Nicht nur den Auslöser drücken

Der Fotograf G.M.B. Akash hilft Straßenkindern in Bangladesch

G.M.B. Akash zählt zu den wenigen international bekannten Fotografen aus Bangladesch. Seine ausdrucksvollen Fotos sind in vielen Magazinen erschienen. Nun will der 36-jährige Autodidakt etwas zurückgeben. Mit kleinen Projekten hilft er denjenigen in die Selbständigkeit, die er fotografierte – Fotos, mit denen er international bekannt wurde. G.M.B. Akash lebt in Dhaka und engagiert sich dort gemeinsam mit Kollegen für die Rechte von Straßenkindern in der Megametropole.

Fotografen, die sich auf die Fährte derjenigen heften, die Sie einst fotografiert haben, sind selten. Wie kamen Sie auf die Idee, Spurensuche zu betreiben?

G.M.B. Akash | Das war 2011. Ich kam an einer Werkstatt vorbei, wo ich ein paar Jahre zuvor einen kleinen Jungen fotografiert hatte, der Teile für eine Rischka produzierte. Der gleiche Junge schuftete auch fünf Jahre später noch in dieser dunklen, staubigen Halle. Es hatte sich nichts getan und der Junge wirkte frustriert und perspektivlos. Da kam mir die Idee, mach etwas – hilf ihm und das habe ich versucht. Erfolgreich.

Wie denn?

Ich habe den Jungen angesprochen, ihm das Bild von damals gezeigt, die Familie aufgesucht und besprochen, wie ich helfen kann. Heute ist der 13-jährige Munna kein Kinderarbeiter mehr, sondern ein Kleinunternehmer, der Popcorn auf eigene Rechnung an Liebespaare verkauft. Das ist eine Arbeit, die er sich selbst ausgesucht hat, sie ist relativ leicht und er arbeitet nun vier Stunden statt zehn oder zwölf.

Wie kam es dazu?

Der erste Schritt war das Einverständnis des Vaters, etwas für Munna und seine Familie zu tun. Alamgik war damals Flickschuster und brauchte das Geld, welches sein Sohn dazuverdiente, um die Familie zu versorgen. Als wir über ökonomische Alternativen sprachen, war er sofort begeistert davon, einen Marktstand aufzumachen. Er verkaufte Gurken an die Gastronomie und das lief so gut, dass Munna schnell dazu stieß, um seinem Vater zu helfen. Ein paar Monate später kam er dann mit dem Wunsch, sich selbständig zu machen.

Und das funktioniert?

Ja, so gut, dass er noch etwas sparen kann und die Ausbildung seiner Schwester Sathi mitfinanziert.

Sie dokumentieren seit 1999 den Kampf derjenigen, die am unteren Rand der Gesellschaft stehen?

Ja, 1999 habe ich eine Foto-Ausstellung von an Aids erkrankten Kindern gesehen und diese Fotos haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Da habe ich begriffen, was es heißt, Menschen am Rande der Gesellschaft zu treffen, zu fotografieren und Bilder zu machen, die deutlich machen, dass wir mehr Chancengleichheit, mehr Fairness und weniger Armut brauchen.

Wie gelingt es, so nah an die Menschen zu kommen?

Ich drücke nicht gleich auf den Auslöser, sondern lerne die Menschen erst kennen – ob es der Kanalarbeiter oder der von einem Tiger verletzte Honigsammler am Rande des Dschungels ist. Oft bleiben die Kontakte über Jahre bestehen, und irgendwann habe ich begriffen, dass ich nicht einfach ein Foto machen und wieder gehen kann. Also habe ich mir überlegt, was ich tun kann.

Sie unterstützen beim Start in eine eigenständige ökonomische Zukunft?

Ja, ich kann Familien dabei beraten, ein kleines Geschäft aufzumachen, sich eine Perspektive aufzubauen wie bei Munna und seiner Familie. Die brauchten letztlich nur Starthilfe und heute geht es Ihnen viel besser.

Wie finanzieren Sie das – als Fotograf in Bangladesch sind Sie sicherlich nicht auf Rosen gebettet?

Nein, es ist schwierig, in einem Land wie Bangladesch zu Aufträgen zu kommen. Hier wird nur berichtet, wenn es eine Flut gibt oder eine Textilfabrik einstürzt oder ausbrennt. Das ist die bittere Realität. Trotzdem geht es mir darum etwas zurückzugeben, denn ich bin nur bekannt geworden, weil ich Menschen wie Munna fotografieren konnte. Deshalb habe ich nun einen Fotoband aufgelegt und von dessen Erlös fließt ein Teil in das Projekt, von dem bisher vierzehn Familien profitiert haben.

Sie haben den Band „Survivors“, Überlebende, genannt und ihn auch in Deutschland vorgestellt, warum?

Ich habe viele gute Freunde in Deutschland, habe 2007 ein Jahr in Hamburg gelebt und arbeite immer mal wieder für Geo – das sind gute Gründe. Aber auch die nackten Zahlen sprechen für sich. In Bangladesch habe ich drei Bände von „Survivors“ verkauft – in Deutschland sind es mehrere Hundert.

Hamburg war 2007 aber auch die Stadt, die Ihnen Aufnahme vor Verfolgung gewährte.

Ja, die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte hat mir und meiner Frau ein Stipendium gewährt, weil ich aufgrund eines Fotos, das einen angeketteten Koranschüler zeigte, von Islamisten mit dem Tode bedroht wurde. Die Islamisten sind auch heute sehr stark in meinem Land.

In Bangladesch werden Ihre Fotos selten abgedruckt?

Ich wurde oft als Nestbeschmutzer bezeichnet, weil ich ein Teil der gesellschaftlichen Realität abbilde, vor der gerne die Augen verschlossen werden. Das ist ein ernstes Problem. Wie soll sich etwas ändern, wenn die Menschen nicht wissen, wie in ihrem eigenen Land gelebt, gelitten und geschuftet wird und man es ihnen nicht zeigen darf?

 

Das Fotobuch „Survivors“ kann man unter akashphoto@gmail.com bestellen. Preis: 45 Euro. Weitere Bilder auf www.gmb-akash.com

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

USA: Zeitungen sterben im Tageslicht

Die Nachrichtenwüsten, die auch in Deutschland drohen, sind in den USA längst Realität. Vergleichbar mit der letztjährigen Veröffentlichung des Projekts „Wüstenradar“ hat die Northwestern School For Journalism, Media & Integrated Marketing Communications (MEDILL) in Evanston im Bundesstaat Illinois ausgewertet, wie sich das Zeitungssterben für die USA konkret darstellt. Laut dieser Erhebung sind in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als 3200 gedruckte Zeitungen in den USA verschwunden – mehr als ein Drittel.
mehr »

Free Speech statt Fakten bei Meta

Pünktlich zur Bundestagswahl will der Meta-Konzern mit einem „Elections Operations Center“ Desinformationskampagnen auf seinen Plattformen entgegentreten. Gleichzeitig schafft er in den USA das journalistische Fact Checking ab. Ersetzt werden soll es durch eine Selbstkommentierung der Community („Community Notes“). Was ist für die politische Meinungsbildung auf den Plattformen zu erwarten?
mehr »

Pressefreiheit EU: 1548 Angriffe in 2024

Die Medien- und Pressefreiheit steht weltweit unter Druck – auch in Europa. Laut eines aktuellen Berichts des EU-Projekts Media Freedom Rapid Response (MFRR) wurden im Jahr 2024 1.548 Angriffe auf insgesamt 2.567 Medienschaffende in 35 europäischen Ländern dokumentiert. Das heißt: Auch in Europa ist es längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Journalist*innen frei und unabhängig berichten können. Das gilt nicht nur für autokratische Staaten, sondern auch für Deutschlands demokratische Nachbarn.
mehr »

RSF: Mehr Schutz für Medienschaffende

Statt Anspruch auf Schutz und Schutzstatus von Menschen weiter aufzuweichen, fordert Reporter ohne Grenzen die Bundesregierung auf, unter anderem die Unterstützung von Medienschaffenden weiter auszubauen. Mit Blick auf das vergangene Jahr meldet die Organisation mehr als 700 Medienschaffende, denen sie dabei geholfen hat, sich nach Todesdrohungen, Vergeltungsmaßnahmen und vor willkürlichen Inhaftierungen in Sicherheit zu bringen. 70 Prozent der finanziellen Hilfe gingen dabei an Journalist*innen und Reporter*innen, die sich vorübergehend oder vollständig ins Exil begeben mussten.
mehr »