Peru: Knebelgesetz gegen private Medien

Zeitungsleserin in Huaraz. Im Hintergrund eines der kritischen Magazine Perus: "Hildebrandt".
Foto: Knut Henkel

Mit dem Gesetz 30793 macht der peruanische Kongress der Regierung Vorschriften, wo sie Anzeigen schalten und Informieren darf und wo nicht. Private Medien sind fortan ausgeschlossen. Für die Pressefreiheit eine schlechte Nachricht – doch das Problem liegt tiefer. Für den peruanischen Präsidenten Martín Vizcarra ist dieses Gesetz ein „Knebelgesetz“. Es beschneidet die Möglichkeiten des Staates zu informieren, was jedoch seine Pflicht sei. Das sei mit der Verfassung nicht vereinbar, so die Argumentation des Präsidenten.

Das sieht Augusto Álverez Rodrich, Präsident des Instituts für Presse und Gesellschaft (IPYS), genauso. Das Gesetz, welches am 15. Juni vom Parlament verabschiedet wurde, verbiete dem peruanischen Staat bezahlte Anzeigen und Kampagnen in privaten Medien zu schalten. „Nur in staatlichen Medien sei das künftig möglich. „Dadurch werden viele Peruaner nicht mehr erreicht“, so Rodrich. „Für den privaten Mediensektor sind die staatlichen Anzeigen und Kampagnen eine wichtige Finanzierungsquelle. Mit dem Gesetz versuchen einige Parteien im Kongress die privaten Medien enger an sich zu binden.“ Der gelernte Ökonom schreibt als Kolumnist für die links-alternative „La República“ und ist eine bekannte Stimme im Radio, wo er auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes kommentiert.

Genau das gefällt der dominierenden Partei im Kongress „Fuerza Popular“ nicht. Von Keiko Fujimori, der Tochter von Ex-Diktator Alberto Fujimor, und einigen Abgeordneten gegründet, sind ihr die Recherchen unabhängiger Journalist_innen ein Dorn im Auge. Darunter auch Kongresspräsident Luis Galarreta, der laut Recherchen der Journalistin Rosa María Palacios erst zu „Fuerza Popular“ übertrat, als er ein Apartment in Lima erhielt. Mehrere der Abgeordneten der Fujimori Partei, die 71 der 130 Mandate im Kongress innehat, gelten als korrupt. Die meisten von ihnen stimmten für das Gesetz, welches von dem Abgeordneten Mauricio Mulder, der einst linken „Amerikanische Revolutionäre Volksallianz“ (APRA) eingebracht wurde. Deshalb wird es in der Öffentlichkeit immer wieder als „Gesetz Mulder“ oder als „Knebelgesetz“ tituliert. Ziel sei, so Rodrich, den Einfluss der Parteien auf private Medien zu erhöhen.

„Ich befürchte, dass es zu Verhandlungen über spezielle redaktionelle Leitlinien kommt“, so Rodrich. Die beiden Parteien, die Gesetzesinitiative eingebracht haben, „Fuerza Popular“ und APRA, sind in den letzten Jahren immer wieder durch Korruptionsskandale auffällig geworden. Für deren Aufdeckung waren vor allem investigative Journalisten privater Medien verantwortlich, so dass ein Motiv für das Gesetz durchaus Vergeltung sein könnte, so Rodrich.

Ein anderer Grund ist offenbar die Verhinderung negativer Presse in den großen Medien. Denn unstrittig ist in Peru, dass Parteichefin Keiko Fujimori es bis heute nicht verwunden hat, dass sie auf der Zielgraden der Präsidentschaftswahlen 2016 noch abgefangen wurde von Ex-Präsident Pedro Pablo Kuczynski. Stimmenkauf und Korruption waren damals schon von den Medien aufgegriffen worden. Eine Sichtweise, die auch der Abgeordnete der linken Frente Amplio, Marco Arana, teilt. Ihm greift die derzeitige Diskussion über Pressefreiheit in Peru allerdings viel zu kurz. „Die eigentliche Debatte sollten wir über die Medienkonzentration führen und nicht über das staatliche Werbeaufkommen in privaten Medien.“ Was derzeit diskutiert werde, gehe am Kernproblem vorbei, kritisiert der Abgeordnete: „Natürlich müssen wir verhindern, dass Fuerza Popular Einfluss auf die privaten Medien nimmt, aber grundsätzlich brauchen wir mehr Vielfalt in der Medienlandschaft, mehr Partizipation, mehr kommunale Medien“.

Immerhin hat die Regierung von Präsident Martín Vizcarra Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt. Zudem kündigte die Regierung am 4. Juli an, einen Gesetzesvorschlag einbringen zu wollen, in dem die Vergabe staatlicher Mittel an private Medien im Rahmen von Informationskampagnen neu geregelt werden soll. Welche Kriterien dabei angelegt werden und ob es dabei auch zur Förderung alternativer Medien kommen soll, ist noch nicht bekannt. Der Gesetzesvorschlag werde derzeit noch ausgearbeitet, so Ministerpräsident César Villanueva vor wenigen Tagen gegenüber der Presse.

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften.
mehr »

Klischees, die bis heute wirken

Die MDR-Dokumentation „Es ist kompliziert - Der Osten in den Medien“ prüft die Entstehung des medialen Bilds von Ostdeutschland. Die umfassende Analyse von über 30 Jahren Berichterstattung zeigt, wie entlang von Medien-Stories und Skandalen ein Narrativ vom Osten entstanden ist, das immer wieder aufgegriffen wird und seine Wirkmächtigkeit nicht verloren hat.
mehr »

Assange äußert sich erstmals öffentlich

Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, hat in seiner heutigen Anhörung vor dem Europarat den Deal kritisiert, den er mit der US-Justiz schließen musste, um aus seiner langjährigen Haft freigelassen zu werden. Es war sein erster öffentlicher Auftritt nach seiner Freilassung Ende Juni. Die dju in ver.di fordert eine Aufarbeitung.
mehr »

Spaniens Justiz kämpft gegen Hetze im Netz

Spanischen Staatsanwälte verstärken ihre Ermittlungen zu Hassverbrechen in sozialen Medien. Denn Rechtsextreme und Rechtspopulisten hetzen zunehmend im Internet. Sie machen Stimmung gegen Zuwanderung, Pressevertreter*innen und einzelne Politiker*innen. Auch das Strafrecht soll daher verschärft werden. Doch das könnte gerade für Medienschaffende zum Problem werden.
mehr »