strafverfolgungsbehörden, Computer zu durchsuchen und darauf befindliche Dateien sicherzustellen. Kritiker befürchten deshalb Repressionen auch gegen regierungskritische Blogger. Die beliebte Internet-Plattform „JamiiForums“ etwa, auf der auch Gloria Michael gerne recherchiert, sollte der Polizei jüngst Namen von Informant_innen zu aktuellen Fällen von schwerer Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung preisgeben.
Dabei würden die Medienvertreter_innen in der Gesellschaft durchaus geschätzt, sagt Michael. In Tansania gebe es keine Lügenpresse-Debatte. Im Gegenteil seien die Leute froh, wenn Journalist_innen Probleme aufgreifen: Steigende Wasserpreise, Fahrtkosten, Frauenrechte. Immer noch aber gebe es die Unsitte, dass Organisationen für die Berichterstattung von Journalist_innen bezahlen. „Wir nennen das ‚die braune Umschlag-Krankheit‘! Das ist leider immer noch sehr weit verbreitet, weil die Medienhäuser möglichst billige Journalisten und Korrespondenten haben möchten. Und wenn sie durch den Umschlag das Geld riechen, sind bei einer Pressekonferenz plötzlich 50 Journalisten da“, lacht Michael.
Journalismus ist in Tansania vor allem für Freelancer ein hartes Brot. Mohamed Hamad etwa berichtet aus dem Landstrich Kibaya Kiteto nördlich der Hauptstadt Dodoma. Pro Radiobeitrag bekommt er 3000 tansanische Schilling, umgerechnet etwas mehr als einen Euro. Das decke oftmals gerade seine Reise- und Telefonkosten, schildert er. Daher muss der Lokaljournalist nebenbei Zeitungen verkaufen oder andere Gelegenheitsjobs machen. Die meisten Medienschaffenden haben auch einen eigenen Garten und Kleinvieh zur Selbstversorgung. Dennoch wolle Hamad beim Journalismus bleiben, auch weil ihm die Berichterstattung etwa über die Massai wichtig ist. „Das Hauptproblem ist, dass viele Massai ihre Rechte nicht kennen. Sie wissen zum Beispiel oftmals nicht, dass sie sich zur Landnutzung registrieren lassen müssen. Ein weiteres Problem ist die unzureichende Wasserversorgung. Oder die Mädchenbeschneidung. Da will ich als Journalist aufklären“, sagt er.
Ganz anders versucht Samuel Obae eine neue Generation von Film- und Mediengestalter_innen auszubilden. Er ist seit gut zehn Jahren Leiter des privaten Kilimanjaro Film Instituts in Arusha, das einzige seiner Art im ganzen Land. In einem zweijährigen Kurs wird je 16 Studierenden Storytelling und Filmbearbeitung vermittelt. Die Ausbildung ist kostenlos und wird vor allem von Filmfreunden aus den Niederlanden finanziert. „Unser Ziel ist es, eine Art Medienlabor aufzubauen, in dem Audio, Grafik-Design, Film, Dok und Fiction zusammenkommen, um damit lokale Filmproduktionen unterstützen zu können“, träumt Obae.
Aber so weit ist man noch lange nicht. Die Ausstattung ist bescheiden. Es fehlt etwa an großen Bildschirmen für die Filmbearbeitung. Derzeit hocken die Student_innen über kleinen Laptops. Wenn einmal kleinere Filme aus dem Institut verkauft werden, wird der Erlös in die Ausbildung reinvestiert. Doch das kommt selten vor. „Die TV-Stationen kaufen nicht die Filme, sondern lassen sich die Ausstrahlung von den Filmemachern bezahlen. Und wenn sie Geld geben, deckt das nur einen Bruchteil der Produktionskosten“, erklärt der Institutsleiter.
Zudem gebe es in Tansania keine nennenswerte Filmindustrie. Die Kinos zeigten vor allem Hollywood-Produktionen. Die wenigen öffentlichen und privaten TV-Kanäle würden meist nur billige südamerikanische Seifenopern senden. Zwar sei man frei Filme zu machen, nur dürfe man dabei genauso wie in den anderen Teilen der Medienbranche nicht die Regierung von Präsident John Magufuli kritisieren. Und es gebe Tabus. Etwa die Problematik von Albinos, die drangsaliert oder sogar ermordet werden, weil der Volksglaube ihnen Unheil andichtet, andere wiederum erwarten von Albino-Körperteilen Gesundheit und Wunder. Der Staat schütze diese Menschen aber oft nicht ausreichend. „Wenn man einen Film über Albinos machen will, muss man sich das genehmigen lassen und es steht immer ein staatlicher Aufpasser daneben“, schildert Obae.
Eine seiner Studentinnen ist Maja von der Insel Sansibar. Bei einem ihrer ersten Filme über HIV-Prävention hat die angehende Filmemacherin zwar frei agieren können. Doch ihr Ziel ist es, im Ausland Karriere zu machen, vielleicht sogar bei der Deutschen Welle. Im reichen Westen will sie für Tansania werben, damit Medienunternehmen mehr in ihr Land investieren. Denn der ostafrikanische Staat ist seit seiner Unabhängigkeit 1961 erstaunlich stabil. Anders als in den meisten Nachbarländern hat es hier nie bürgerkriegsähnliche Zustände gegeben. Die rund 130 Ethnien leben seit Jahrzehnten friedlich zusammen. Mit dem Land gehe es langsam aber stetig bergauf, ist man sich nicht nur in Arusha sicher. Wenn es denn in Tansania endlich auch Verbesserungen bei der Meinungs- und Pressefreiheit geben wird.