„Mexiko ist eine Scheinrepublik“, sagt Marta Durán de Huerta, „es gibt die Pressefreiheit auf dem Papier, in der Praxis haben es Journalisten aber häufig mit Korruption, Einschüchterung und Morddrohungen zu tun.“ Die mexikanische Journalistin und Hochschullehrerin sprach auf Einladung des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie, Ortsverein Hamburg im Gewerkschaftshaus der Hansestadt vor interessierten Zuhörer_innen.
Marta Durán de Huerta hat selbst schon Morddrohungen erhalten. Um ihr persönliches Schicksal ging es an dem Abend allerdings nicht, denn Marta Durán ist längst nicht die Einzige, die bedroht wurde. Die Drohungen sind ernst zu nehmen: Mehr als 80 ermordete Journalisten zählt Reporter ohne Grenzen seit der Jahrtausendwende und stuft Mexiko als eines der gefährlichsten Länder für Medienschaffende ein.
Am schlimmsten, so Marta Durán de Huerta, treffe es die Kolleg_innen in den abgelegenen Provinzen. Hier seien Drogenbarone Teile des Establishments geworden und in korrupten Netzwerken mit den örtlichen Strukturen verwoben. „Selbst Hochzeitsfotografen sind betroffen“, sagt Marta Durán de Huerta, „im Norden Mexikos schoss ein Kollege bei einer Hochzeit ein Bild, wie sich ein Kommunalpolitiker und der örtliche Drogenbaron umarmten. Am nächsten Tag war er tot.“
Journalist_innen, die gezielt versuchen, korrupte Strukturen aufzudecken, sind erst recht gefährdet: Der Kopf von Maria Macias lag vor der Redaktion ihrer Zeitung „Prima Hora“ in der nordmexikanischen Grenzstadt Nuevo Laredo. Dabei hatte sie schon Vorsicht walten lassen und die Drogenbarone nicht direkt in der Zeitung angegriffen, sondern sich im Weblog sicher gefühlt – eine Fehleinschätzung.
Die Kolleg_innen in den Provinzmedien seien nicht nur bedroht, sondern auch schlecht bezahlt, berichtete Marta Durán de Huerta. Oft so schlecht, dass sie zum Broterwerb einen zweiten Job benötigten. Manchmal sei das sogar die Rettung: Edwin Canché vom Diario de Yucatan lebt vom Zierfischhandel. Als der Provinzbürgermeister ihn wegen unliebsamer Berichterstattung abholen und foltern ließ, setzten sich Kunden und Nachbarn für seine Freiheit ein. Das sei nicht geschehen, weil er ein kritischer Journalist sei, sondern weil sie ihn als örtlichen Geschäftsmann kannten und schätzten, so Marta Durán de Huerta.
Es gibt in Mexiko tatsächlich staatliche Programme zum Schutz von Journalisten. In der Realität einer korrupten Gesellschaft blieben diese allerdings wirkungslos. „Es ist vorgekommen, dass die Polizeieinheiten, die eine Kollegin bedroht hatten, dann zu ihrem Schutz abgestellt wurden“, sagte Marta Durán de Huerta, „und es ist auch vorgekommen, dass die unterbezahlten Kolleg_innen in der Provinz die Stromrechnung für die kostenlos gelieferte Sicherheitstechnik nicht bezahlen konnten und hinterher weniger geschützt waren, als vorher.“
Die Drohungen wirkten auf vielen Ebenen. Einige Kolleg_innen hätten den Beruf ganz aufgegeben. Andere würden über Drogenbarone nur dann berichten, wenn diese tot oder im Gefängnis seien. „Manchmal wenden wir uns auch an die Korrespondenten ausländischer Medien“, sagte Marta Durán de Huerta, die selbst lange Korrespondentin des niederländischen Rundfunks war, „wenn die dann eine Nachricht bringen, können wir uns auf diese als Quelle beziehen.“
Der Ortsverein Hamburg will sich weiter mit der bedrohten Pressefreiheit weltweit auseinandersetzen. Im Mai ist der Kollege Erick Arellana Bautista aus Kolumbien eingeladen.